Reviews

FUERZA BRUTA: VERDUGO (Rebellion Records)
FUERZA BRUTA sind aus unterschiedlichen Gründen keine Unbekannten in der Szene. Ihr Longplayer hat ordentlich Spuren hinterlassen, wurde mehrfach nachgepresst und hat durchaus Charme. Eine spanisch singende Band aus Chicago hört man nicht alle Tage. Und noch weniger hört man so ansprechenden Sound in der Kombination. Insofern hat Rebellion mit guten Argumenten die Scheibe nun auch als CD-Collection veröffentlicht. Die vielen Bonustracks sind teils mutig und in dem Zusammenhang schon wieder cool. Die Live-Aufnahme von „Asocial“ von einem Konzert in Brasilien lässt die Augen funkeln. Die meinen es ernst, Freunde von japanischen Oi!-Bands, die auch ein Herz für südamerikanische Szenebands haben, landen in Chicago mit FUERZA BRUTA eine punktsichere Landung.


LEFT HAND BLACK „s/t“ (Wolverine)
Schwedischer Horror-Punk nach der Karo Einfach-Formel: Ganz viel MISFITS („American psycho“-Phase) mit ganz viel RAMONES (Spätphase) versetzt. Geht in dieser Kombination ab wie ein Zäpfchen, bedient alle Klischees und Erwartungshaltungen. Gut so. Die ex-THE DEAD NEXT DOOR-Combo „from the dark crypt of Gothenburg“ geht damit ganz auf Nummer Sicher, verläßt ihre Komfort-Zone nicht. „Yes. Sometimes it is that simple“ (Bandinfo). Alles richtig gemacht. Dazu (englische) Texte mit erhöhtem Grusel-Faktor und die schwarze Messe ist gelesen: „Children of the night“, „Walking dead“, „Army of darkness“ etc. Das Schlußlicht huldigt (mal wieder) dem XXX-Klassiker „Devil in Miss Jones“. Klappe zu, Affe tot.


CITY SAINTS: P&TTB on the radio 7“ (Sunny Bastards)
CITY SAINTS banned from the Pubs! Die Göteborger Combo hat gemeinsam mit TEST TUBE BABY-Peter eine 3-Song 7“ aufgenommen. Auf der A-Seite feuert man mit „Peter and the Test Tube Babies on the radio“ eine knackige First Class-Hymne ab, hier passt einfach alles. B-seitig besingt Mr. Bywaters Neufassungen von „Alcohol“ (berüchtigter Peter-Klassiker von Anno 1985) sowie von „Giving up drinking“ (vom 1995er PTTB-Album „Supermodels“). Mit seinem Alkoholverzicht hat es bis dato noch nicht ganz so geklappt, wie das „Making of…“-Video beweist.


FLOWERS IN CONCRETE/DIM´PROSPECTS: SPLIT (Noise Appeal)
Allein die Kombination beider Bands auf einer Split ist ein Geniestreich. Zweimal (Anti-)-Austria-Power mit guten Referenzen. Beide Bands überzeugen live, beide Bands lassen es auf dieser Scheibe krachen. Hier regiert der Biss und die Frechheit der 90er Jahre. Punk mit HC-Einflüssen und ein wenig Kreativität. Der Gesang setzt sich gerne über die Riffs hinweg. Deutsche Texte, englische Texte – alles scheissegal. STRAHLER 80 werden gecovert und somit ist alles in trockenen Tüchern auf der Insel der Seeligen. Obwohl DIM PROSPECTS die „neuere“ der beiden Bands ist, wird klar an einem Strang gezogen. Sehr erfrischende Platte, die man bestimmt niemals in der Privatsammlung eines kicklenden Herberts finden wird. Das ist der Sound, der einen beim Joggen aus dem Gleichschritt bringt.


STRAßENKÖTARBLOND: Fritz Strube/Buch (EngelsdorferVerlag)

Aha, schon am Cover erkennt man Hinweise darauf, dass hier Szene-Background wartet. Ein sehr kurzweiliger Roman mit subkulturellem Bezug, der aus dem Alltag eines jungen Skins aus dem Raum Magdeburg berichtet. Auf den knapp 200 großzügig geschriebenen Seiten geht der Autor gerne ins Detail und ich werde das Gefühl nicht los, dass es hier fast autobiografisch zugeht. Ein Mix aus Klischees, subjektiven Perspektiven in Verbindung mit den Herausforderungen, denen man als junger Typ so gestellt ist. Für mich als Nicht-Regionaler bringen die Dialekt-Dialoge den Lesefluss manchmal kurz ins Holpern. Aber genau das macht es auch wieder lesenswert. Schöne Lektüre, die man in ein paar Stunden durch hat. Interessant auch das kurze Statement des Autors, was ihn zum Schreiben dieses Werks motiviert hat. Mir fehlt da zwar jegliche Kenntnis davon und mich würde interessieren, ob es sich hierbei um das erste Buch von Fritz Strube handelt. Aber ich werde den Namen im Auge behalten.


ANTI CLOCKWISE: BLUTHOCHZEIT
ANTI CLOCKWISE: EP SAMMLUNG (Eigenlabel)
Magdeburger Oi! Punkband, die schon immer ein wenig ihr individuelles Ding durchzieht. Alles fest in eigener Hand, kein Sprung zu einem bekannten Label, aber umso mehr 7”-Veröffentlichungen, die es auf dieser Doppel-Cd in geballter Form gibt und mit “Bluthochzeit” eben ein richtiges Album. Von Kamerad Paradise auf Herz, Hirn, Nieren und Verstand geprüft - das sind keine Miesen! ANTI CLOCKWISE machen ein wenig in Richtung “TEMPLARS auf deutsch” bzw. erinnern auch an die frühen Tage von VOLXSTURM. Schwer in einen Stiefel zu stecken, alles auf eigene Faust und das hat schon einen gewissen Charme. DIY mit gut geübtem Know-How. Das spiegelt sich in der Musik, das merkt man an der Spielfreude. Das sollte man einmal testen, wenn man abseits der Bands sucht, die einem von den üblichen Labels vor die Füße geworfen werden.


LVGER: FVULL VILLAIN (Contra Records)
Wieso machen sie jetzt alle Metal? Im ersten Moment klingt es verlockend, wenn es heisst, dass Leute von vielversprechenden Bands eine neue Combo geboren haben. Auch wenn es sich dabei zB nur um das fünfte Rad am Wagen der TEMPLARS handelt. LVGER spielen ereignislosen Hardrock/Metal – grammelig und man hat regelrecht das Gefühl, als würden sie sich selbst von einem Solo zum nächsten plagen. Hätte eine Granate sein können, ereignet sich aber leider nur als Knallerbse. Da haben die jeweiligen Mitglieder bei den bisherigen Arbeitgebern weit bessere Leistungen erbracht. Und noch einmal die Frage: warum jetzt Metal? Als zweiter Bildungsweg, wie manch mässig erfolgreiche Punker, einen auf folky Singer-Songwriter machen?


HECKSPOILER: SYNTHETIK ATHLETIK (Noise Appeal)
Ohne große Vorwarning hauen die Linzer Bass&Drums-Tuner ein ganzes Album raus. Auf LP! Ausgestattet mit ihren zwei Instrumenten - einmal Schlagzeug, einmal Bass. Die Tapes waren schon ein großer Renner abseits der Tuning-Szene. Auf langer Rille fahren die beiden illustren Herren aber auch auf Ideallinie. Eng sitzende Shirts, der richtige Riecher für Humor und bestimmt einen Graslieferanten mit Fuchsschwanz und Golf GTI. HECKSPOILER klingen in manchen Passagen wie die göttlichen KURORT mit höherem THC-Anteil. Alles, was zur Verfügung steht wird bei diesem lärmenden Stoner-Post-Punk-Rock ausgeschöpft. Wilde Burschen....athletisch wie eine englische Bulldogge auf Jamaika-Urlaub.


TERRITORIES/VICIOUS CYLCLES: Split 7“ (Pirates Press)
Lustig, eigentlich bin ich den TERRITORIES eher zugeneigt, als den VICIOUS CYCLES. Hier im Face-To-Face Battle steigen aber die CYCLES besser aus dem Ring. Die TERRITORIES liefern zwar eine solide, pubpunkrockige Nummer mit etwas Glamtouch ab. Bessere Kurvenlage hat aber „Problem Officer“, wirklich gut geölter Punkrock. Das ist ein Musterbeispiel für einen Song, den man auf eine 7“ presst. Sirenengeheule, etwas freaky und sofort ins Ohr rutschend!


CUTTIN´EDGE: FACE DOWN (Rebellion Records)
Schön hörbare schottische Band, die harten Punk macht, wie ich ihn gerne habe. Sehr satt, sehr weit weg von der Stange. Schnalzender Bass, selbstsicherer Sänger, saugute Chöre. Hat einen gewissen 90er-Jahre Flair, etwas Rock-gewürzter Straßensound. Fransen sind sowohl auf der Jeansjacke erlaubt, als auch im Nacken. EXPLOITED ist nicht ganz spurlos an ihnen vorbeigegangen – mag am regionalen Einfluss liegen. CUTTIN´ EDGE sind aber weitreichender. Sie haben Kraft, sie haben Durst und sie haben ihre Instrumente recht gut im Griff. Wenn man sich so durch das Album durchhört, kann man durchaus von einer Rundfahrt durch die Subkulturen sprechen. Straßen-Safari durch die Vororte Londons mit schottischem Reiseführer. Wuchtig wie ein biergetränktes Vollholz-Brett. Right in your face! Down!


NÖ CLASS: DON´T YOU WORRY ABOUT US (Contra Records)
Danke - die Australier erweisen sich nach ihrer absoluten Hit-LP nicht als enttäuschende Eintagsfliegen. Hier gibt es Nachschub: Party-Smasher, Party-Kracher-Sound. Ohne Rücksicht auf Verluste, wie ein boxendes Känguru fühlen sich die 4 neuen Songs an. Quietschende Gitarren, keinerlei Perfektionismus und trotzdem so treffsicher wie ein englischer Darts-Spieler nach dem zwölften Pint. NÖ CLASS enttäuschen maximal einen Bewährungshelfer - bestimmt aber niemanden, der ein Herz für ehrlichen Oi-Punk mit Schuss hat.


THE ELITE: REASON FOR MY SIN (Contra Records)
Daryl Smiths Projekt mit gleichem Namen liegt lange genug zurück, um eine neue ELITE in die subkulturelle Runde zu schmeissen. Das hier sind Amis, aus New York. Und sie klingen so, wie ANTI HEROS im ersten Paar Doc Marten´s stiefelnd. Erfreulich, dass es solche Bands noch/wieder gibt. Typische Zack Zack Zack-Band, aus dem Bauch heraus – niemals für große Bühnen brauchbar. Wieso ein Rad neu erfinden, wenn man festes Schuhwerk hat? Abseits aller Szenetrends wird hier scharf geschossen. Geiles Release, kann man bedenkenlos zwischen den USA-Oi!-Scheiben der 90er einreihen. Wenn kein Platz mehr ist, dann einfach mit ein wenig Gewalt dazwischen quetschen. 


LIONS LAW: THE BLOOD, THE PAIN, THE SWORD (Contra Records, Pirates Press, u.a.)
Die Vorzeige-Franzosen haben ein neues Album gebraut, das in Kooperation mit erprobten Geburtshelfern in jeder Ecke dieser Welt zugänglich gemacht wird. Ich hatte beim letzten Release schon so eine kleine Vorahnung, die sich jetzt noch deutlicher abzeichnet. LIONS LAW setzen auf die Überholspur an. Ihre Oi Oi Attitüde und die Durchschlagskraft ist noch hörbar, rockige und härtere Riffs ziehen aber langsam über der Punklastigkeit auf. Die Produktion ist auffällig anders als auf den früheren Alben. Ich habe die insgeheime Hoffnung, dass LIONS LAW genau an dieser Stelle weitermachen und nicht in 2 Jahren plötzlich auch Gelfrisuren und verstärkter Bartwuchs das Bild der Band abzeichnet. Noch ist alles in allerbester Ordnung, sie bringen ein souveränes Album. Sie singen auf französisch und englisch. Sie verwenden keine Lückenfüller, sondern liefern Qualität. Hoffentlich lassen sie sich nicht blenden oder verbiegen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt….hoffentlich dauert das aber noch lange Zeit und LIONS LAW bleiben ihrem Weg treu.


THE MOVEMENT: THE FUTURE FREEDOM (CONCRETE JUNGLE RECORDS)
Bei den Dänen hat sich einiges bewegt und dennoch ist alles gleich geblieben. Immer noch ein Trio, aber 66,6% neue Gesichter, wobei der Wuschelkopf etwas aus der Reihe tanzt. Mods sollten doch einen anständigen Haarschnitt besitzen, zumindest sitzen die Hemden. Und der Beat von „The Future Freedom“ sitzt auch wie maßgeschneidert. Durch den Line-Up Wechsel wird deutlich, dass Frontmann Lukas das Steuer fest in der Hand hat. Unglaublich, dass ihr erstes Album „Move“ bereits 17 Jahre auf dem Tacho hat. Die Scheibe haut mich heute wie damals um und bei dem aktuellen Album erlebe ich sehr ähnliche Momente. Die vertraute Stimme, die Dynamik, Rebellion im Maßanzug. Während es in der Laufbahn von THE MOVEMENT zwischendurch etwas gerumpelt hat, ziehen sie bei ihrem Sound eine klare Linie durch. Treibender Punk gepaart mit Offbeat Elementen. Auf die wichtigen Elemente reduziert und trotzdem standhaft wie eine Mauer. Hier wird eine Lücke gefüllt, die seit den glorreichen Tagen von Bands wie THE JAM mit wenig Substanz gesegnet war.


MOSCOW DEATH BRIGADE: BAD ACCENT ANTHEMS (Rebel Sound Records)
Die Russen beobachte ich seit ihrer ersten 7“. Seither hat sich ihre Popularität regelrecht virenartig verbreitet. Das ist zum einen löblich, weil sie eine sehr polarisierende Band sind – zum anderen stellt sich die Frage, was ihre neue Anhängerschaft mit der Attitüde der Band wirklich gemeinsam hat. Bis hin zum hippen 25 jährigen Immobilienmakler oder zur Instagram-süchtigen Hausfrau reicht die Streukraft der Band. Liegt es an ihrem militanten Auftreten? Sind sie zu jung, um die BEASTIE BOYS zu können? Sind es die seltsamen Kunststoff-Trainingswesten, die so aussehen, als hätte man sie einem Opa in der Kuranstalt entwendet? Egal, das neue Album klingt noch einmal dichter und direkter als die früheren Ergüsse der Band. Nennen wir es ruhig „fetter produziert“. Diese Einschätzung deckt sich mit dem Werdegang der Band. Werden sie im Mainstream landen? Man wird sehen und hören. Das, was ich da höre, ist schon hörenswert. Sie schaffen es, auf straßenseitiger Ebene die Vorherrschaft zu übernehmen. Sie mischen dazu zwar kein Heizöl mit Benzin, aber haben doch ein gutes Rezept für einen guten Rundumschlag durch diverse Genres. Genau so kann es bleiben – nicht noch größer werden! Und nicht noch mehr Synthie-Parts! Der einzige Vorteil im Schritt in den Mainstream wäre marximal nur, dass MOSCOW DEATH BRIGADE dann vielleicht irgendwann sogar an die Ohren von Vladimir Putin kommen würden. Den Kerl würde es glatt vom Pferd hauen, wenn er hört, was die Kinder seines Landes da so im stillen Kämmerchen fabrizieren.


KOTZREIZ: NÜCHTERN UNERTRÄGLICH (AGGRESSIVE PUNKPRODUKTIONEN)
Der Background der Berliner Band ist weitreichend bekannt, so haben sie mittlerweile sicher auch schon locker 10 Jahre auf dem Buckel. Nach ein paar Durchläufen wird einem klar, dass KOTZREIZ halt das machen, was sie machen. Deutsch-Punk mit einem Bein in der Schlachtrufe BRD Ära und einem Bein in der Neuzeit. Bis auf den Bandnamen ist da nichts mit Oldschool, aber das scheint auch gar nicht auf dem Plan zu stehen. Mich würde interessieren, ob junge Menschen dank dieser Band in die Punkrockfalle tappen oder dann doch lieber zu Jennifer Rostock Konzerten gehen. Mit „Nüchtern Unerträglich“ liefern sie aber ein gutes Argument, dass zeitaktueller Punk aus Berlin schon fein sein kann. „Fein“ im Sinne von dreckig, aber mit Herz. Sie sind bestimmt nicht die Schnorrer, die man aus der Fußgängerzone kennt. Aber ihre Songs tönen bestimmt aus so manchem Kassettenrekorder in auf der Straße. Oder macht das passende Klientel jetzt auch schon über das IPhone Musik? So „typisch“ das Album ist, so untypisch sind ein paar stilistische Ausreißer. Die Band hat also Mut spielt stilvoll mit einer Kombination aus Klischee und Klassik nach Art des Punkrocks.


STÖRSENDER: DAS KOTZT MICH AN (MAD BUTCHER)
Räudig-solide Band aus Bielefeld, die es schon länger gibt. Ihre „Skins + Punx“ ist als Bonus vertreten, für meinen Geschmack hat das schon Stil. Die Band schlägt eine Brücke zwischen den 80er Jahren bis in die späten 90er Jahre. Mit ihrem Sound sind sie bestimmt nicht am Puls der Zeit und das ist durchaus als Kompliment zu sehen. STÖRSENDER beziehen klare Stellung, hauen ordentlich in die Saiten und dürften wenig darauf geben, ob und was gerade angesagt ist. Deutscher Oi! Punk nach der Marke „gut gebrüllt Löwe“, aber ohne Anabolika oder Fascho-Freunden nach dem dritten Bier. Das Album geht übrigens auch nüchtern sehr gut rein.


THE ROADBLOCKS: TROUBLES TIMES (MAD BUTCHER)
Uff, schwere Sache – diese ROADBLOCKS meinen es ganz bestimmt gut, wenn sie ihre Musik aus den Boxen hauen. Mir ist das aber etwas zu viel Bilderbuch – hier wird mit Krampf alles gemischt, was mit BONES, STREET DOGS und die üblichen Verdächtigen zu tun hat. Grundsätzlich eine feine Sache, aber die Mischung funktioniert halt nur teilweise. Wer wie „all die coolen Bands“ klingen will, klingt leider nicht sehr spektakulär. Besser, das Bilderbuch mit ein paar eigenen Emotionen vollkritzeln, dann wächst der Charme. Ein paar Ladies werden so schon rumkriegen damit, ein paar Wannabe-Mike Ness Typen auch. Aber ist wirklich erstrebenswert? Lieber etwas abseits der großen Buchten angeln…wer als deutsche Band einen Amischlitten im Video vorfahren lässt, der hat die Kontrolle über sein Punkrockleben nicht ganz im Griff.


FATAL BLOW: GENERALS AND SOLDIERS (MAD BUTCHER)
Sehr geile Oi! Oi! Combo aus Wales. Roddy Moreno hatte hier ja Gebrauch vom “right to work” gemacht und sich als Geburtshelfer voll ins Zeug geschmissen. Der Spirit von THE OPPRESSED ist hier deutlich zu hören und genauso zu spüren. Die 3 Kollegen haben das Herz am linken Fleck und machen genau das, was irgendwann mal als New Punk in aller Munde war. Die Songs gehen sofort ins Ohr und unter die Haut – eine extrem sympathische Band, die - ähnlich wie zum Beispiel GIMP FIST – genau weiss, worauf es bei Subkultur ankommt. Kein Herumgepose, keine Kunststück – darin liegt die Kunst. Die 12 Songs (inkl. der Bonus-Live Tracks) haben exakt verstanden, was in England vor 40 Jahren aufgekommen ist – und sie tragen dieses Ding in aller Würde weiter. Klare Empfehlung für alle Zeitlosen.


THE ZSA ZSA GABOR´S: X (Mad Butcher Records)
Nochmalige Steigerung der St. Pöltener Punkband – frecher, mutiger und jeder Song liefert einen wichtigen Beitrag zum gesamten Album. Spritzer des US-Punks, durch die britische Schule des Punkrocks gegangen und jede Menge europäische Rotzkultur im Haar. Zu jeder Nummer gibt es ein paar Anmerkungen des jeweiligen Schreiberlings, sehr cool die deutsch gesungene Nummer über die Arena Wien. Generell sind die Themen subjektiv gewählt. Den Chorgesang haben sie drauf – wahrscheinlich im lokalen Fußballstadion geübt. Hoffentlich bekommen sie mit diesem neuen Streich noch mehr Aufmerksamkeit – wäre schade, wenn THE ZSA ZSA GABOR`S ein weiterer Kellerskandal made in Austria bleiben würden. Punkrock kann so einfach sein….so klingt die gehobene Mitte. Gerüchten zufolge hat E.Pröll diese Band in der Sekunde seines Radunfalls auf seinem Walkman (!) gehört....eine runde Sache!



SOKO DURST: LIEBE, BIER, REVOLTE (Tschiep Production/Laketown Records)
Chemnitz bleibt standhaft – dann und wann schaltet sich die Sonderkommission ein und haut ein neues Album raus. Bei „Liebe, Bier, Revolte“ hat man stellenweise den Verdacht, dass die LOKALMATADORE eine Zwangsfortbildung vom Arbeitsamt durchmachen mussten, um mehr Niveau zu erlangen. Ja, so klingt das hier ungefähr – die Gitarren werden so eingesetzt, dass die fast schon emotionalen Passagen das Bier noch mehr schäumen lassen. Sehr eingängig, ein paar Hänger – aber ja, unter der Gürtellinie ein standhaftes Teil.


ONLY ATTITUDE COUNTS: ALMOST THE END (WTF Records)
Wären sie aus New York, würde die Welt von einer Legende sprechen, als Wiener Band haben sie aber zumindest das Prädikat „Wöööd-Band“ verdient. OAC mit einem neuen Longplayer – schätzungsweise können sie mittlerweile auch schon eine zweistellige Diskografie vorweisen. Über 20 Jahre und - auch wenn der Titel irren könnte – kein Ende in Sicht. Tatsächlich stand eine Auflösung aber kurze Zeit auf dem Schirm. Zum Glück aber ein Fehlalarm in der Kommandozentrale: stichhaltige Riffs, präzis-angepisste Stimme – alles wie gehabt. Die einzelnen Song-Titel geben die Achse klar vor, auf der sich Mike Crucified samt Rückendeckung am wohlsten fühlt. ONLY ATTITUDE COUNTS machen lang genug Musik, um die Szene über die Grenzen hinaus mitgeprägt zu haben. Endlich einmal etwas in Zusammenhang mit Österreich ohne Bezug zu Kellern. Aber nicht so ganz, denn ONLY ATTITUDE COUNTS sind, waren und bleiben Underground. Kein 80-Euro Merchandise, keine Geometrie-Tattoos. Purer Hardcore mit deutlicher Betonung auf „Hard“ und „Core“.


JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION – “Trouble” LP/CD (Pork Pie)
Beim Erstling “No Bam Bam“ von vor gut 2 ½  Jahren war ich tatsächlich ein wenig enttäuscht, empfand ich das Mischungsverhältnis der Songs doch ein wenig einseitig hin zu eher getrageneren, ruhigeren Nummern. Was die Scheibe unterschied von ihren energischen Auftritten, die klar in Richtung Tanzbarkeit angelegt sind. Das ist jetzt bei „Trouble“ erfreulicherweise komplett anders: Es überwiegen die forschen Dancefloor-Stomper, die stilistisch natürlich grob im 3rd-Wave-Ska beheimatet sind, aber jederzeit ihre ganz eigene Note besitzen, die die Kölner unverkennbar macht. Da ist zum einen der männlich-weibliche Wechselgesang, der die Band-DNA prägt, aber auch ein irgendwie eigenwilliges Element, das z.B. einen Song wie „Stay united“ ungewöhnlich ausgestaltet. Das hat Charakter, das überzeugt. Das Album liefert viele Höhepunkte, von denen einer die tolle Hymne „Shut up“ ist, die schon vorab auf dem Sampler „The Spirit of Ska – 30 Years Jubilee Edition“ veröffentlicht war. Ein weiterer ist die herausragende Gesangsleistung von Organistin/Sängerin Chrissy bei der sehr gefühlvollen Ballade „Blue skies ahead“. Nachdem die RUB FOUNDATION einst als Ein-Mann-Ska-Band angefangen hatte sind sie derweil zum Quartett mutiert, denn neu an Bord ist ein fester Drummer, der das liebenswerte Fußschlagzeug von Gitarrist, Sänger  und Namensgeber Johnny ablöst. Das eröffnet sicher neue Möglichkeiten, hatte aber auch etwas angenehm Skurriles und war ein Alleinstellungsmerkmal.
„Trouble“ ist ein sehr, sehr starkes weil energiegeladenes Album geworden, das ob seiner vielen Facetten nie eintönig zu werden droht und das Frühjahr 2020 in so manchem Rudeboy-/girl – Haushalt akustisch verschönern wird. Ein großer Schritt nach vorne … .


CONCRETE BOLLOCKS – „Disasters of war“ EP (Contra Records)
Eher die Stunde der Grobmotoriker hier, der Feingeist wird explizit nicht bedient. Das Titelstück hämmert als Hardcorepunk los, bevor zwei tempomäßig eher gedrosselte aber ultra-aggressive Stücke ertönen. So in etwa als wenn frühe Black Flag (vor Henry Rollins) auf Oi! trifft. Stimmlich äußerst rabiat, spontan fällt mir Wouter von RAZORBLADE als Vergleich ein. Abschließend noch eine wiederum zackige Nummer, die weniger Potential bietet. Glaubt man dem Bild im Cover agieren hier zwei Skins und zwei Punks. Entsprechend paritätisch teilt sich das Material, die Oi!-lastigen Tracks aber gewinnen eindeutig. Die eher dilettantische Zeichnung des Coverartworks lässt eher Crustcore vermuten und abwarten, ob die Herrschaften aus Derby / GB das mit den zwei Stilen beibehalten werden … . Ich hätte im Übrigen gewettet, dass das US-Amerikaner sind, wirklich überraschend, ihre englische Herkunft. Sir Paulchen



NAGÖN – „Repulsive & deadly“ EP (Contra Records)
Aus Serbien hat man ja eher weniger Platten im Schrank (ausser RITAM NEREDA fällt mir da spontan nichts ein) und ob die ebendort wohnhaften NAGÖN diese Lücke schließen werden bleibt abzuwarten. Die ziemlich krachig / trashigen / garagigen Aufnahmen bieten 4x zackigen Pogopunk, der ganz gut losrockt aber auch nicht begeistert. Ganz solide aber ohne nachhaltige Eindrücke. Ich bin absolut kein Freund von den heutzutage üblichen Über-Produktionen mit dem Einheits- Sound aus immer denselben Maschinen von immer denselben Digitalbearbeitern (die nennen das dann „fett“), aber diese ursprünglich als Kassette veröffentlichten Songs bedürfen vielleicht dann doch noch mal eines gewissen Feinschliffs, so geht doch jeglicher Akzent irgendwie unter. Sir Paulchen


LUSH RUSH – s/t „7“ (Contra Records)
Ungewöhnliches auf Contra Records: Die 5 Damen aus Paris machen es einem nicht leicht ihr Logo zu entziffern und spielen einen irgendwo zwischen New Wave, Punk und Post-Punk angesiedelten Sound, der nicht nur stimmlich bisweilen an SIOUXSIE &THE BANSHEES erinnert. Das schön morbide Cover gibt die Richtung vor: Etwas schräg, leicht düster, Freunden von X MAL DEUTSCHLAND sollte das famos gefallen. Ein angenehmer Hauch Dilettantismus schwingt auch mit und am Ende ist es ebenso gewagt wie lobenswert, dass Contra sich aus ihrem gewohnten Rahmen herausbewegen. Wird nicht jedem gefallen, mir sehr wohl.Sir Paulchen


BROKEN HEROES / THE DETAINED Split EP (Contra Records)
US-Oi! mit viel Melodie und Wucht plus einem sehr rabiaten Sänger, das ist’s, was die BROKEN HEROES seit vielen, vielen Jahren anbieten und ihre Freunde werden hier wieder bestens bedient. Beide Tracks keinen Deut schlechter als das Zeug, das sie schon in den frühen 90ern auf Headache Records abgeliefert haben, einem der besten Labels ever übrigens. Saugut! Gegen so viel Erfahrung haben es THE DETAINED aus Berlin naturgemäß eher schwer. Dachte ich. Falsch gedacht! Die stossen in etwa ins selbe Horn: 2 gleichzeitig sehr melodische wie auch angriffslustige Tunes stehen zu Buche, die angenehm „langsam“ ihre volle Wirkung entfalten (auf ihrem Debut-Album „The Beast“ aus 2018 ging’s zügiger zu). Vielleicht sogar der heimliche Sieger, weil mit so „over-the-top“ – Material meinerseits nicht gerechnet wurde. Ein „Must-have“ für die Zielgruppe, top-Niveau! Sir Paulchen


BRUTAL BRAVO / THE LADS Split MLP (Contra Records)
Wirklich beängstigend, wie präzise sich der BRUTAL BRAVO – Sound in den wohlfrisierten Schädel fräst. Total dichter Soundteppich, Oi! war lange nicht mehr so intensiv. Alle drei Stücke sind Gewinner, der Sänger eine Macht und Freiburg damit ganz vorne. Besonders erfreulich: Auch wenn wie bei „I drink alone“ (super Songtitel!) das Tempo angezogen wird artet das nie in irgendein Geklöppel aus. Sehr alte Schule ohne schlichtes Rezitieren alter Helden. Die LP hatte ich 2018 wohlwollend besprochen, die (3) Stücke hier der B.B.-Kumpelz von THE LADS gehen in dieselbe Richtung: Sehr simple aber effektive Schienbeintritte, die keinen Innovationspreis gewinnen, aber gut fies auf die Hirse kloppen. Beim ersten Hören gefielen mir BRUTAL BRAVO klar besser (und dabei bleibt es auch), aber die LADS sind auf ihrem Terrain ebenfalls eine Macht. Pflicht-Mini-LP, echt! Sir Paulchen


THE DIVIDED – „World you’re living in” LP/CD (Contra Records)
Es ist immer so eine Sache mit den Erwartungen: Manchmal verselbstständigen sie sich, wachsen und gedeihen und können schlussendlich gar nicht mehr erfüllt werden. Als zu hören war, dass Raybo, der ewige „Mister-mal-ist-er-wieder-bei-BONECRUSHER-mal-ist-er-wieder-nicht-mehr-dabei“ Sänger mit dem ebenso rauhbeinigen wie melodiösen Timbre ein neues Projekt am Start hat, das stilistisch seinen alten Mitstreitern nahe kommt, war in meinem Umfeld und speziell bei mir die Vorfreude riesig um nicht zu sagen gigantisch.
Nun, um es kurz zu machen: Es ist gekommen wie erhofft und noch besser! Absolut perfekt inszenierter Streetpunk mit dieser absoluten Wahnsinnsröhre, wer das nicht verehrt liest mit dem „Chelsea’s Choice“ definitiv das falsche Fachblatt. Jeder Schuß (=Song) ein Treffer, just killer no filler, mir gehen die Superlativen aus. Paradise hatte es hier ja schon angerissen: Das ist immer extrem schwer zu benennen, aber für 2019 kann es nur EIN Album des Jahres geben: THE DIVIDED. Die werden live ein Fest, ich spür’s ganz deutlich. Oberamtlicher Megahammer! Sir Paulchen


THE DROWNS: UNDER TENSION (Pirates Press)
Jetzt endlich das erste komplette Album der Amis. Das Cover sieht aus, als wäre Commodore 64 der letzte Schrei – in etwa dieser Ära sind sie musikalisch auch stehen geblieben. Das gibt einen Pluspunkt in der Gesamtbewertung. Der Sänger geht stark aus sich heraus – jedenfalls einer von ihnen, denn man dürfte sich beim Gesang abwechseln. Das verleiht eine gewisse Abwechslung, die aber in den Rahmen dieser Band passt. Sehr punkig, sehr spritzig, sehr rockig – klingt wie tausend mal gehört und trotzdem stark. Spielerisch sind sie auf einem hohen Niveau unterwegs – so simple manche Songs klingen, so viele Details hört man bei erhöhter Aufmerksamkeit heraus. Warum ein „The Harder They Come“ Coversong notwendig ist, entschließt sich meiner Kenntnis – mit dem Song kann man zwar wenig falsch machen, aber genauso wenig Neues bieten. Egal – mir fällt endlich der Vergleich ein: HUDSON FALCONS gefallen? Dann könnten THE DROWNS the next big thing sein.


CHARGER: WATCH YOUR BACK 7“ (Pirates Press)
Nein, kein Cover-Song von COCK SPARRER, das ist nach den ersten Riffs Klar. Aber die Flamme der Amis lodert auch auf dieser einseitig bespielten 7“ in England. Klingt wieder wie Lemmy in Bestform, mit einem Funken mehr Punk-Attitude. Ein wahres Schlachtschiff – allerdings nur ein 1-Master, denn die Rückseite der Platte ist „nur“ bedruckt. Wie schon an anderen Stellen erwähnt – ganz starke Band um RANCID-Mann Tim Armstrong, der hier mit 2 Kollegen dem Vintage-Rock huldigt. Als hätte Sid Vicious dem Lemmy etwas am Bass gezeigt und noch umgekehrt. Legends!


KAUFKRAFT: ROTZPOP (MT Undertainment)
Da ist einer von OXYMORON dabei, aber das spielt hier keine Rolle, denn KAUFKRAFT klingen a) völlig anders und b) bedarf es keinerlei Namedroppings, denn KAUFKRAFT sind kräftig genug. Geschrubbter Punk-Sound mit Rotz in der Frisur und Kaugummi hinterm Ohr. Die Sängerin haut die Texte auf Deutsch ins Gemenge, das hat sie drauf. Klingt so fies, wie wenn sich in einem Hinterhof 77 Kellerratten auf einmal im Sack verbeissen. Das kann schon brennen. Kommt alles sehr jugendlich und frisch rüber, die Belegschaft gehört allerdings  alterstechnisch bestimmt schon zur Kategorie „Darmspiegelung - mindestens alle 5 Jahre“. Das ist der passgenaue Zugang – einfach straight ins Vergnügen. So funktioniert dieses Album. As(s) Punk as Punk should sound! Erfreuliche Randnotiz: dass hier „Empty“ mal wieder auf dem Backcover auftaucht.
 


THE DROWNS "Hold fast" (PIRATES PRESS)
Form schlägt Inhalt, Optik dominiert Beat: Die erste 12" von THE DROWNS, einem munteren Trio aus Seattle,Washington, punktet vor allem optisch bzw. haptisch. Dr. Honigtau Bunsenbrenner im PIRATES PRESS-Labor hat einen neuen Vinyl-Zwitter aus der Retorte gebeamt: Eine Vinyl-Scheibe in Picture Disc-Optik, digital auf der blank Side bedruckt. Sieht, mit dem aufgedruckten DROWNS-Logo also wie eine Picture Disc aus, klingt aber deutlich besser (der ewige Kritikpunkt an Picture Vinyl). Gab es so wohl noch nie, sieht sehr hübsch aus. Sinn oder Unsinn? Sei dahingestellt. Musik gibt es natürlich auch, die fällt etwas hinter dem technischen Novum zurück: Sehr entspannt-relaxter Punk Rock im melodiös-abgebremsten Midtempo-Bereich, britisch beeinflußt. THE DROWNS erinnern hier an eine leicht weichgespülte Version der NEWTOWN NEUROTICS, nicht zwingend, aber hintergründig. Beide Songs stammen vom zweiten Album der Band, welches für Anfang 2020 angekündigt wurde und "Under tension" betitelt ist. Daher ist die 12" mehr ein optisch-schnuckeliges Collector Item (limitiert auf 500 Stück) und in erster Linie Lehrstück in Materialkunde und Vinyl-Wissenschaft.


TERRITORIES Quit this city 7" (PIRATES PRESS)
2-Song 7” der TERRITORIES aus Calgary, Canada. Die Kapelle hat in den letzten Jahren einen erstaunlichen Output vorgelegt, überwiegend auf kuriosen Gimmick-Formaten wie einseitig bespielten Flexi Disks im 7“ (11 Stück in einem Jahr!) und 5“ Format. Immer wenn im Hause PPR ein neues Format oder Material getestet wurde, gab es eine neue TERRITORIES-Veröffentlichung. Könnte man denken, sieht zumindest so aus: THE FLEXITORIES, die Lieblinge der hauseigenen Forschungs-Abteilung. Keep it soft, flex your 7"! 2018wurde allerdings auch ein reguläres Album auf solidem Vinyl veröffentlicht, ein s/t Longplayer mit 12 Songs auf diversen Vinyl-Farben und mit sämtlichen Flexis als beigelegtem Bonus. Die zwei Songs auf der neuen 7“ (die erste 7“ auf handfestem Material) passen perfekt zur Jahreszeit, sind zwei sehr entspannte Herbst-Hymnen: Relaxter 70’s Punk ROCK mit SPARRER, SLF und SOCIAL-D.-Sympathien, die TERRITORIES haben sich die besten Bausteine aus dem Fundus gegriffen. Ruhig und kraftvoll zugleich, die Band beherrscht ihr Handwerk, ist bemerkenswert professionell unterwegs. Klingt wie souverän aus dem Handgelenk geschüttelt.1000er Pressung auf milchig-transparentem Vinyl.


THE OBSESSIONS: Demotape
Amerikanisierter Punkrock, hergestellt in Wien. Gegründet von ein paar Routine-Punkrockern mit ausführlichem Lebenslauf. Hier werden einige Sub-Genres der ansprechenden Undergroundszene hörbar gut vereint. Sehr fähiger Sänger, sehr knackige Beats – in der Gesamtnote absolut ansprechend. Auch das Drumherum passt – ein Demo in Oldschool-Manier mit 5 Songs, angebrachte Aufnahmequalität. Auf der B-Seite der Kassette gibt´s das ganze Programm noch einmal. Das erspart einem das Zurückspulen der Kassette. Nachhaltiger könnte Punkrock nicht sein.


POPPERKLOPPER: ALLES WIRD WUT (Aggressive Punkproduktionen)
Im Gegensatz zu „Es ist Beit“ von der anderen Fraktion handelt es sich bei „Alles wird Wut“ offensichtlich um keinen Schreibfehler im Titel. Das zeugt schon mal von mehr Intelligenz, der Name POPPERKLOPPER ist ein brauchbarer Hinweis, wann die Band aus Trier ihren Ursprung hatte. Das Trio hat die goldenen Zeiten des Deutsch-Punks hautnah miterlebt und in vielen Kreisen auch aktiv gestaltet. „Alles wird Wut“ ist eine weitere Fortführung von dem, wofür man die Band kennt. Dass sie ihr Können ohne Scheu zur Schau stellen, spricht für die Band – keine peinliche „ältere Männer zwängen sich nochmal in die Lederjacke“-Anstalten. POPPERKLOPPER sind nach wie vor gut unterwegs mit ihrem überwiegend deutsch gesungenen Punk, der sehr locker in den Beinen ist. Textlich gibt es viele Themen, mit Kritik an bekannten Missständen wird nicht gespart. Man versteht nicht nur das, was da gesungen wird – man kann es auch nachvollziehen. Gut, wenn eine Band immer noch was zu sagen hat und den dazu passenden Sound abliefert.


THE DIVIDED: THE WORLD YOU`RE LIVING IN (Contra Records, Hostage Records)
Keine Diskussion – jetzt schon ein Album für die Ewigkeit. Die Aufnahmen wurden mir ca. 3 Wochen vor dem Release zugänglich gemacht – und selbst nach geschätzten 20 Durchläufen machen sich keine Abstriche bemerkbar. Darauf haben viele gewartet und die Erwartungen werden exakt 10-fach übertroffen. Knochenhart-geiler Stoff, der neuen Orange County Combo mit bekannten Gesichtern. Kaum in Worten zu beschreiben, was diese Herren da in Sachen Punk-Rock eingehämmert haben. Der Gesang von Raybo ist endlich wieder in neuem Gewand und altem Stil zu hören. Raymond Vogelman der one & only Soul-Singer des Punkrocks! Unverkennbares Echtheits-Zertifikat in jeder Hinsicht: musikalisch, textlich und somit lebensphilophisch genau das, was große Freude bereitet. Besonders markant auch die Tatsache, dass die amerikanische Pressung bei Hostage Records erschienen ist. Somit wäre ein weiterer Back-to-the-roots-Faktor erfüllt. Einerseits ein Debut-Album, andererseits eine logische Fortführung von Scheidungskindern, die es bekanntlich ohne Rücksicht auf Verluste doppelt krachen lassen. Schon bei den ersten Akkorden ist klar, dass wir es hier nicht mit der Opferrolle zu tun haben. Kann man bedenkenlos im Regal neben BONECRUSHER einreihen. Eine Split wäre übrigens ein gelungener Streich! THE DIVIDED geben alles, was man abseits von Mainstream-Punk braucht. Bleibt zu hoffen, dass diese Formation beständig bleibt und noch mehr solche Kaliber fabriziert.


THE RESTARTS: Uprising (Pirates Press Records)
THE RESTARTS mit Album # 6 auf PIRATES PRESS. Besser denn je. „Uprising“ knüpft an alte Größe ("Frustration" 7"!) an, „Sänger“ Kieran (der letzte Überlebende vom Original Line-up) keift noch immer wie Else Kling und Wattie zu ihren besten Zeiten. Der Mann hat ordentlich Wut im Bauch! Passt auch exakt zu den behandelten Themen: Palästina-Konflikt, Homophobie, Brexit, Gentrification etc. Brachiales Update vom 1984er DISCHARGE/EXPLOITED/SUBHUMANS-Sound, Nietenbesetzer PunkCore im "No tolerance"-Modus. Zwischenzeitlich werden auch einige Ska-Parts eingestreut, allerdings verscheucht Kieran’s Schäferhund-Gebell konsequent jedes Karibik-Feeling. Skankin‘ on the Kasernenhof zwischen „Aaaachtung!“ und „wegtreten!”. 12 Songs für die ganz wütenden Momente im Leben.


THE ROYAL HOUNDS – „God bless the Royal Hounds“ MLP (Contra Records)
Es ist wirklich selten geworden, dass man in diesem unserem Musikspektrum überrascht wird, aber ROYAL HOUNDS haben das getan. Und zwar weil sie a) ungewöhnlich UND b) grandios sind. Schwer zu beschreiben, aber die machen Oi! mit einer Wahnsinns-Gitarrenwand plus einem sonoren Gesang, der von der Klangfarbe her an Lemmy erinnert. Die haben was ganz eigenens, was spezielles. Und können riesige Songs schreiben. Alle 7 Tracks auf dieser MLP auf 45rpm sind für sich genommen Hits, aggressiv und mächtig, dabei aber eingängig und griffig.
Auch die Texte sind genre-unüblich, es geht viel um (Liebes-)Beziehungen, manchmal leicht schräg allerdings.
Wir sind begeistert und man kann es nur wiederholen: ROYAL HOUNDS sind anders und offenbar gerade deswegen (und natürlich aufgrund des catchy Songwritings) phantastisch! Aus denen wird was, ein gnadenlos gutes Debut wie dieses muss einfach Türen öffnen. Wenn es denn einen letzten Rest Gerechtigkeit gibt in dieser kranken Welt. Sir Paulchen


RUDE PRIDE / LAZY CLASS Split EP (Contra Records)
Die schon fast abnormale Flut von Split-Singles von vor ein paar Jahren ist ja zum Glück derweil wieder auf ein erträgliches Mass abgeebbt. Spanien und Polen also hier im Rennen, die Madrilenen legen gut vor mit einem starkem Stück melodischen Oi!, das sich nahtlos einreiht in ihr großartiges Schaffen. Dazu die gelungene Version von THE BLOODs „Stark raving normal“, das ist eine hohe Meßlatte.
LAZY CLASS sind augenscheinlich auch keine Skins mehr, das ist dann wohl der „Booze & Glory“ – Effekt. Kommt ja öfter vor. Der Sound aber ist weiter geschmeidig, Streetpunk der gehobenen Qualitätsklasse mit einem eigenwilligen fast hellen Gesang, den ich sehr schätze. Das zweite Stück „Ending fight“ ist ein Cover einer mir bis dato unbekannten Hardcoreband namens TRAGEDY aus Portland / Oregon. Originell und wirklich hervorragend. Ohne Abstriche zu empfehlen, die EP, zumal das Coverartwork obendrein höchst ansprechend ausgefallen ist. Sir Paulchen


SUEDE RAZORS – „The bovver & the glory“ „7“ (Contra Records)
Nachdem GIUDA sich jetzt auf ihrem aktuellen Album “E.V.A.” vom Glamrock hin zum Psychedelic-Rock verabschiedet haben und man von SHANDY bedauerlicherweise nichts mehr hört bleiben ja nicht mehr so viele Bands, die den guten alten 70er-Stampfrock zelebrieren: FAZ WALTZ, HARD WAX und eben die SUEDE RAZORS. Die A-Seite „The bovver & the glory“ ist mal wieder ein verdammter Hit, der eines fernen Tages auf Bovver-Rock-Bootleg-Compilations auftauchen wird. Volle Punktzahl! Mit „Crazy paving“ kommt auf der Rückseite eine Coverversion von der BILLY KARLOFF BAND (von 1978), die vor Kraft nur so strotzt. Wenn schon covern, dann wenigstens nicht immer irgendwelche vollkommen abgenudelte „Ich-kann’s-nicht-mehr-hören“-Nummern. Eben so wie hier. Optisch perfekt verpackt in ein optimal passendes Coverartwork. Super Single! Sir Paulchen
.


V/A – We come from a band down under – Aussie Oi! & Streetpunk Vol. 1 LP (Contra Records)
Compilations, die nach geographischen Grenzen zusammengestellt werden bergen die Gefahr, dass es kunterbunt wird und ein roter Faden abhandenkommt. Hier aber ist die Herkunft der Kombos keineswegs die einzige Gemeinsamkeit und alle Vertreter bleiben der Streetpunk- bzw. Oi! – Vorgabe treu. Qualitative Gurken gibt’s keine, dafür ganz, ganz viele Highlights.
Knochentrockenen Oi! der guten Sorte liefern die BLACK RATS, während PLAN OF ATTACK gewohnt aggro unterwegs sind. THE KNOCK BACKS intonieren mitgröhlkompatiblen Streetpunk und THE OPPOSITION gehören mit ihrem Streetpunk mit 77er-Einflüssen und der sehr ausdrucksstarken Sängerin zu den absoluten Gewinnern des Samplers. Ebenfalls einen Killer haben UP THE ANTI mitgebracht, ihr hymnischer Punk der 77er-Machart mit Oi! – Zutaten erinnert an THE CRACK – bärenstark! THE CLINCH sind aktuell eine der besten Newcomer-Bands, 100% mein Ding, rau wie Schirgelpapier, dabei aber butterweich beim Eintritt in die Gehörgänge. Schade, dass ihr Beitrag schon auf ihrem letztes Jahr erschienenen ersten Longplayer war. Lange nichts mehr von RAZORCUT gehört, die können’s aber noch, melodischer Oi! vom feinsten.
Seite 2 startet mit THOSE RAT BASTARDS, der Zweitband von Viktor, den wir von SHANDY kennen. Die spielen knorken Sound zwischen Oi! und Streetpunk und können das auch. RUST hingegen finde ich etwas durchschnittlich, obwohl ihr schnelles Stück beileibe nicht schlecht ist. Vollkommen unbekannt sind noch STOUCH, die hier mit beinhartem Oi!-Punk der schwiegermutterunkompatiblen Sorte aufwarten. Ungehobelt aber durchschlagskräftig! Hierzulande ebenfalls noch ein unbeschriebenes Blatt sind THE GROGANS, die harten aber melodischen (und guten!) Oi! mit Punk-Kante beisteuern. NÖ CLASS haben ja schon bewiesen, dass sie 82er UK-Punk mit der Muttermilch aufgesogen haben. „Black and blue“ hat eine Rock’N’Roll – Schlagseite, die alte ROSE TATTOO / AC/DC – Schule lässt da grüßen. Der Song war aber auch schon auf „Painted in a corner“, ihrem Erstlingswerk. THE ROGUES sind natürlich nicht zu verwechseln mit den Amerikanern gleichen Namens (plus x weiteren Kapellen die so heißen) und sind ebenfalls unterwegs in Sachen „hart aber smart“. Auch BLOODY MINDED als letzte im Bunde können mit melodischem Oi! Sympathien für sich einheimsen.  Selten so einen homogenen Sampler gehört und das auf sehr hohem Niveau. Absolut alle Beiträge sind mindestens „gut“, die meisten sogar „sehr gut“. Das einzige was wirklich stört ist das fehlende Beiblatt mit Infos, Photos, Texten etc.. Wirklich ärgerlich!  Sir Paulchen


STRONGBOW – „Defiance“ LP/CD (Contra Records)
Medial präsent sind sie durchaus, insofern überraschend, dass der letzte Longplayer bereits wieder fünf Jahre zurückliegt. Aber besser sich beim Veröffentlichen dezent zurückzuhalten und damit die Spannung auf hohem Niveau belassen, als auf Gedeih und Verderb jede Note `rauszurotzen und sei sie noch so unausgegoren.
Irgendwelche Überraschungen waren nicht zu erwarten und bleiben auch aus. Damit spielen die Dresdner zu Recht weiter im Streetpunk-Oberhaus, haben aber für meinen Geschmack immer noch den kleinen Wettbewerbsnachteil, dass ihr Gesang nicht so prägnant `rüberkommt, wie bei anderen Mannschaften im Klassement. Andererseits gut, dass STRONGBOW beim Klargesang bleiben und nicht in irgendeine Form von Gegröhle verfallen.
Generell ist die Orgelunterstützung bei Teilen der Stücke sehr bereichernd und erfrischend ausgefallen. Ihre songwriterischen Stärken kulminieren erstaunlicherweise ausgerechnet im abschließenden „To the night“ am allerbesten. Der Song ist zwar eher simpel angelegt, dafür aber unheimlich effektiv.
Das SPRINGSTEEN-Cover „No surrender“ habe ich als solches zunächst gar nicht erkannt, eine sehr gute Wahl, zumal das keine von den todgenudelten Nummern vom „Boss“ ist. Ein Hammer! Und der dritte Höhepunkt nennt sich „Bloodlines“, Ohrwurmgarantie. Insgesamt das erwartet starke Album #5. Sir Paulchen


MIDNIGHT TATTOO – „Trouble bound“ LP/CD (Contra Records)
Da muss ich ausnahmsweise mal Kollege und Mitstreiter Paradise widersprechen: Das Debut der Belgier ist derart simpel gestrickt, dass es in Teilen schon stumpf wirkt. Das Drama beginnt im Grunde mit dem Cover – die drei Musikanten comicartig abgebildet als „gefährliche Troublemaker“. Leider sehen sie aber eher aus wie ein paar Schiffschaukelbremser vom Rummelplatz, gezeichnet vom Volkshochschulkurs „Cartoons für Anfänger“ in Wurzen.
Der erste Song eröffnet mit einem bei EXPLOITED geklauten Basslauf, danach gibt’s eintönigen bis langweiligen Oi!-Punk. Der Drummer scheint kein Meister seines Fachs zu sein, sein limitiertes Spiel klingt allzu oft nach „Uffta-Uffta“ – Einheitsbrei. Währenddessen zupfen Klampfe und Bass zumeist parallel dieselben Akkorde, was der Abwechslung auch nicht eben zuträglich ist. Dass sie es aber mit gutem Willen dann DOCH können beweist „I’ve got your back“, eine passable Midtempo-Nummer, die hier wirklich herausragt. Dann aber wird das Tempo wieder forciert und die oben beschriebenen „Probleme“ greifen erneut. Nichts gegen schlicht und simpel, wir sind hier nicht beim Prog-Rock-Magazin „Eclipsed“, aber ein paar gute Ideen und etwas kompositorische Finesse dürfen es schon sein. Ein zweiter brauchbarer Song ist „Homeward bound“ und auffälligerweise sind ihre besten Momente immer die langsameren Stücke. Davon allerdings gibt’s hier leider nur deren zwei.
„Trouble bound“ ist natürlich keine Vollkatastrophe, wird aber gegen die vielen Könner dieser unserer Zeit nicht anstinken können.
So leid es mir tut: Die schwächste Contra-Produktion seit Ewigkeiten! Die haben Hechti wahrscheinlich mit belgischem Kirschbier gefügig gemacht, anders ist das nicht zu erklären (vermutlich schon vor 5 Jahren, denn da erschien ebenfalls bei Contra die erste Single des Trios aus Antwerpen).
Im Frühjahr sah ich die mitternächtlichen Hautbilder bei einem kleinen Festival in einem niederländischen Kaff namens Ede, da haben sie im Wesentlichen die geschilderten Eindrücke auch live bestätigt. Sir Paulchen


DRINKING SQUAD – „Destination unknown“ (Eigenproduktion, Vertrieb über Contra)
Der Name hört sich an, als sei hier eine rauf- und sauflustige Folk-Punk-Truppe unterwegs, in Realita sind’s aber vier Jungs aus dem Schwarzwald, die Streetpunk der höheren Drehzahl anbieten und das auch schon seit 6 Jahren. Das Cover verbreitet zwar eine beklemmend-düstere Atmosphäre, die Songs aber sind trotz der durchaus pessimistischen Lyrik flott und lebensbejahend. Was dem Album ein bisschen fehlt sind ein paar Höhepunkte, so Ausreißer nach oben, qualitativ. So läuft die Langspielplatte genehm durch, verbleibt aber nicht wirklich im Langzeitgedächtnis. Als würde die Band live ihr komplettes Programm durchhecheln, das Publikum verlangt nach mehr, der Sänger fragt ins Auditorium welcher Song denn wohl noch ein zweites mal gespielt werden soll und den Leuten fällt keiner ein. So oder so ähnlich geht es einem, wenn man die an sich wirklich gute LP vom Plattenteller nimmt. Dabei haben die eine eigene Note im dicht besetzten Konkurrenzfeld. Aber dass drei der vier Musikanten auch bei THE LADS aktiv sind lässt sich beim besten Willen nicht heraushören, das ist eine absolut andere Baustelle. Kein Oi! hier. Eine 500er Auflage für ein Debutalbum einer Band, die noch kaum einer kennt und die vermutlich nicht dauernd unterwegs sein wird um ihr Liedgut zu verbreiten halte ich in Zeiten wie diesen für ziemlich gewagt – aber wer wagt gewinnt. Vielleicht. Sir Paulchen


CRAP – „Nowhere trip“ LP/CD  (Guns of Brixton Records / Contra Records)
Spanien liegt ja derzeit ziemlich vorne, wenn es um neue brauchbare Punk- bzw. Oi! – Acts geht. Da bietet es sich an mit dortigen Labels zusammenzuarbeiten und aktuelle Newcomer von der iberischen Halbinsel in Form von Kooperationen zu featuren. Dachten sich auch Contra und fügten im Duett mit Guns of Brixton Records ein recht frisches Quartett namens CRAP aus dem Baskenland in ihr Label-Portfolio ein. Die sind ziemlich genau zwischen klassischem (77er-)Punkrock und Streetpunk unterwegs und damit auch ganz brauchbar und gefällig, wirken aber durchaus auch konventionell und viel berichtenswertes passiert auch nicht auf „Nowhere trip“, so dass diese Besprechung ebenso kurz ausfällt, wie die Spielzeit der LP. Solides Mittelmaß.
P.S.: Die Coverrückseite mit den RAMONES-Badges auf dem Lederjackenrevers suggeriert eine gewisse „inhaltliche“ Nähe zu eben jenen leider Verblichenen, die aber ist nur marginal vorhanden. Sir Paulchen


THE DOMINGOES – „Unity“ „7“ (Grover Records)
Hier kommt die Debut – “7” einer VALKYRIANS – Ableger-Band gemeinsam mit Leuten von CAPITAL BEAT, einer anderen finnischen Ska-Band unserer Tage. Würde man es nicht wissen, man hätte es am immer leicht knarzig wirkenden Gesang des Vorturners Angster sofort erkannt. Wo aber liegt nun der Unterschied zum „Mutterschiff“? Gute Frage! Und kaum zu beantworten: Es gibt ihn eigentlich nicht … . Vielleicht liegt der Fokus bei den DOMINGOES etwas mehr auf Rocksteady, denn die drei Tracks wirken etwas getragener als das VALKYRIANS – Material. Aber die Zielgruppe ist selbstredend identisch. Das „John Jones“ – Cover (im Original von RUDY MILLS aus dem Jahr 1968, geschrieben von DERRICK HARRIOTT) weiß zu gefallen, insgesamt aber bleibt der Sinn dieses Nebenprojekts für uns Außenstehende ein wenig im Unklaren. Sir Paulchen


THE DOWNSETTERS – “Chainsaw lullabies” CD (Grover Records)
Die könntest Du kennen von ihrer Split-LP mit den von uns hochverehrten 8°6 CREW aus dem letzten Jahr. Ansonsten gibt’s die Truppe aus Ipswich schon satte 10 Jahre und sie haben lt. ihrer Homepage schon einiges auf dem Kerbholz. Das scheint aber bislang weitgehend hier noch nicht durchgedrungen zu sein. Der Sound verschmelzt Ska-, Reggae- und 2Tone – Elemente und hat vielleicht auch aufgrund des Gesangs und der bisweilen leicht entrückt wirkenden Bläser / Harmonika dieses Feeling, das die zweite SPECIALS LP damals verströmte … . Tradition und Moderne liegen da nahe beieinander, Dub klingt hier und da an und zum guten Schluss geht’s bei „Chainsaw Lullabies“ ziemlich „punkig“ zu.
Sehr vielschichtig also, die spielen mit ihren Einflüssen und sorgen damit durchaus für angenehme Irritationen, von „Schlafliedern“ (lullaby = Schlaflied) allerdings kann man nun wirklich nicht sprechen.
Die zombiehaften Gestalten des Coverartworks lassen irgendwie etwas anderes erwarten. Eine ungewöhnliche weil nicht einfach zu berechnende Band. Sir Paulchen


MIDNIGHT TATTOO „Trouble bound“ LP/CD
British Way of Booze & glory! Belgian made. Trotz belgischer Herkunft haben sich MIDNIGHT TATTOO aus Antwerpen über die Jahre einen Stammplatz am UK Singalong Oi!/Street Rock-Stammtisch gesichert. Neben Genre-Größen wie (späte) SECTION 5, THE WARRIORS & CO, musikalischer Old Boys-Club der schweren Sorte. Baustelle: Trinkfester Midtempo Oi! mit ganz viel Singalongs, reichlich Melodie und ordentlich ROCK im Beutel. Es rockt und rollt, solide und bodenständig, Überraschungen bleiben aus. Man hat als Zielgruppe sofort den britischen Ü 50-Glatzkopf in Blick und Sinn: Feiste Nacken, rote Gesichter, Biermöpse und glasige, aber glückliche Äuglein. Come on, mate! Ab und an wird ein mehrstöckiger Whiskey zum nachspülen geordert, dann kommt zusätzlich etwas Celtic Flavor ins Spiel, dem Ship to Boston wird nachgewunken (entspannt vom Barhocker aus), no hurry. 11 handfeste Songs ohne Ausreißer.


RECKLESS UPSTARTS „Glory“ 7“ EP
"The Reckless Upstarts playing a mix of honest, working-class street punk and anti-fascist Oi!" Kann man so stehen lassen, zumindest die ideologische Einstellung der kanadischen Youngster ist damit geklärt. Musikalisch gibt man sich überraschend gesetzt, die New Breed läßt Biss vermissen und setzt stattdessen auf alte Standards mit Gewähr: Midtempo-Beat und bewährte Singalongs. Fazit: Die vier Songs auf „Glory“ wirken ab und an leicht nüchtern, etwas Pfeffer aka Aggro-Feeling hätte hier nicht unbedingt geschadet. Geht auf 7“ Länge auch durchaus in Ordnung, als Longplayer sollte nachgewürzt werden. Die politische Schärfe auch musikalisch umsetzen, Genossen. Sonst findet die Revolution im Pub oder auf der Couch statt.


SUBHUMANS: Crisis.Point (Pirate´s Press)
Die Opposition zum gegenwärtigen Weltgeschehen ist wieder zurück. Ganz nahe am Puls der Zeit, drücken die Engländer bei keinem Missstand das wachsame Auge zu. SUBHUMANS schießen auf dem Album wieder einige Giftpfeile in Richtung System. Die bekannte Rezeptur: schneidige Gitarren, lästig-gute rasante Beats und die Stimmbänder von Dick Lucas bewähren sich bereits seit Jahrzehnten. Die elf Songs scheppern von Anfang an konstant durch – keine Ruhephasen. Mit „Punk Machine“ zeigen sie sich von ihrer melodiösen Seite. Die Scheibe lebt von dem, was die Band in ihren Einzelteilen immer gut hingebracht hat – direkte Messages und die dazu passende Sound-Kulisse. Der Abschluss-Track „Thought Is Free“ ist noch einmal ein würdiger Ohrwurm. Immer noch starke Aushängeschilder für die Anarcho-Punk-Ecke!!! Zeitlos gut im Studio konserviert – SUBHUMANS klingen in jeder Dekade gleich, das schätze ich an ihnen!

 


HARDWAX:  “This is the sound” LP (REBELLION)
“Welcome To Bovver Rock City”! Zweiter Longplayer der UK Bovver-Skins um Tom (ARCH RIVALS/HOSTILE CLASS), hier mit Matt (HOSTILE CLASS) im Team unterwegs. HARDWAX sind ebenfalls im bekannten Modus verblieben, der „Diamond in the rough“ wurde nicht geglättet: 10x rough’n’ready TEMPLARS-Stahlkappen Beat mit 70’s PubRock/Glam Finish. Authentisch und gekonnt fabrziert, inkl. gefälliger Orgel und dezenten Bläsern.

 


CROWN COURT: Mad in England 7“ (REBELLION)
Neues Material vom ex-NBT, das britische Oi! Krongericht schlägt wieder an. Die drei Songs könnten ganz locker Outtakes vom „Capital offense“ Album sein, trotz Umbau im Line-up identisch in Bauart und Laufleistung: Schroffer Aggro Bootboy-Sound mit zackigem CHISWICK-Shuffle als Abfederung. Grimmig-angepisst und fies griffig, London Hard-nosed „Ruck’n’Roll“. Manko: Viel zu kurz. Dieser Sound macht verdammt süchtig, ein zweites Album muß folgen.

 


THE RE-VOLTS: Leeches (Pirates Press Records)
RocknRoll mit starker Punk-Verwurzelung aus San Francisco. Kein Wunder, verstecken sich hinter dem Namen doch ein paar fähige Persönlichkeiten, die man von anderen, heiß begehrten Bands kennt. Der Titeltrack hat mich schnell überzeugt: THE WHO mit mehr Punkrotz in den Haaren – die anderen beiden Stücke haben schon auch Power, wobei der letzte Song als erstes dazu beigetragen hat, dass sich auch schnell wieder die Euphorie zurückgezogen hatte. Irgendwie hört man heraus, dass das einfach ein Projekt ist, dass bewusst entstanden ist. Beim ersten Durchlauf ein Hammer, allerdings stellt sich bald Durchschnittsklima ein.

 


NO COLLUSION: STICKING SETS (Serial Bowl Records)
Ausgezeichnet geile Newcomer-Band. Als hätte jemand an der Uhr gedreht. Freunde von STIFF LITTLE FINGERS & Co werden hier dem Orgasmus nahe kommen. Unverfroren hauen die 3 Typen 4 Songs raus, als wäre Punkrock eine neue Bewegung, die es gerade erst ein paar Monate gibt. Schmissig gespielte Songs, das ist kein Retro, das ist Attitüde! Mehr muss man nicht sagen – Regler nach rechts und dem nächsten Richkid lange Ohren ziehen!

 


V/A - THE SPIRIT OF SKA - 30 YEARS PEARL JUBILEE EDITION CD (Pork Pie Records)
Das ist Teil 4 der Samplerreihe mit Off-Beat-Acts aus dem Hause Pork Pie, die Vorgänger gab's jeweils zum 10-, 20- und 25-jährigen Jubiläum. Auffällig, dass einige Kandidaten schon beim ersten Teil von vor 20 Jahren dabei waren, so etwa THE FRITS, SKAOS, BLUEKILLA oder EL BOSSO & THE PING PONGS. Das zeigt zum einen natürlich eine angenehme Beständigkeit, führt aber auch unweigerlich zu der Frage, ob sich die Szene nicht um sich selbst dreht. Fakt jedenfalls ist, dass es heute mit Ausnahme der hier übrigens auch vertretenen VALKYRIANS kaum noch eine Skaband schafft, eine Tour zusammen zu bringen, an einem verregneten Dienstag im Hinterland kommt einfach keiner (mehr). Große Namen wie HOTKNIVES, MR. REVIEW oder die leider auch irgendwie verschollenen UPSESSIONS fehlen bzw. sind nur noch punktuell wahrzunehmen. Und die Riege der Jamaica-Altstars wird auch immer dünner, Gevatter Tod läßt grüßen. Ab und an blitzt Nachwuchs auf, aber davon sind auch viele schnell wieder weg. Vielleicht ist aber auch schon einfach alles gesagt, da noch neue Akzente hereinzubringen ist verdammt knifflig. Und so müssen also erneut die Alten 'ran ... . Naturgemäß ist so eine Zusammenstellung eine objektiv schwer zu beurteilende Sache, machen wir's also nach persönlichem Empfinden und da finde ich den Beitrag von JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION von ihrem demnächst erscheinenden Album sehr ansprechend, für mich hier die auffälligste Mannschaft. Das VALKYRIANS - Stück ist vom "Double arrelled" - Album bekannt, ebenso die Boss-Reggae-Variante vom Evergreen "Immer nur Ska" durch DR. RING DING SKA VAGANZA, hier als "Gimme Nuff Ska". Aber auch weit vorne. Ebenso der THE FRITS - Song, bislang unveröffentlicht. Die Russen von DISTEMPER sind mit einem Stück dabei, das ich wirklich mag, obwohl ich ihren Turbo-Ska sonst nicht gerade zu meinen Favoriten zähle. Die Beiträge von SKAOS (zuviel Raggamuffin), SMILEY & THE UNDERCLASS (irgendwie nicht Fisch, nicht Fleisch) gefallen mir hingegen nicht, ganz schlimm ist der Titel von BLUEKILLA (unangenehm peinlicher Mundart - Sauftext). So ist  halt einmal mehr irgendwie für jeden was dabei, was umgekehrt aber auch bedeutet, dass man nicht die ganz große Lust verspürt, sich das von vorne bis hinten anzuhören. Aber vielleicht schließe ich nur zu sehr von mir auf andere, keine Ahnung. Dürfte wie immer für kleines Geld über den Tresen gehen, so ist's dann auf alle Fälle ok. Sir Paulchen


SUPERSHERIFF: FRISS DEN DRECK (Luziprak Records)
Wiener Kultur in dreckiger Reinstform. Auf die Bassgitarre geschissen, die wird hier auch nicht vermisst. 9 absolute Kracher, die in ihren reduzierten Strukturen eine hammermässige Aufschlagskraft besitzen. Das ist Punk – mit begrenzten Mitteln das Maximum rausholen. Hier wird vieles wettgemacht, was Österreich über die Jahre versäumt hat. Während HardCore Strache nur 3 Trotteln gebraucht hat, braucht es für den Wiener Underground nur 3 erfahrene Mannsbilder, um ordentlich durch die Scheisse zu rühren. Bei SUPERSHERIFF gibt es Überschneidungen mit RAINER STUHLGANG. Da wird jede Häuslfrau emotional. Super Gesang, fiese Riffs…100% erfüllt. Coverzeichnung von Bernie Luther - ganz ganz unbequemes Gesamtpaket! Schon beim ersten Track verlässt jeder Straßenköter den Raum!