FUERZA BRUTA: VERDUGO (Rebellion Records)
FUERZA BRUTA sind aus unterschiedlichen Gründen keine Unbekannten in der Szene. Ihr Longplayer hat ordentlich Spuren hinterlassen,
wurde mehrfach nachgepresst und hat durchaus Charme. Eine spanisch singende Band aus Chicago hört man nicht alle Tage. Und noch weniger hört man so ansprechenden Sound in der Kombination.
Insofern hat Rebellion mit guten Argumenten die Scheibe nun auch als CD-Collection veröffentlicht. Die vielen Bonustracks sind teils mutig und in dem Zusammenhang schon wieder cool. Die
Live-Aufnahme von „Asocial“ von einem Konzert in Brasilien lässt die Augen funkeln. Die meinen es ernst, Freunde von japanischen Oi!-Bands, die auch ein Herz für südamerikanische Szenebands
haben, landen in Chicago mit FUERZA BRUTA eine punktsichere Landung.
LEFT HAND BLACK „s/t“ (Wolverine)
Schwedischer Horror-Punk nach der Karo Einfach-Formel: Ganz viel MISFITS („American psycho“-Phase) mit ganz viel RAMONES (Spätphase)
versetzt. Geht in dieser Kombination ab wie ein Zäpfchen, bedient alle Klischees und Erwartungshaltungen. Gut so. Die ex-THE DEAD NEXT DOOR-Combo „from the dark crypt of Gothenburg“ geht damit
ganz auf Nummer Sicher, verläßt ihre Komfort-Zone nicht. „Yes. Sometimes it is that simple“ (Bandinfo). Alles richtig gemacht. Dazu (englische) Texte mit erhöhtem Grusel-Faktor und die schwarze
Messe ist gelesen: „Children of the night“, „Walking dead“, „Army of darkness“ etc. Das Schlußlicht huldigt (mal wieder) dem XXX-Klassiker „Devil in Miss Jones“. Klappe zu, Affe
tot.
CITY SAINTS: P&TTB on the radio 7“ (Sunny Bastards)
CITY SAINTS banned from the Pubs! Die Göteborger Combo hat gemeinsam mit TEST TUBE BABY-Peter eine 3-Song 7“
aufgenommen. Auf der A-Seite feuert man mit „Peter and the Test Tube Babies on the radio“ eine knackige First Class-Hymne ab, hier passt einfach alles. B-seitig besingt Mr. Bywaters Neufassungen
von „Alcohol“ (berüchtigter Peter-Klassiker von Anno 1985) sowie von „Giving up drinking“ (vom 1995er PTTB-Album „Supermodels“). Mit seinem Alkoholverzicht hat es bis dato noch nicht ganz so
geklappt, wie das „Making of…“-Video beweist.
FLOWERS IN CONCRETE/DIM´PROSPECTS: SPLIT (Noise Appeal)
Allein die Kombination beider Bands auf einer Split ist ein Geniestreich. Zweimal (Anti-)-Austria-Power mit guten
Referenzen. Beide Bands überzeugen live, beide Bands lassen es auf dieser Scheibe krachen. Hier regiert der Biss und die Frechheit der 90er Jahre. Punk mit HC-Einflüssen und ein wenig
Kreativität. Der Gesang setzt sich gerne über die Riffs hinweg. Deutsche Texte, englische Texte – alles scheissegal. STRAHLER 80 werden gecovert und somit ist alles in trockenen Tüchern auf der
Insel der Seeligen. Obwohl DIM PROSPECTS die „neuere“ der beiden Bands ist, wird klar an einem Strang gezogen. Sehr erfrischende Platte, die man bestimmt niemals in der Privatsammlung eines
kicklenden Herberts finden wird. Das ist der Sound, der einen beim Joggen aus dem Gleichschritt bringt.
STRAßENKÖTARBLOND: Fritz Strube/Buch (EngelsdorferVerlag)
Aha, schon am Cover erkennt man Hinweise darauf, dass hier Szene-Background wartet. Ein sehr kurzweiliger Roman mit subkulturellem Bezug, der aus dem Alltag eines jungen Skins aus dem Raum
Magdeburg berichtet. Auf den knapp 200 großzügig geschriebenen Seiten geht der Autor gerne ins Detail und ich werde das Gefühl nicht los, dass es hier fast autobiografisch zugeht. Ein Mix aus
Klischees, subjektiven Perspektiven in Verbindung mit den Herausforderungen, denen man als junger Typ so gestellt ist. Für mich als Nicht-Regionaler bringen die Dialekt-Dialoge den Lesefluss
manchmal kurz ins Holpern. Aber genau das macht es auch wieder lesenswert. Schöne Lektüre, die man in ein paar Stunden durch hat. Interessant auch das kurze Statement des Autors, was ihn zum
Schreiben dieses Werks motiviert hat. Mir fehlt da zwar jegliche Kenntnis davon und mich würde interessieren, ob es sich hierbei um das erste Buch von Fritz Strube handelt. Aber ich werde den
Namen im Auge behalten.
ANTI CLOCKWISE: BLUTHOCHZEIT
ANTI CLOCKWISE: EP SAMMLUNG (Eigenlabel)
Magdeburger Oi! Punkband, die schon immer ein wenig ihr individuelles Ding durchzieht. Alles fest in eigener Hand, kein Sprung zu einem
bekannten Label, aber umso mehr 7”-Veröffentlichungen, die es auf dieser Doppel-Cd in geballter Form gibt und mit “Bluthochzeit” eben ein richtiges Album. Von Kamerad Paradise auf Herz, Hirn,
Nieren und Verstand geprüft - das sind keine Miesen! ANTI CLOCKWISE machen ein wenig in Richtung “TEMPLARS auf deutsch” bzw. erinnern auch an die frühen Tage von VOLXSTURM. Schwer in einen
Stiefel zu stecken, alles auf eigene Faust und das hat schon einen gewissen Charme. DIY mit gut geübtem Know-How. Das spiegelt sich in der Musik, das merkt man an der Spielfreude. Das sollte man
einmal testen, wenn man abseits der Bands sucht, die einem von den üblichen Labels vor die Füße geworfen werden.
LVGER: FVULL VILLAIN (Contra Records)
Wieso machen sie jetzt alle Metal? Im ersten Moment klingt es verlockend, wenn es heisst, dass Leute von vielversprechenden Bands eine
neue Combo geboren haben. Auch wenn es sich dabei zB nur um das fünfte Rad am Wagen der TEMPLARS handelt. LVGER spielen ereignislosen Hardrock/Metal – grammelig und man hat regelrecht das Gefühl,
als würden sie sich selbst von einem Solo zum nächsten plagen. Hätte eine Granate sein können, ereignet sich aber leider nur als Knallerbse. Da haben die jeweiligen Mitglieder bei den bisherigen
Arbeitgebern weit bessere Leistungen erbracht. Und noch einmal die Frage: warum jetzt Metal? Als zweiter Bildungsweg, wie manch mässig erfolgreiche Punker, einen auf folky Singer-Songwriter
machen?
HECKSPOILER: SYNTHETIK ATHLETIK (Noise Appeal)
Ohne große Vorwarning hauen die Linzer Bass&Drums-Tuner ein ganzes Album raus. Auf LP! Ausgestattet mit ihren zwei
Instrumenten - einmal Schlagzeug, einmal Bass. Die Tapes waren schon ein großer Renner abseits der Tuning-Szene. Auf langer Rille fahren die beiden illustren Herren aber auch auf Ideallinie. Eng
sitzende Shirts, der richtige Riecher für Humor und bestimmt einen Graslieferanten mit Fuchsschwanz und Golf GTI. HECKSPOILER klingen in manchen Passagen wie die göttlichen KURORT mit höherem
THC-Anteil. Alles, was zur Verfügung steht wird bei diesem lärmenden Stoner-Post-Punk-Rock ausgeschöpft. Wilde Burschen....athletisch wie eine englische Bulldogge auf Jamaika-Urlaub.
TERRITORIES/VICIOUS CYLCLES: Split 7“ (Pirates Press)
Lustig, eigentlich bin ich den TERRITORIES eher zugeneigt, als den VICIOUS CYCLES. Hier im Face-To-Face Battle steigen
aber die CYCLES besser aus dem Ring. Die TERRITORIES liefern zwar eine solide, pubpunkrockige Nummer mit etwas Glamtouch ab. Bessere Kurvenlage hat aber „Problem Officer“, wirklich gut geölter
Punkrock. Das ist ein Musterbeispiel für einen Song, den man auf eine 7“ presst. Sirenengeheule, etwas freaky und sofort ins Ohr rutschend!
CUTTIN´EDGE: FACE DOWN (Rebellion Records)
Schön hörbare schottische Band, die harten Punk macht, wie ich ihn gerne habe. Sehr satt, sehr weit weg von der Stange.
Schnalzender Bass, selbstsicherer Sänger, saugute Chöre. Hat einen gewissen 90er-Jahre Flair, etwas Rock-gewürzter Straßensound. Fransen sind sowohl auf der Jeansjacke erlaubt, als auch im
Nacken. EXPLOITED ist nicht ganz spurlos an ihnen vorbeigegangen – mag am regionalen Einfluss liegen. CUTTIN´ EDGE sind aber weitreichender. Sie haben Kraft, sie haben Durst und sie haben ihre
Instrumente recht gut im Griff. Wenn man sich so durch das Album durchhört, kann man durchaus von einer Rundfahrt durch die Subkulturen sprechen. Straßen-Safari durch die Vororte Londons mit
schottischem Reiseführer. Wuchtig wie ein biergetränktes Vollholz-Brett. Right in your face! Down!
NÖ CLASS: DON´T YOU WORRY ABOUT US (Contra Records)
Danke - die Australier erweisen sich nach ihrer absoluten Hit-LP nicht als enttäuschende Eintagsfliegen. Hier gibt es
Nachschub: Party-Smasher, Party-Kracher-Sound. Ohne Rücksicht auf Verluste, wie ein boxendes Känguru fühlen sich die 4 neuen Songs an. Quietschende Gitarren, keinerlei Perfektionismus und
trotzdem so treffsicher wie ein englischer Darts-Spieler nach dem zwölften Pint. NÖ CLASS enttäuschen maximal einen Bewährungshelfer - bestimmt aber niemanden, der ein Herz für ehrlichen Oi-Punk
mit Schuss hat.
THE ELITE: REASON FOR MY SIN (Contra Records)
Daryl Smiths Projekt mit gleichem Namen liegt lange genug zurück, um eine neue ELITE in die subkulturelle Runde zu schmeissen.
Das hier sind Amis, aus New York. Und sie klingen so, wie ANTI HEROS im ersten Paar Doc Marten´s stiefelnd. Erfreulich, dass es solche Bands noch/wieder gibt. Typische Zack Zack Zack-Band, aus
dem Bauch heraus – niemals für große Bühnen brauchbar. Wieso ein Rad neu erfinden, wenn man festes Schuhwerk hat? Abseits aller Szenetrends wird hier scharf geschossen. Geiles Release, kann man
bedenkenlos zwischen den USA-Oi!-Scheiben der 90er einreihen. Wenn kein Platz mehr ist, dann einfach mit ein wenig Gewalt dazwischen quetschen.
LIONS LAW: THE BLOOD, THE PAIN, THE SWORD (Contra Records, Pirates Press, u.a.)
Die Vorzeige-Franzosen haben ein neues Album gebraut, das in Kooperation mit erprobten
Geburtshelfern in jeder Ecke dieser Welt zugänglich gemacht wird. Ich hatte beim letzten Release schon so eine kleine Vorahnung, die sich jetzt noch deutlicher abzeichnet. LIONS LAW setzen auf
die Überholspur an. Ihre Oi Oi Attitüde und die Durchschlagskraft ist noch hörbar, rockige und härtere Riffs ziehen aber langsam über der Punklastigkeit auf. Die Produktion ist auffällig anders
als auf den früheren Alben. Ich habe die insgeheime Hoffnung, dass LIONS LAW genau an dieser Stelle weitermachen und nicht in 2 Jahren plötzlich auch Gelfrisuren und verstärkter Bartwuchs das
Bild der Band abzeichnet. Noch ist alles in allerbester Ordnung, sie bringen ein souveränes Album. Sie singen auf französisch und englisch. Sie verwenden keine Lückenfüller, sondern liefern
Qualität. Hoffentlich lassen sie sich nicht blenden oder verbiegen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt….hoffentlich dauert das aber noch lange Zeit und LIONS LAW bleiben ihrem Weg
treu.
THE MOVEMENT: THE FUTURE FREEDOM (CONCRETE JUNGLE RECORDS)
Bei den Dänen hat sich einiges bewegt und dennoch ist alles gleich geblieben. Immer noch ein Trio, aber 66,6% neue
Gesichter, wobei der Wuschelkopf etwas aus der Reihe tanzt. Mods sollten doch einen anständigen Haarschnitt besitzen, zumindest sitzen die Hemden. Und der Beat von „The Future Freedom“ sitzt auch
wie maßgeschneidert. Durch den Line-Up Wechsel wird deutlich, dass Frontmann Lukas das Steuer fest in der Hand hat. Unglaublich, dass ihr erstes Album „Move“ bereits 17 Jahre auf dem Tacho hat.
Die Scheibe haut mich heute wie damals um und bei dem aktuellen Album erlebe ich sehr ähnliche Momente. Die vertraute Stimme, die Dynamik, Rebellion im Maßanzug. Während es in der Laufbahn von
THE MOVEMENT zwischendurch etwas gerumpelt hat, ziehen sie bei ihrem Sound eine klare Linie durch. Treibender Punk gepaart mit Offbeat Elementen. Auf die wichtigen Elemente reduziert und trotzdem
standhaft wie eine Mauer. Hier wird eine Lücke gefüllt, die seit den glorreichen Tagen von Bands wie THE JAM mit wenig Substanz gesegnet war.
MOSCOW DEATH BRIGADE: BAD ACCENT ANTHEMS (Rebel Sound Records)
Die Russen beobachte ich seit ihrer ersten 7“. Seither hat sich ihre Popularität regelrecht virenartig
verbreitet. Das ist zum einen löblich, weil sie eine sehr polarisierende Band sind – zum anderen stellt sich die Frage, was ihre neue Anhängerschaft mit der Attitüde der Band wirklich gemeinsam
hat. Bis hin zum hippen 25 jährigen Immobilienmakler oder zur Instagram-süchtigen Hausfrau reicht die Streukraft der Band. Liegt es an ihrem militanten Auftreten? Sind sie zu jung, um die BEASTIE
BOYS zu können? Sind es die seltsamen Kunststoff-Trainingswesten, die so aussehen, als hätte man sie einem Opa in der Kuranstalt entwendet? Egal, das neue Album klingt noch einmal dichter und
direkter als die früheren Ergüsse der Band. Nennen wir es ruhig „fetter produziert“. Diese Einschätzung deckt sich mit dem Werdegang der Band. Werden sie im Mainstream landen? Man wird sehen und
hören. Das, was ich da höre, ist schon hörenswert. Sie schaffen es, auf straßenseitiger Ebene die Vorherrschaft zu übernehmen. Sie mischen dazu zwar kein Heizöl mit Benzin, aber haben doch ein
gutes Rezept für einen guten Rundumschlag durch diverse Genres. Genau so kann es bleiben – nicht noch größer werden! Und nicht noch mehr Synthie-Parts! Der einzige Vorteil im Schritt in den
Mainstream wäre marximal nur, dass MOSCOW DEATH BRIGADE dann vielleicht irgendwann sogar an die Ohren von Vladimir Putin kommen würden. Den Kerl würde es glatt vom Pferd hauen, wenn er hört, was
die Kinder seines Landes da so im stillen Kämmerchen fabrizieren.
KOTZREIZ: NÜCHTERN UNERTRÄGLICH (AGGRESSIVE PUNKPRODUKTIONEN)
Der Background der Berliner Band ist weitreichend bekannt, so haben sie mittlerweile sicher auch schon locker
10 Jahre auf dem Buckel. Nach ein paar Durchläufen wird einem klar, dass KOTZREIZ halt das machen, was sie machen. Deutsch-Punk mit einem Bein in der Schlachtrufe BRD Ära und einem Bein in der
Neuzeit. Bis auf den Bandnamen ist da nichts mit Oldschool, aber das scheint auch gar nicht auf dem Plan zu stehen. Mich würde interessieren, ob junge Menschen dank dieser Band in die
Punkrockfalle tappen oder dann doch lieber zu Jennifer Rostock Konzerten gehen. Mit „Nüchtern Unerträglich“ liefern sie aber ein gutes Argument, dass zeitaktueller Punk aus Berlin schon fein sein
kann. „Fein“ im Sinne von dreckig, aber mit Herz. Sie sind bestimmt nicht die Schnorrer, die man aus der Fußgängerzone kennt. Aber ihre Songs tönen bestimmt aus so manchem Kassettenrekorder in
auf der Straße. Oder macht das passende Klientel jetzt auch schon über das IPhone Musik? So „typisch“ das Album ist, so untypisch sind ein paar stilistische Ausreißer. Die Band hat also Mut
spielt stilvoll mit einer Kombination aus Klischee und Klassik nach Art des Punkrocks.
STÖRSENDER: DAS KOTZT MICH AN (MAD BUTCHER)
Räudig-solide Band aus Bielefeld, die es schon länger gibt. Ihre „Skins + Punx“ ist als Bonus vertreten, für meinen Geschmack hat
das schon Stil. Die Band schlägt eine Brücke zwischen den 80er Jahren bis in die späten 90er Jahre. Mit ihrem Sound sind sie bestimmt nicht am Puls der Zeit und das ist durchaus als Kompliment zu
sehen. STÖRSENDER beziehen klare Stellung, hauen ordentlich in die Saiten und dürften wenig darauf geben, ob und was gerade angesagt ist. Deutscher Oi! Punk nach der Marke „gut gebrüllt Löwe“,
aber ohne Anabolika oder Fascho-Freunden nach dem dritten Bier. Das Album geht übrigens auch nüchtern sehr gut rein.
THE ROADBLOCKS: TROUBLES TIMES (MAD BUTCHER)
Uff, schwere Sache – diese ROADBLOCKS meinen es ganz bestimmt gut, wenn sie ihre Musik aus den Boxen hauen. Mir ist das aber
etwas zu viel Bilderbuch – hier wird mit Krampf alles gemischt, was mit BONES, STREET DOGS und die üblichen Verdächtigen zu tun hat. Grundsätzlich eine feine Sache, aber die Mischung funktioniert
halt nur teilweise. Wer wie „all die coolen Bands“ klingen will, klingt leider nicht sehr spektakulär. Besser, das Bilderbuch mit ein paar eigenen Emotionen vollkritzeln, dann wächst der Charme.
Ein paar Ladies werden so schon rumkriegen damit, ein paar Wannabe-Mike Ness Typen auch. Aber ist wirklich erstrebenswert? Lieber etwas abseits der großen Buchten angeln…wer als deutsche Band
einen Amischlitten im Video vorfahren lässt, der hat die Kontrolle über sein Punkrockleben nicht ganz im Griff.
FATAL BLOW: GENERALS AND SOLDIERS (MAD BUTCHER)
Sehr geile Oi! Oi! Combo aus Wales. Roddy Moreno hatte hier ja Gebrauch vom “right to work” gemacht und sich als
Geburtshelfer voll ins Zeug geschmissen. Der Spirit von THE OPPRESSED ist hier deutlich zu hören und genauso zu spüren. Die 3 Kollegen haben das Herz am linken Fleck und machen genau das, was
irgendwann mal als New Punk in aller Munde war. Die Songs gehen sofort ins Ohr und unter die Haut – eine extrem sympathische Band, die - ähnlich wie zum Beispiel GIMP FIST – genau weiss, worauf
es bei Subkultur ankommt. Kein Herumgepose, keine Kunststück – darin liegt die Kunst. Die 12 Songs (inkl. der Bonus-Live Tracks) haben exakt verstanden, was in England vor 40 Jahren aufgekommen
ist – und sie tragen dieses Ding in aller Würde weiter. Klare Empfehlung für alle Zeitlosen.
THE ZSA ZSA GABOR´S: X (Mad Butcher Records)
Nochmalige Steigerung der St. Pöltener Punkband – frecher, mutiger und jeder Song liefert einen wichtigen Beitrag zum gesamten
Album. Spritzer des US-Punks, durch die britische Schule des Punkrocks gegangen und jede Menge europäische Rotzkultur im Haar. Zu jeder Nummer gibt es ein paar Anmerkungen des jeweiligen
Schreiberlings, sehr cool die deutsch gesungene Nummer über die Arena Wien. Generell sind die Themen subjektiv gewählt. Den Chorgesang haben sie drauf – wahrscheinlich im lokalen Fußballstadion
geübt. Hoffentlich bekommen sie mit diesem neuen Streich noch mehr Aufmerksamkeit – wäre schade, wenn THE ZSA ZSA GABOR`S ein weiterer Kellerskandal made in Austria bleiben würden. Punkrock kann
so einfach sein….so klingt die gehobene Mitte. Gerüchten zufolge hat E.Pröll diese Band in der Sekunde seines Radunfalls auf seinem Walkman (!) gehört....eine runde Sache!
SOKO DURST: LIEBE, BIER, REVOLTE (Tschiep Production/Laketown Records)
Chemnitz bleibt standhaft – dann und wann schaltet sich die Sonderkommission ein und haut ein neues
Album raus. Bei „Liebe, Bier, Revolte“ hat man stellenweise den Verdacht, dass die LOKALMATADORE eine Zwangsfortbildung vom Arbeitsamt durchmachen mussten, um mehr Niveau zu erlangen. Ja, so
klingt das hier ungefähr – die Gitarren werden so eingesetzt, dass die fast schon emotionalen Passagen das Bier noch mehr schäumen lassen. Sehr eingängig, ein paar Hänger – aber ja, unter der
Gürtellinie ein standhaftes Teil.
ONLY ATTITUDE COUNTS: ALMOST THE END (WTF Records)
Wären sie aus New York, würde die Welt von einer Legende sprechen, als Wiener Band haben sie aber zumindest das Prädikat
„Wöööd-Band“ verdient. OAC mit einem neuen Longplayer – schätzungsweise können sie mittlerweile auch schon eine zweistellige Diskografie vorweisen. Über 20 Jahre und - auch wenn der Titel irren
könnte – kein Ende in Sicht. Tatsächlich stand eine Auflösung aber kurze Zeit auf dem Schirm. Zum Glück aber ein Fehlalarm in der Kommandozentrale: stichhaltige Riffs, präzis-angepisste Stimme –
alles wie gehabt. Die einzelnen Song-Titel geben die Achse klar vor, auf der sich Mike Crucified samt Rückendeckung am wohlsten fühlt. ONLY ATTITUDE COUNTS machen lang genug Musik, um die Szene
über die Grenzen hinaus mitgeprägt zu haben. Endlich einmal etwas in Zusammenhang mit Österreich ohne Bezug zu Kellern. Aber nicht so ganz, denn ONLY ATTITUDE COUNTS sind, waren und bleiben
Underground. Kein 80-Euro Merchandise, keine Geometrie-Tattoos. Purer Hardcore mit deutlicher Betonung auf „Hard“ und „Core“.
JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION – “Trouble” LP/CD (Pork Pie)
Beim Erstling “No Bam Bam“ von vor gut 2 ½ Jahren war ich tatsächlich ein wenig enttäuscht, empfand ich das
Mischungsverhältnis der Songs doch ein wenig einseitig hin zu eher getrageneren, ruhigeren Nummern. Was die Scheibe unterschied von ihren energischen Auftritten, die klar in Richtung Tanzbarkeit
angelegt sind. Das ist jetzt bei „Trouble“ erfreulicherweise komplett anders: Es überwiegen die forschen Dancefloor-Stomper, die stilistisch natürlich grob im 3rd-Wave-Ska beheimatet sind, aber
jederzeit ihre ganz eigene Note besitzen, die die Kölner unverkennbar macht. Da ist zum einen der männlich-weibliche Wechselgesang, der die Band-DNA prägt, aber auch ein irgendwie eigenwilliges
Element, das z.B. einen Song wie „Stay united“ ungewöhnlich ausgestaltet. Das hat Charakter, das überzeugt. Das Album liefert viele Höhepunkte, von denen einer die tolle Hymne „Shut up“ ist, die
schon vorab auf dem Sampler „The Spirit of Ska – 30 Years Jubilee Edition“ veröffentlicht war. Ein weiterer ist die herausragende Gesangsleistung von Organistin/Sängerin Chrissy bei der sehr
gefühlvollen Ballade „Blue skies ahead“. Nachdem die RUB FOUNDATION einst als Ein-Mann-Ska-Band angefangen hatte sind sie derweil zum Quartett mutiert, denn neu an Bord ist ein fester Drummer,
der das liebenswerte Fußschlagzeug von Gitarrist, Sänger und Namensgeber Johnny ablöst. Das eröffnet sicher neue Möglichkeiten, hatte aber auch etwas angenehm Skurriles und war ein
Alleinstellungsmerkmal.
„Trouble“ ist ein sehr, sehr starkes weil energiegeladenes Album geworden, das ob seiner vielen Facetten nie eintönig zu werden droht und das Frühjahr 2020 in so manchem Rudeboy-/girl – Haushalt
akustisch verschönern wird. Ein großer Schritt nach vorne … .