Reviews

THE AGGROLITES: REGGAE NOW! (Pirates Press)
Ein Masterpiece, das die Amis da aus dem lockeren Ärmel schütteln. Wie am Fließband hauen sie Nummern raus, die einzeln für sich als auch in gesamter Wucht auf Anhieb funktionieren. Es klingt so, als würde jeder einzelne Aggrolite einfach sein Spielchen spielen – zusammengesetzt sind das alles Reggaeklassiker erster Güteklasse. Manchmal begleitet die Orgel dezent im Hintergrund, dann beißt sie sich wieder an die Front. Jesse Wagner bringt seine Stimme völlig unkompliziert ein, das Klima innerhalb der Band ist hörbar optimal. Nummern wie „Western Taipan“ oder das down-gechillte „Invasion“ vereinen Feuer und Erde. Schwer und federleicht im selben Moment – die Musiker der AGGROLITES hat Substanz – tanz, Du Ghetto-Luder!


O PREÇO: S/T (Comandante Records)
3 sonnenbebrillte Herren, gut poliertes Schuhwerk und Shirts mit den „richtigen“ Bandnamen darauf. Süd-Amerika is calling – eine Neuentdeckung für alle Auswärts-Fans. Rebellischer Streetpunk auf Portugiesisch vorgetragen. Es wird mit allen Mitteln gearbeitet, um ein abwechslungsreiches, pfiffiges Streetpunk-Werk zu hinterlassen. Solche Typen grinsen einem ins Gesicht und zünden 3 Minuten später dein Auto an. Aber mit Charme! Ansteckender Sound, nichts Neues, aber dennoch erfrischend wie eine Dusche nach einer versoffenen Nacht. Die Texte sind freundlicherweise auf Englisch übersetzt und inhaltlich wird genau das bestätigt, was die Songs vermuten lassen. Die Platte hat die Stärke eines ungefilterten Kaffees – spendet Energie für actionreiche Stunden!


F.R.I.D.A.: Meinungsmomentum (Coretex)
F.R.I.D.A. ? Hat nichts mit dem fast gleichnamigen Beratungszentrum für Frauen in Berlin zu tun, hierbei handelt sich um eine Berliner Combo, welche sich mit dem momentan sehr beliebten Mädchen-Namen schmückt. Hauptsächlich heißt die Tochter vom Sänger so, weiß zumindest das Beiblatt. Die Jungs sind schon alte Hasen im Metier, zeitgleich wird bei JOHNNY ROOK, PIRATENPAPST etc. gezockt und bestimmt auch schon mal ONKELZ gehört. Oder TOXPACK. So kommt das Debüt "Meinungsmonument" auch als griffige, fett produzierte Mischung aus aktuellem D-Punk (wobei wir wieder bei JOHNNY ROOK und PIRATENPAPST wären) mit einer satten Portion Hardcore/Metal und einem Frankfurter-Schulabschluß daher. Liegt natürlich an den deutschsprachigen Texten, hier wird ordentlich Pathos und Blattgold gestreut, die Stulle schön dick mit Schmalz bestrichen. Ganz auf Nummer sicher präsentiert sich der Opener mit Gastgesang von Schulle/TOXPACK. Zuviel des Guten bzw. Böhsen? Die Sprache ist hier ein klarer Game Changer, macht das englischsprachige "F.U.C.K." überdeutlich. Hammer-Song, allerhöchste Brett-Liga! Plötzlich klingt man wie eine coole PRO-PAIN Version, schön kraftvoll und un-böhse. Sollte man drüber nachdenken, hier liegen die wirklichen Stärken der Band.


BILLYBIO: Freedom's never free 7" EP (BRIDGE NINE)
Falls noch Unklarheit besteht: Hinter BILLYBIO verbirgt sich William "Billy" Graziadei IV, bekannt als BIOHAZARD-Gitarrist, weshalb BILLYBIO sich auch ganz simpel in BILLYBIOHAZARD auflöst. Ein Mann vom Fach also, Profi to the bone.Mit "Feed the fire" ließ er 2018 seinen Debüt-Longplayer vom Stapel, das Album erschien auf dem deutschen Metal-Label ALLENDÖRFER FISCHER MUSIK (AFM) im Agathe-Lasch-Weg 2 in Hamburg, was allerdings die einzige Irritation blieb. Weitere Überraschungen wurden strikt vermieden, wer BIOHAZARD erwartet, bekommt auch BIOHAZARD serviert. Satten NYHC mit dem geschätzten BIOHAZARD-Groove, bösen Chören und ordentlich Power. Der Schuster bleibt bei seinen Leisten, gelernt ist gelernt. Das haben auch BRIDGE NINE erkannt und sind auf den BILLYBIO-Zug mit aufgesprungen. Vorerst allerdings mit Resultat, hier wird die Hype/Promo-Zitrone schon recht grenzwertig gepresst: Die "Freedom's never Free" 7" präsentiert sich als DieHard Fan only-Release, der Titelsong stammt vom Album und ist in gleich zwei Versionen vertreten: Album-und Demo-Version. "Feed the fire" (ebenfalls vom Album bekannt) schließt sich in (Live) Demo-Version an, einziger wirklicher Neuzugang ist eine NYHC-Version vom Marley/Tosh-Klassiker "Get up stand up". Appetithappen für (7") Format-Fetischisten ? Fazit: Ein Killer, zwei Filler und ein Cover. It's up to you


GHOSTBASTARDZ: LEID(T)KULTUR (Steeltown Records)
Hier werden die Geister gejagt, die viele Bands schon längst in ihren Bann gezogen haben. Die Band aus Wetzlar merkt man an, dass hier noch gemeinsam an neuen Songs gewerkt wurde. Kein Konzept, kein Masterplan – „Leid(t)kultur“ ist kein Studio-Blitzkrieg, sondern einem hörbaren Prozess entsprungen. Da wurde bestimmt viel geprobt, gesprochen, geändert und eventuell 1 oder 2 Biere getrunken. Wir haben es aber nicht mit einer Saufkombo zu tun, die es genau umgekehrt macht – nur Saufen, einmal Proben und dann Platte machen. Das können nur Engländer. In Deutschland passiert genug, um Texte zu schreiben, die in der oberen Liga des Punkrocks mit Handwerkssiegel mitspielen zu können. Sowohl der Sound als auch die Aussagen in den Songs animieren immer wieder zum Kopf nicken. Fast alle Refrains lenken die Aufmerksamkeit auf sich – es wurden nicht die ewig gleichen Melodien geklaut. Herzhaft und zeitlos – eine schöne, gute Platte, die sich abseits der Stange dreht. Die Band besticht durch ein authentisches Treiben und bedient wenig Klischees. Ein geordnetes, schwungvolles Ding ohne dicke Eier aus PVC. Nummer 5, 7 und 8 bilden so ca. die Mitte des Albums – gleichzeitig meine persönlichen Hits.


CHARGER: S/T (Pirates Press Records)
Wer MOTÖRHEAD nicht mit irgendwelchen Halbaffen teilen möchte, dem sei CHARGER ans schnell pumpende Herz gelegt. Die Parallelen liegen auf der Hand – Lemmy ist an diesen Amis nicht spurlos vorbeigegangen. Und somit hat diese Platte jede Menge britisches Blut durch die ohnehin überforderten Venen marschieren. CHARGER dürften aber noch ein-zwei Lines Speed mehr aufstreuen, sie verabscheuen den Punk von GBH und ENGLISH DOGS genauso wenig wie „das Original“. Die Musik stammt aus Zeiten, als Bandmitglieder noch gekreuzte Patronengürtel um den Oberkörper tragen konnten, ohne verdroschen zu werden. Sehr deftige Kost, viel Rock, viel Punk…vielleicht sind es doch alles uneheliche Kinder von Kilmister? Der hat seinen Samen ja über die ganze Welt verstreut….und das würde dieser Platte auch nicht schaden.


HARRINGTON SAINTS: 1000 LBS OF OI! (Contra Records, Pirates Press)
Yes, die schwersympathisch-gewichtigen Amis mit einem neuen Album. No News are good news. Die Gewichtsangaben des Titels kommen ganz gut hin – so stark und herzlich zeigen sich nicht viele Bands in diesem Ausmaß. 10 neue Argumente, warum die anderen Platten im Regal etwas näher zusammenrücken müssen, um HARRINGTON SAINTS Platz zu machen. Ihre Handschrift ziehen sie gekonnt durch: stampfender, kämpferischer und motivierter Mid-Tempo Oi, wie ihn die Amis eigentlich immer schon am besten beherrscht haben. Die Qualität zieht sich von Anfang bis Ende durch, als wäre es eine kleine Hitparade. Ich stehe auf die Songstrukturen, auf den Gesang und das wuchtige Gesamtpaket. Das ist Oi! Oi! Music im Sinne des Erfinders.


THE STANCE: s/t EP 7“ (CONTRA)
Interessante Mixtur für Fortgeschrittene und tolerante Geister: Hard rockin’ Americana Stuff out of Boston, THE STANCE gefallen sich als schroffe Garagen-Version von swampy Southern Rock (Schnauzenhobel inklusive) und heavy 70’s ROCK in general, mit dem Streetpunk-Schneebesen grobkörnig zusammengefegt. Locker zusammengefasst: LYNYRD SKYNYRD meets ANTISEEN & THE TEMPLARS/FIRST STRIKE, dirigiert von einem beschwipsten Paul Bearer aka JOE COFFEE. Raw, drunk and different. Keine einfache Kost, not your typical CONTRA Release: Das „Oi!“ geht hier nur über die Frisuren und die Attitude klar. Song Nummer 3 „Thoughts of trouble“, biegt schon leicht psychodelisch um die Ecke, explodiert crazy’n’wild. Songtitel Nummero 4, „No new breed“, könnte als musikalischer Warnhinweis genutzt werden, „Old“ ist hier die beinharte Devise. Fazit: Abgefahrener Yesterday-Sound mit erhöhtem Coolness-Faktor, anders als die anderen Kinder.


VALKYRIANS: POOR REGGAE BOY 7" (Grover Records)
Endlich mal wieder was zählbares auf dem Kerbholz unser aller Lieblings-Ska-Finnen. Die Jungs um Sanges-Sympathikus Angster haben die Formel 'raus, mit deren Hilfe sie in der Schnittmenge von Early Reggae und 2Tone einfach tolle, tanzbare und niemals belanglose Tunes komponieren. Beeindruckend, dass das eigentlich immer leicht und selbstverständlich 'rüberkommt und nicht so angestrengt, wie bei so manchem anderen zeitgenössischen Act. Einziger Wermutstropfen hier ist die Version von "Fattie Fattie", im Original von den HEPTONES aus dem Jahre 1967. Die darf eigentlich nur einer covern: Buster Bloodvessel!
Dazu ein schlicht-schönes Cover mit Hemd und Hosenträgern. Schön! Sir Paulchen


GIUDA: Overdrive 7" (RISE ABOVE)
Die Italo-Schatzgräber mit einer weiteren 2-Song Single, die Label-Odyssee geht munter weiter: DEAD BEAT, WHITE ZOO, CONTRA, DAMAGED GOODS, BURNING HEART. Jetzt also RISE ABOVE. Sonst ist alles beim Alten geblieben. Für Neueinsteiger: Die GIUDA-Grundformel ist ganz simpel, die Basics haben AC/DC mit "Powerage" geliefert, dazu noch etwas SWEET, T. REX, SLADE, Glitter etc. als Gleitmittel und ready ist der Full Frontal 70's Bovver Rock made by GIUDA. Optisch bedient man sich überwiegend bei obskuren One-Hit Wonder Glamstern aus der Kreidezeit, Artwork Rip Off vom Feinsten. Alles nach Plan...Giuda hatten aus ihren Fehlern (aka TAXI) gelernt, nichts bleibt dem Zufall überlassen, auch die beiden Songs auf "Overdrive" weichen davon keinen Zoll ab: Zwei perfekt gestylte Vintage-Blockbuster im Zäpfchen-Modus. Klingt bekannt, ist bekannt, und gemütlich wie eine schön durchgessene Couch. Der Titelsong ist eine Auskopplung vom nachfolgenden "E.V.A." Album (auf BURGER Records), die B-Seite bleibt (vorerst?) exklusiv. Paradise


AMERICAN WAR MACHINE: "Unholy War" (BRIDGE 9)
Neue Boston-Combo aus altbekannten Kräften. Wer steckt dahinter? Man bleibt nicht lange im Dunkeln, die Hälfte des spärlichen Promo-Textes wird von der Aufzählung der ex-Kapellen bestritten, welche da wären: AGNOSTIC FRONT, BLOOD FOR BLOOD, INTENT TO INJURE, SLAPSHOT. Grob runtergebrochen, könnte man AMERICAN WAR MACHINE (der Name ist hoffentlich ironisch gemeint…) auf die Formel SICK OF IT ALL meets SLAPSHOT komprimieren. Passt sowohl auf den musikalischen Unterbau als auch auf die Vocals: Ein atemlos-intensiver Lou Koller trifft auf die heisere Raufboldigkeit von Choke. Experten hören vermutlich zudem etwas Lind samt BFB aus den 12 Songs heraus und gelegentlich („Prey drive“) huscht auch mal ein altbekanntes MOTÖRHEAD-Riffs ins Gemälde, aber grundsätzlich greift die Formel. Das Gaspedal wurde mit einem Backstein beschwert, überwiegend ist man auf der Überholspur unterwegs. Nettes Oldschool-Gebolze von Fachleuten serviert.


BRUTAL BRAVO: ÜBER ALLES (Contra Records/Longshot Music)
Die Studentenstadt Freiburg wird die letzten Jahre wieder auffällig konsequent von einer Gegenbewegung unterwandert. Immer wieder ploppen da waschechte Anti-Bands auf, die den Stadtvätern Kummer und Sorge bereiten. BRUTAL BRAVO ist eine der wichtigsten Waffen an der Front. 4 neue Nummern voller Bauchstich-Romantik und ohne Maulkorb. Selbst gesichtstätowierte Insassen einer Londoner JA hätten den Sound in den 80ern kaum besser hinbekommen. Allein die Mitgliedschaft bei dieser Band, sollte zumindest Grund genug für eine Vorstrafe sein. Sozialstunden? Up your ass….Der Sänger frisst kleine Kinder zum Frühstück, während der Rest der Band dazu onaniert. (Quelle: Bild-Zeitung)


BEST BOYS ELECTRIC: BRETT POP AFFAIRS (Yellow Jacket)
Hier tut sich der Verdacht auf, dass Leichen geschändet und deren Goldzähne verkauft wurden. Anders kann ich mir diese extrem aufwändige Aufmachung nicht erklären. Buntes 10“ Vinyl, fettes Klappcover, schöne Illustrationen – und dazu gibt es 4 Songs Bremer Punkrock. Das klingt aber wie kalifornischer Diabetiker-Tod! Zuckersüß, fast andächtig blubbern und sägen sich die mir bis dato Unbekannten durch ihre Werke. Ganz eigenwilliges, aber lässiges Release, das durchaus Beachtung bekommen sollte. Solche Scheiben gehen aber gerne in der Flut des Punkrocks unter. Da hilft auch kein sonniges Gemüt!


V/A HARTE ZEITEN - AGGROPUNK Vol. 4 (Aggressive Punkproduktionen)
Aus welchen Gründen auch immer, vergleiche ich diese Sampler immer mit der „Schlachrufe BRD“-Reihe und überlege, was sich seither im Sektor des Deutschen Punkrocks alles geändert hat. „Den“ Deutsch-Punk kann man längst nicht mehr so einfach erfassen. Aber das, was diese Bands hier zum Großteil bringen, ist jener D-Punk, den ich auch als solches erleben will. Zum Teil renommierte Bands wie SLIME (geile Live-Aufnahme), POPPERKLOPPER, TOXOPLASMA, HASS, TERRORGRUPPE oder DIE SKEPTIKER vertragen sich wunderbar auf einem Silberling. Auch dann, wenn die „new breed“ immer wieder eingestreut wird – ARRESTED DENIAL oder ALARMSIGNAL. Insgesamt 28 Beiträge, die für gute musikalische Unterhaltung sorgen. Die Fußgänger-Zonen-Dosenbier-Atmosphäre ist zwar nicht mehr so offensichtlich, wie man es von „dem“ Deutschen Punk kannte. Aber die Attitüde ist die gleiche – das Maul weit offen und eine gut erfasste Wucht, die diese CD intus hat.


CITY MILES: SOCIAL UNPHEAVAL (Rebellion Records)
Das Leben ist manchmal nicht gerecht – Sänger Mark ist kurz vor Veröffentlichung dieser Scheibe tragischer Weise verstorben. Ich hätte eigentlich geplant gehabt, im CC über die Band etwas ausführlicher zu schreiben. Das macht aktuell wenig Sinn, oder vielleicht doch? Was bleibt – ist dieses starke, letzte Lebenszeichen. Grundsätzlich ein Werk, mit dem man sich zur Ruhe setzen könnte – allerdings nicht so wie im Fall dieser Band. Marcs Stimme erfüllt die 12 Nummern mit gesamten Volumen. Astreiner Oi! Oi! Sound mit allem, was wichtig ist. Rotzfrech und rund, ein paar Melodien und jede Menge Stimmung. CITY MILES hätten eine Menge Potential und sie halten auf der Platte den Erwartungen locker stand, die sie auf „Oi! Aint Dead Vol. 6“ erzeugt hatten. Alt eingesessen und erbarmungslos innovativ. RIP!


RAMOMS: PROBLEM CHILD 7“ (Pirates Press)
Man kennt das Motto…einer der wichtigsten Punkbands wird bis in den Himmel gelohnt, während die Originalen Mitglieder wahrscheinlich gerade den Devil´s Dance in der Hölle aufs Parkett legen. Die unzähligste Cover/Motto-Band, die ihren Job genauso gut macht, wie die meisten anderen Bands ihrer Abteilung auch. Mit den Vorlagen kann man bekanntlich wenig falsch machen. Auf Vinyl ein ganz nettes Ding, aber auch nicht weiter notwendig, weil man bekommt, was man erwartet. Das ist nicht wirklich die Innovation, die den Grund für eine Klassenkonferenz bietet. Mögen Problemkinder einfach solche bleiben, dann ändert sich auch nichts an den Eltern, die einfach eine RAMONES-Coverband gründen.


MESS: STAY YOUNG! STAY FREE! STAY PISSED! (Laketown Records)
Neue Platte der steirischen Schandflecken, der Kulturminister ist empört. Man muss jung bleiben, die Freiheit lieben und dann wird auch noch Inkontinenz gefordert. Da rutscht einem doch glatt der Schnaps-Katheter aus der Röhre. Schön runtergeschraubte Songs, angenehmes gedrosseltes Tempo. So landet man nicht so schnell im Straßengraben sondern bleibt auf der Fahrbahn des ansprechenden Punkrocks. Bands wie MESS lassen unsere Alpenrepublik punkrock-technisch internationaler wirken. Elf Gründe, ein Album mit „77 Reasons“ zu kaufen – klingt erschöpft und frisch, verärgert und sensibel. Die Poser-Polizei muss keine Überstunden machen, auch wenn die Spielzeit der einzelnen Nummern für Punk-Verhältnisse manchmal untypisch lang ist. Langweilig wird´s nicht – im Vergleich zum letzten Album hat sich die Band nochmal mehr gefunden, die richtigen „Pills“ wurden eingeworfen. Die „Dead End Generation“ hat immer noch das letzte Wort! Gefällt! Sehr gut!


LOKALMATADORE – ARME ARMEE LP (Teenage Rebel Records)
Heilige Mutter Gottes, unfassbare 26 Jahre sind ins Land gegangen, seit die LP seinerzeit den Mülheimern ihren Durchbruch bescherte. War 1991 „Ein Leben für die Ärmsten“ zunächst noch ein bisschen untergegangen, blieb im Jahr darauf kein Auge trocken angesichts durchschlagender Hymnen, wie sie hier der als Musikgruppe getarnte S04-Fanclub am laufenden Meter abliefert. Da gibt es eine Ode an den Suff („König Alkohol“), Hinweise zur perfekten Körperhaltung („Geh wie ein Proll“) und Tipps zur sinnvollen Gestaltung der Zukunft („Bring Dich um“). Weiterhin erfahren wir Wissenswertes über Sado-Maso-Sex („Philosophie der Liebe“) und bekommen Tricks zur Bewerkstelligung eines kostengünstigen Kneipen-Abends an die Hand („Ich trink Dein Bier“). Außerdem geht es um bedrohliche Horror-Szenarien für männliche Genitalien („Schuhkarton“), die Anbahnung sexueller Kontakte („Bist Du sauer“) und ungute Erfahrungen im Freudenhaus („Tango im Bordell“). Es werden also quasi alle essentiellen Lebensbereiche abgedeckt, was in Kombination mit den schmissigen und gelegentlich Ska-infizierten Punkrock-Hits zu einem unzweifelhaften Evergreen-Status führte. Erwähnt sei neben dem herrlichen Ramones-Cover „Einer ist immer der Arsch“ natürlich auch noch die Verlierer-Hymne „Ich bin dumm“, die zu Recht in das kollektive Musikgedächtnis der Szene eingegangen ist (ähnlich wie Karl Dall’s „Heute schütte ich mich zu“ .. ). Das ist ungelogen rein formal auf Wilhelm-Busch-Niveau!
Dieses echte Kleinod hat das seinerzeit schon federführende Teenage Rebel Records – Label nunmehr im neuen Coverartwork neu aufgelegt, soundmäßig frisch aufpoliert, mit einem fetten Coverkarton versehen und garniert mit einem großem Inlay, auf dem neben den Texten auch die teils köstlichen Plattenkritiken in der Fanzinepresse von damals (anno 1992) abgedruckt sind. Und dazu gibt’s ziemlich schweres (180gr ?) Vinyl, sehr wertig. Für Prolls mit Anstand, Würde und Stil (die wir ja irgendwie alle sind oder zu sein glauben) ein absolutes Muss im Plattenschrank, gar keine Frage. Sir Paulchenchon mindestens ein Dutzend mal ….Sir Paulchen


YELLOW CAP – TOO FUCKED TO GO CD (Pork Pie)
Oh, eine neue Busters? Mitnichten, hier kommt die neue Scheibe der Görlitzer YELLOW CAP, die ich – ich gestehe – bislang nur über das „Ska im Transit“ – Buch wahrgenommen habe. Und da gibt Sänger Kay zu Protokoll, dass in seinen und ihren Anfängen vor ziemlich genau 20 Jahren Bands wie NO SPORTS und BUSTERS für sie stilbildend waren. Das hört man an allen Ecken und Enden, wir haben es hier quasi mit prototypischem 3rd-Wave-Ska zu tun, wie er Ende der 80er bzw. zu Beginn der 90er hierzulande gepflegt wurde. Und trotz erkennbarer zusätzlicher Einflüsse ist das das Problem der CD: Mir ist der überbordend hohe „Gute-Laune“-Faktor irgendwie zuviel, das Ganze ist eher gerichtet an ein buntes Festival-Publikum, das auf Teufel-komm-raus gewillt ist zu tanzen (Schlapp-Iro neben Jack-Wolfskin-Hippie) und weniger an eine leicht elitäre Liebhaber-Crowd bestehend aus Platten sammelnden Rude Boys, deren Helden die ETHIOPIANS; die TENNORS oder die PARAGONS sind.
Zwar handwerklich wirklich gut gemacht, mir aber zu „dufte“, nicht meine Tasse Tee. Sir Paulchen


NAPOLEON SOLO – OPEN CHANNEL CD (Pork Pie)
Die Dänen waren während der 3rd-Ska-Wave bereits Teilnehmer bei den frühen UK-Festivals, was in einem Deal bei Unicorn Records mündete, einem der damals führenden Labels für diese Spielart. Das ergab eine gutklassige MLP („How to steal the world“). Ihr stark soul-beeinflusster Stil wurde dann auf dem ersten und gleichzeitig auch letzten Album „Shot!“ noch weiter ausgebaut, die MLP aber war besser weil griffiger. 2017 kam eine „Early recordings“ MLP auf den Markt, die bis dahin unveröffentlichtes aus ihrer Frühphase 1984/85 enthält. Seinerzeit noch ohne Soul-Einfluss, haben die Stücke im „Check“ nicht vollumfänglich überzeugen können, leider. Jetzt also eine Re-Union in Originalbesetzung, was bei einer vielköpfigen Ska-Band nahezu an ein Wunder grenzt, sind die Herren doch allemal Anfang 50. Viel geändert hat sich tatsächlich nicht, das Oktett lässt sich zum Glück nicht unnötig treiben und groovt sich durch 15 gleichermaßen entspannte wie durchaus mit einem gewissen Drive ausgestatteten Tunes, bei denen dieses Soul-Feeling latent stets mitschwingt. Schöne Orgel, gute Bläser, das ist weit weg von einer Sensation, kann aber was. Defintiv die charmante(re) Seite der 3rd-Wave, der sie im Ergebnis weiterhin verhaftet sind. Sir Paulchen

 


GROLSCHBUSTERS: PLAY IT LOUD (DIY)
Am Arsch ist die Ente fett…Sind die ersten Songs auf „Play it loud“ noch schwer Celtic-geschädigt (speziell „We are the Boys“ hat eine massive Boston/STREET DOGS-Note), wendet sich nach ca. der Hälfte des Albums das Blatt: Die GROLSCHBUSTERS  aus Hengelo klappern relaxt mit den Schubladen, richten sich im 80er Midwest Punk Rock-Segment ein. Späte ARTICLES OF FAITH, NAKED RAYGUN & Co. Das Folk Flair bleibt charmant am Ball, bedingt schon durch das partiell mitspielende Akkordeon. Keine Langeweile aufkommen lasssen…Zwischendrin wird auch mal robust aufs Gas getreten, das Tempo in den Modus „flott“ geschraubt. Handwerklich sehr gekonnt aufspielend, es wird durchweg höchst solide Arbeit abgeliefert. Kein Wunder: Die Band ist seit 28 Jahren unterwegs, da sollte man sein Instrument beherrschen. 13 Songs befinden sich auf „Play it loud“, eine gelungene Abschiedsvorstellung.
Paradise

 


PERKELE: LEADERS OF TOMORROW (SPIRIT OF THE STREETS)
PERKELE Fans müssen sehr tapfer sein. Oder tolerant. Oder beides. Auf „Leaders of tomorrow“ erfindet sich die Band neu, bzw. lebt alte private Vorlieben schamlos aus. Metal is the law! PERKELE goes MANOWAR? Nicht ganz, aber der Promo-Zettel deutet es schon zaghaft an: „Alle zehn Songs sind auf Englisch und von Punk bis Heavy breit gefächert“. Der Opener „The Winner“ läßt keine Fragen offen: Mächtige METALLICA-Riffs blasen zwischenzeitlich zum Sturm, Ron tiriliert in den höchsten Tönen, läßt ausgiebig virtuose Metal-Soli durch die Finger flitzen, die Drums setzen auf Stampede. Der Titelsong, Nummer 4 in der Playlist, ist ein grimmig-düsterer Nackenbrecher, galoppiert fast schon im Pagan Metal-Segment  durch die nordische Finsternis. Aber: Die PERKELE-Trademarks, großartiges Songwriting und epochale Singalongs („Miss u“ besänftigt als gefühlvolles Epos sicher auch die alte Fangemeinde), werden als Basis sehr präsent eingebunden, auch Album # 8 bleibt ein PERKELE-Album. Ab der Mitte rudert man sogar auch etwas zurück: „One day“ und „Far away“ atmen den alten Spirit, schlagen die Brücke zu den (erwarteten) PERKELE von einst. Ohne Gefrickel und Soli vollständig auszublenden. Warum auch? „Mistakes“ gibt dann erneut der Solo-Gitarre ordentlich Futter, Joey DeMaio könnte übernehmen, übergangslos einsteigen. „Stand by you“, das Schlusslicht, wird vermutlich künftig einer dieser unschlagbaren Live-Klassiker im PERKELE-Set. Ohwurm ist noch stark untertrieben. Episch ergreifend! Nach SUBCULTURE haben nun auch PERKELE die ausgelatschten Oi! Pfade verlassen. Sind näher an MANOWAR, MAIDEN und ACCEPT als an SEX PISTOLS, CLASH oder UPSTARTS. 2018 auch komplett überflüßig. Deshalb: Scheiß auf Zielgruppe und Erwartungshaltung, konsequent sein eigenes Ding durchziehen ist der Neue Punk. Respekt! Ohne Wenn und Aber: Ein GROSSARTIGES Album.
Paradise

 


CITY CAINTS: PA SVENSKA (Sunny Bastards)
CITY Goes Landessprache! 12 CITY SAINTS-Hymnen auf schwedisch vorgetragen. Rock’n’Roll funktioniert auf englisch traditionell besser, Oi! irgendwie auch. Theoretisch und strategisch. Die Göteborger sind auf Risiko gegangen, sind mit diesem Album absichtlich in den Gegenverkehr gekommen: Von „zu glatt“, „zu Mainstream“ in die Kritik-Fahrbahn „Zu speziell“, „zu exotisch“ gewechselt. Alles richtig gemacht. Die Band erspieltt sich mit diesem Album ein geschärftes Profil, endlich die eigene Note und im Heimatland hoffentlich mehr Zuspruch. Durch besseres Verständnis. Das angestrebte 70er Feeling hat ebenfalls einen Turbo bekommen, einige Songs könnte man problemlos auf „Bloodstains across Sweden 2“ packen. Zwischen ATTENTAT, GÖTEBORG SOUND und TROUBLEMAKERS. Paradise

 


THE GREAT ESCAPE: NO TURNING BACK (DIY)
Was ist eigentlich die Steigerung von „Oldschool“? THE GREAT ESCAPE? Endlich das Album dieser überirdisch guten HC/Punk-Band aus Österreich. Ja, aus Österreich! Mit einem handschriftlich verfassten Brief vom Bassisten der Band, mehr Sympathie geht in dieser "new world" gar nicht. 8 Studio-Songs auf der A-Seite und eine Live-Mitschnitt auf der B-Seite, inkl. NEGATIVE APPROACH Cover. Noch Fragen? Ein großer Bonuspunkt und Hinweis, dass diese Band lebt – die Aufnahmen auf beiden Seiten unterscheiden sich kaum und der Funke springt immer über! Unaufhörlich! THE GREAT ESCAPE holen aus einem reduzierten Minimum ein Maximum an Wirkung heraus, der Sänger schippert die Songs so mitreissend runter, dass Columbus Amerika nicht unbedingt entdecken hätten müssen. Denn die 4 Typen decken alles ab, was in den US of A an brauchbarem Sound aus diesem Genre gekommen ist. Und versetzen das alles mit so viel eigenem Spirit, dass diese Scheibe einen besonderen Platz im Regal einnehmen wird. Limitiert auf 310 Stück. Schade, dass John Stabb diese Scheibe nicht mehr erleben durfte!!!

 


BAD NENNDORF BOYS: FREI SEIN (Sunny Bastards)
Ich war auf anstrengende Minuten vorbereitet. Mit Ska-Punk habe ich meine Probleme, das ist bekannt. DIE BAD NENNDORF BOYS haben ihren Namen unglücklich gewählt. Das klingt zu einschlägig-abschreckend. Der erste Track des Albums zeigt mir, dass das was sie tun, aber nicht zur Abwehr von Freunden guter Musik gilt. Eher als gut duftende Scheisse, die musikgieriges Ungeziefer anzieht. Der Titeltrack bläst mich total um, Ehrenwort! Textlich, musikalisch – der Refrain! Ein Wurm im Ohr. Mit dieser Laune gehen auch die anderen Nummern zur Mehrheit gut rein. Ska-Punk ist das doch eigentlich gar nicht. Schwer kategorisierbar und auch nichtig, was es eigentlich ist. Mir gefällt das Album gut, weil die Texte auch immer wieder auf sich aufmerksam machen. Songs wie „Gutes Gefühl“ hätte man für mein Gefühl allerdings weglassen können. Ein paar wenige schwarze Schafe in der 11-teiligen Sammlung an befreiendem, unbekümmertem Laune-Spuk!

 


JACK THE LAD: BRITISH CLASSICS (Step 1 Music)
Wenn englische Herren im besten Alter ihr erstes eigenes Album machen, gibt es nichts, was sie leugnen könnten. Als Cover-Band britischer Klassiker gegründet, sind sie mit den eigenen Songs einfach auch nur „just a bunch of guys“. Spielen können sie, aus England kommen sie und darum gibt es ein geradliniges, solides Werk zu hören. Ohne markante Tiefen oder Höhen dreschen sie in einer knappen Stunde all das runter, was ein gepflegtes Pint nicht ersetzen könnte. Eine etwas unausgereifte Version von ARGY BARGY gepaart mit der Rohheit von Skinhead-Band der Generation davor. So fällt meine Täterbeschreibung aus. So kennt man sie! Und am Schluss schmeissen sie noch die 3 Songs ihrer 7“ in die Runde. So sind sie, die Engländer.

 


LION’S LAW: ZONARD (UVPR VINYLES)
Personell und sprachlich mit Veränderungen aufwartend: Am Schlagzeug sitzt wieder Thomas aka Tomoi (ex-KOMINTERN SECT, BURNING HEADS etc.), welchen wir aus den Anfangstagen der Band kennen. Und: Erstmals ein komplettes LION’S LAW-Release in Landessprache, die drei Songs auf „Zonard“ werden in französisch vorgetragen. Der Vergleich zur Vorgänger/Parallel-Band MARABOOTS wird jetzt natürlich zwingend, allerdings ausschließlich als Kompliment. Schon der Titelsong mietet den großen Saal: Ganz viel Oh-oh-oh, herrliche Singalongs etc. Majestätisch geht es weiter: Die eingestreuten Gitarren-Leads von „Deja mort“ erinnern an eine schwermütige Version von „Jinx“, „En rester la“ beschließt mit breiter Brust.  Da kann man nur großzügig Pernod nachschenken und verzückt hauchen: Tout simplement fantastique! Paradise


MARABOOTS: "Dans la nuit, version augmentée" (UVPR VINYLES)
Exquisite Werkschau der Pariser Combo, löblich für Neueinsteiger, Sparfüchse (Drei EP-Releases zum Preis von einer LP) und Split bzw. STOMPER-Banausen, essentiell für Faulpelze (ungetrübtes Hörvergnügen ohne ständiges Vinyl-wenden) und Schlafmützen (Originale verpasst?). Konkret versammelt sind hier: Die “Dans la Nuit" 10" (6 Songs, 2013 erschienen), die Debüt EP (3 Songs, 2011 erschienen),  ihre Split EP mit STOMPER (2 Songs, 2011 erschienen). Sound-technisch auf den neuesten Stand gebracht aka remastered. Die „Dans la nuit“ 10“ ist der qualitative Höhepunkt im Schaffen der MARABOOTS, vermutlich wurde auch deshalb Titel und Artwork übernommen. Noch nie was von der Band gehört? Ok…Die MARABOOTS waren in den 2010ern wohl die Speerspitze der Neuen Pariser Oi! Schule, hatten den klassischen Chaos en France-Meistersound (KOMINTERN SECT, COLLABOS, TROTSKIDS, SNIX etc.) mit einem Power-Update (Live-Präsenz, Songwriting, Produktion) in die Neuzeit transportiert: Kraftvoll, mitreissend und leidenschaftlich. Dazu kommt ein sehr angenehmer Lokalpatriotismus, ein ausgeprägter Sinn für Humor und die respektvolle Verneigung vor französischem Kulturgut (wer erkennt die Film-Melodie in „La Soupe Aux Choubs“?). Paradise

 


BROMURE: s/t (UVPR VINYLES)
Paris à l'automne, Paris im Herbst. Novemberstürme peitschen, das Kopfsteinpflaster ist regennaß. Ein verträumtes Saxophon kommt schwermütig um die Ecke gebogen, ein Windstoß rüttelt an der Bistro-Tür. Place du Tertre, 18. Arrondissement. Der Weg führt nach Montmartre. Zeit für BROMURE, Zeit für Absinth. Das Debüt-Album der Pariser Band gleicht einer abgegriffenen Postkarte aus alter Zeit, Wattie (MARABOOTS, LION’S LAW etc.) & Co. gelingt eine ergreifende Ode an die große Dame mit der großen Seele. Dunkle Leidenschaft: Stürmisch, schwermütig, treibend. MARABOOTS selbstredend im Sinn und doch angenehm anders. 9 Songs, 9 atmosphärische Stationen auf einer ganz besonderen Reise an die Seine. Paradise

 


D-PELT: KÄLTE UND WÄRME (DIY)
Der Titel von dem Berliner mit Hardcore-Roots fasst das neue Album treffend zusammen. Tobi hat alle Hände voll zu tun, auf diverse Missstände und Ungerechtigkeiten mit dem Finger zu zeigen. Aber er bringt das nicht als peinlicher Macho-Viertelstarker rüber, sondern menschlich. Musikalisch ist das handgeschnitzter Hip Hop und man merkt selbst als (oder gerade als) Wenig-Kenner, dass D-PELT sich mit seinen Songs intensiv auseinandergesetzt hat. Da sind deutlich hörbare Einflüsse aus dem Punk-Bereich zu vernehmen. Allein die Idee, SOCIAL DISTORTION-Riffs in diesem Kontext zu bringen, einen Song „Cool wie Mr. Ness“ zu nennen, sollte Aufmerksamkeit erregen. Und dabei kratzt er die Kurve tausendmal besser, als sich manche Greaser gegenseitig die Outlaw-Eier graulen. Ich habe bei „solcher“ Musik oft das Problem, dass alles irgendwie gleich klingt – im Fall von „Kälte und Wärme“ ist das aber eine aufregende Reise, was Leute mit Beats ihrer Stimme und gut gewählten Worten für einen Eindruck erzeugen können. Man hört, dass D-PELT Ahnung von Subkultur hat. Dass er sein Ding unbeirrt macht und daran glaubt. Ohne fette Rückendeckung – ich glaube, er ist die Opposition der Opposition. Kalt und warm! Heisser Scheiss! Eiskalt, aber nicht steif!

 


CARTOON VIOLENCE: PASSIVE AGGRESSIVE (Megalith Records)
Die werden von Gott und der Welt in den Himmel gelobt, aber bei mir ist der Funke bislang weder übergesprungen noch elegant vorbeigeskankt. Ziemlich kräftiger Offbeat, der mir manchmal zu unruhig wird – vor allem dann, wenn es abrupt handzahm wird und fast ein wenig britisch-poppig wird. Mit soviel Abwechslung tu ich mir etwas schwer. Ich mag bei UK-Sound meist klare Verhältnisse und das ist mir zuviel von „überall ein bissl was“. Hat starke Momente, aber auch Durstrecken.

 


TIM HACKEMACK: MORE THAN FASHION Buch (Hirnkost Verlag)
Fotografieren kann er, der Tim. Und er legt er wahrlich dickes Ergebnis in Buchform vor. Ich mag die individuelle Herangehensweise, wie er seine Projekte umsetzt – allein die Idee, ein Buch über Kutten von Punkrockern zu machen! Ein weiterer Pluspunkt – ohne ersichtliches Konzept hat er die Beitragenden ausgewählt und vor die Kamera gezerrt. Mich bewegen die Stories von den älteren Erzählern mehr, als wenn jemand davon erzählt, dass er sich die Jacke erst kürzlich von Ebay geholt hat. Aber genau das macht den Reiz des Projekts aus – Tim macht das, worauf er Lust hat – und hält schöne Details und Momente fest. Mit großzügigen Detailaufnahmen geschmückt und vom Schauplatz her rein auf deutsche Kuttenträger beschränkt. Ein paar bekannte Gesichter aus dem Musik-Business haben sich auch auf den Laufsteg gewagt. Ein zweiter Teil über das Tragen von schwarzen Bomberjacken wäre ein Hit!

 


SHOCK TROOPS: Hope  EP  (VOPO-RECORDS)
Wer kennt sie noch? Shock Troops aus Berlin, bestanden aus Rostocker Skinheads und waren an einer der besten, wenn nicht sogar an DER besten deutschen Oi! Veröffentlichung der 1990er Jahre beteiligt. Unvergessen die Split LP mit Kiezgesox " Ey! die Platte". Damals lupenreiner Oi! beider Kapellen. Sänger Hacker reformierte seine Shock Troops vor über 7 Jahren wieder, das Besetzungskarussell drehte sich etwas in der trüben deutschen Oi-Landschaft, aber es stiegen nur alte Bekannte/Freunde/Mitmusiker dazu. Der Rip Off-Vorwurf kann schnell bei Seite gewischt werden. Nach einigen Gigs dieser Kapelle endlich auch etwas Neues auf Vinyl. Die Musik ist ist nicht in den Deutschrock-Bereich abgedriftet, wie bei einigen Kapellen der 90er, sondern solider StreetPunk der gehobenen Klasse. 4 Songs sind auf "Hope" enthalten. Der Titeltrack auf englisch, ein rauher Punkrockdiamant. Der 2.Song "Let her go" - volle Power und eingängige Melodie, geht mächtig ins Ohr, geil. Dafür liebte ich Shock Troops schon damals. Die B-Seite beginnt mit "Mach dich frei" - ein schneller Oi! Song, der Live sicher die Tanzfläche zum Pogen bringen wird.  "Tanz mit mir", der letzte Song auf dieser EP bringt mit 5 Minuten Spielzeit ein cooles 80ger New Wave Feeling rüber...HAMMER!!!
Pflichtkauf für ALLE, die auf ehrliche Bands mit guten Lyrics stehen, Überraschungsveröffentlichung 2018!!! Hinkel
 

 


MASON ARMS: VON VORN LP/CD (Pork Pie Records)
Auch schon seit fast 25 Jahren unterwegs, die Kölner. In dieser Zeit haben sie sich von einer Ska-Punk-Truppe zur Vintage-Boss-Reggae-Mannschaft gemausert, die - und das sei ausdrücklich lobend erwähnt – musikalisch das Zeug hat, den leider seit nunmehr fast zehn Jahren zumindest plattentechnisch inaktiven AGGROLITES das Wasser zu reichen. Heißt also stark orgeldominierter Vintage-Reggae mit ziemlich genau 50 Jahre alten Wurzeln. Und an dieser Stelle denkt man an Jackie Mittoo und Lee Perry – und liegt damit absolut richtig.
Die Besonderheit der Rheinländer aber ist der deutschsprachige Gesang, der dem Sound einen wirklich ganz eigenen Charakter gibt. Apropos Sound: Die Band hat im Laufe der Zeit ihr eigenes Studio aufgebaut, was ihnen die Muße gab, ganz in Ruhe mit Hilfe zweier ausgewiesener Experten an diesem zu feilen – UPSESSIONS- und BOSS CAPONE – Mastermind Boss van Trigt und „Richie“ Dr. Ring-Ding. Mehr Kompetenz geht ja kaum. Viele Texte haben einen gewissen „Mutmacher“ – Charakter, es geht darum nach vorne zu schauen und das Beste aus Situationen und dem Leben zu machen, egal, wie mies es einem mitspielt. Ein bisschen typisch Köln, bei denen ist das Glas tendenziell eher halbvoll.  Wirklich, speziell was Organist Markus Momma da an seinen Tasten zaubert, ist die ganz große Klasse. Eine Nummer wie das rein instrumentale „Früher war alles besser“ hätte auch auf dem 1969er – UPSETTERS – Album „Return to Django“ stehen können. Es hat allerdings ein kleines Weilchen gedauert, bis ich mich an die Kombination mit den muttersprachlichen Versen gewöhnt hatte. Sir Paulchen

 


CONCRETE ELITE: THE SURVIBAL (Rebellion Records/LSM)
Eine neue Ladung Beton für die Maschmaschine wurde angeliefert. Das Cover zeigt ein Bildchen, das sich ein Bauarbeiter anlässlich seines Ruhestands unter die Haut zimmern lassen würde. Carl von den TEMPLARS hat den Texanern im Studio hörbar einen Besuch abgestattet. Das macht sich in erster Linie bei den verspielten Gitarren bemerkbar. Weiters aber auch bei dem gepressten Gesang, der allerdings hier nicht so ganz an das eigentliche Vorbild herankommt. Der Sound dieser 7 Nummern ist ziemlich schroff gehalten, mit Stil verwaschen und für meine Bauordnung manchmal um etwa 20% zu lang in der Spiellänge.  Richtige Schlechtwettertage sucht man aber vergebens, hier sind 5 Herren am Werk, die allesamt als Poliere durchgehen. Militant und abgestumpft hämmern sie sich durch ihre neue Scheibe. Ein ewiger Kampf um´s Überleben, der letztendlich auch gewonnen wird. Die Wucht es Openers hält zum Glück länger an, sodass der Gesamteindruck stimmt. Beim nächsten Longplayer vielleicht wieder mehr Treibkraft und weniger Auf&Ab.

 


HARD EVIDENCE: LAST GASP (Rebellion Records/Longshot Music)
So banal und lieblos das Frontcover der Platte vielleicht wirken mag, soviel Sprühregen wartet auf dem Tonträger selbst. Die Amis mit leichtem Fetisch für Schuhmarken mit 3 weißen Streifen, haben den Dreh raus. Sie feuern ohne Vorwarnung los und klingen so, als hätten THE BRIEFS einen Entzug sämtlicher Substanzen erfolgreich hinter sich gebracht. Als therapeutische Maßnahme haben sie sich bei der Morgengymnasik englische Glam-Helden ins Unterbewußtsein befördert und dennoch den Pfiff der oberen Streetpunk-Liga nicht aus den Augen verloren. Sehr melodisches Album mit hohem Ansteckungsrisiko - für mich eine absolute Überraschung. HARD EVIDENCE sind eine von jenen Bands, die dafür sorgen, dass man immer wieder Lust auf Neues hat. Und dabei liefern sie selbst einen mehr als lobenswerten Beitrag! Für alle Leute empfehlenswert, die einfach gerne und gute Musik an ihr Ohr lassen.