Reviews

THE RATCHETS: FIRST LIGHT (Pirates Press)
Die Oberflächlichkeit ist ein Hund – zuerst die Platte als Downloadcode bekommen, nebenbei angehört und gedacht „naja, geht so“. Beim Coversong des 77er-Stampfer „2-4-6- Motorway“ von TOM ROBINSON kurz gedacht, wieso sich THE RATCHETS nicht über seinen anderen Hit „Glad To Be Gay“ drübergetraut haben. Aber sonst ist nicht so viel hängengeblieben. Dann sind ein paar Tage vergangen, ich habe die Aufnahmen auf Vinyl bekommen und war erstmal vom Design angetan. „Gut, nochmal anhören – auf Platte! Und aufmerksamer“ Und plötzlich ist der Funke übergesprungen. Was ich vorher als lahmarschig und kraftlos empfunden habe, hat plötzlich doch ganz anders gewirkt. Die Dynamik von THE CLASH hat bei den Amis deutliche Spuren hinterlassen. Und so ist „First Light“ doch ein sehr griffiges Album, das ich anfangs einfach unterschätzt habe. Entspannungsmusik für wilde Punks in ruhigen Stunden.


MAGNETICS – “Coffee and sugar” LP+CD (Grover Records)
Kombiniert man die Stichwörter “Ska” und “Italien”, so fallen einem in erster Linie Skapunk-Acts wie TALCO, LOS FASTIDIOS oder die OFFENDERS ein, wobei letztere ja inzwischen quasi “eingedeutscht” sind. Weniger bekannt bzw. inzwischen vergessen dürften 3rd-Wave-Ska-Kapellen wie die gutklassigen CASINO ROYAL, die weniger aufregenden SPY EYE oder die ebenfalls nicht gerade herausragenden DOWNTOWNERS sein. Traditionell geprägter Ska ist also im Land des Stiefels nicht ganz oben auf der Agenda … . Was Oliviero Riva jetzt ändern wird. Der Mann hat neben seiner Skapunk-Band SHANDON und seinem Engagement bei dem Soul-Act OLLY RIVA & THE SOUL ROCKETS mit den MAGNETICS ein weiteres Eisen im Feuer, in dem er gekonnt oldschool-Ska mit Lovers-Rock-Spritzern anschwitzt und dabei fröhlich-tanz-kompatible mit entspannten Passagen kombiniert. Perfekt in Szene gesetzt von einer hochprofessionellen Truppe im Hintergrund und gewürzt mit Rivas ziemlich „souligen“ Organ kommt das zweite Album der Italiener schön vintage daher und erinnert an die leider offenbar klammheimlich verblichenen RATANZANAS. Ein bisschen verspielt und getrieben durch die klasse Orgel verpassen sie jedem Song einen ganz eigenen Anstrich, der ebenso fluffig wie facettenreich gestaltet ist, was besonders bei den zwei, drei ruhigeren Songs zum Tragen kommt. Eine höchst brauchbare Waffe gegen Herbst-Tristesse! Der LP liegt die CD als Bonus bei.
Und hier noch ein Aufruf an alle Chelsea’s Choice – Leser da draussen: Falls Ihr jemals mit dem Gedanken spielen solltet eine Band zu gründen, entscheidet Euch bei der Namenswahl um Gottes willen nicht für Namen wie „MAGNETICS“, denn den z.B. gibt’s schon mindestens ein Dutzend mal ….Sir Paulchen


ISOLATED: 25 YEARS STRONG (Steeltown Records)
Nachdem ich mich die letzten Wochen sehr intensiv mit der Band auseinandergesetzt hatte, war ich echt schon neugierig darauf, wie dieser Streich klingen würde. Ich finde die Entwicklung dieser deutschen HC-Band extrem ansprechend. Denn der Grundstein der Band hat sich nicht wahnsinnig geändert und die Weichen ihres heutigen Daseins haben sie sehr früh gestellt. Dafür gebührt ihnen Respekt, denn das ist das, was mich an Hardcore auch fasziniert. Die gehen einfach her und hauen Songs raus, schauen nicht nach links oder rechts. Orientieren sich nicht an irgendwelchen Trends. Das geben zwar auch andere Bands vor zu tun, aber man merkt halt spätestens bei so einem Werk wer die Sache lebt. ISOLATED haben nochmal in ihrer Liederkiste gekramt und präsentieren hier nachhaltig und wütend, dass sich auch auf deutschem Boden eine eigenständige, gesunde Szene entwickelt hat. Nicht geeignet für HC-Dudes, die am Merch-Stand 70 Euro für einen Pullover einer Metalband liegen lassen!


NAPOLEON SOLO: OPEN CHANNEL D (Pork Pie)
Sehr, sehr geil! Buster Bloodvessel von BAD MANNERS hat schon früh erkannt, was in diesen Herren steckt. Ich mag auch ihre Songs aus den 80er Jahren, die Band hat das Herz am rechten Fleck. Sie zeigt dass es selbst im schwarz-weissen Schachbrettmuster viele Facetten gibt, ein sehr abwechslungsreiches Album, das aber in sich harmonisch klingt. NAPOLEON SOLO besitzt Entspanntheit und ist zackig-frech zur gleichen Zeit. Keine militanten Ska-Fuzzis, sondern sie gehen voll aus sich heraus und schaffen so eine anziehende Atmosphäre. Die Nummern auf „Open Channel D.“ laufen wie am Schnürchen, auch wenn es manchmal etwas ruhiger zugeht, ist die Magie stets zu merken. Rude Boy Sound!!!

 


YELLOW CAP: TOO FUCKED TO GO (Pork Pie)
Mein Problem liegt in meiner ständigen Verwechslung zwischen YELLOW CAP und YELLOW UMBRELLA. Aus dem Grund bin ich mir der „schauen wir mal, was wir da hören“-Einstellung auf das Album zugegangen. Zweimal nebenbei gehört und bemerkt, dass die Songs die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich ziehen. Spätestens bei den Passagen, wo sich der Gesang der Ladies ganz charmant aus dem Hinterhalt aufdrängt! Sehr entspannter, eher modern orientierter Ska, mit glaubhaftem Wissen, wo die Wurzeln sind. Und das dann noch aus Deutschland. Kommt anhörbar und angenehm rüber. Eine runde Sache, die mir mit den Studioaufnahmen sehr gut einfährt.

 


HOLLY GOLIGHTLY: DO THE GET ALONG (Damaged Goods)
Holly Golightly! Bezaubernde Audrey Hepburn! Ebenso bezaubernd bezirzt uns Holly Golightly Smith (ihre Eltern haben vermutlich „Frühstück bei Tiffany’s“ nicht nur einmal gesehen…) auf „Do the get along“. Das einstige HEADCOATEES-Girl hat sich über die Jahre beachtlich gemausert. Statt spröder D.I.Y.Garagen-Sperrigkeit geht es im Hause Smith jetzt sehr sanft zu, der Blick gleitet ganz weit über den Teller-Rand. Als Sparte greift hier „Easy Listening“, ein klarer Fall für die ultra-entspannte Cocktail-Stunde in der Lounge. Eine sanfte Brise umschmeichelt die Sinne, die Garagentür ist ganz fest verschlossen, der ex-Mentor Billy Childish komplett vergessen. Holly bewegt sich jetzt mit Jack White und Jim Jarmusch in einem Kosmos, liefert eine Relax-10 auf einer Skala von 1-9. Haucht, lockt, gefällt. Wenn schon „Geklimper“, dann Geklimper von Profis. Wie Holly Golightly. Paradise

 


CRIM: Pare nostre que esteu a l’infern LP/CD (Contra Records u.a.)
Bei den redaktionsintern höchst beliebten Katalanen treffen einmal mehr die wirklich phantastische Reibeisenröhre von Adrià Bertran auf die perfekt austarierten Gitarrenwände, die die Kombo meisterhaft versteht aufzuwerfen. Stilistisch kann man gegenüber den Vorgängern keine wirklich nennenswerten Unterschiede beim Namen nennen, die waren und sind einfach auf verflixt hohem Niveau unterwegs. Ihr gradliniger aber musikalisch sehr ausgefeilter Punkrock (tolle Leadgitarren!) kommt von Herzen, das ist ganz ganz weit von jeglicher Stangenware entfernt. Allen Unkenrufen – auch in meinem persönlichen Umfeld – zum Trotz empfinde ich Katalan als Sprache bestens geeignet für subkulturell gefärbte Musik im Weitesten, auch wenn unsereins logischerweise kein Wort versteht. Dafür liegen die Texte in der englischen Übersetzung vor.  Die Band bezieht ihre Einflüsse, zumindest anhand der auf Photos getragenen Bandshirts, durchaus mindestens indirekt auch aus dem Classic-Rock-Bereich (Thin Lizzy, Nazareth), das macht sich beim Songwriting mittelbar sehr positiv bemerkbar, da ist eine gewisse Leichtigkeit im Spiel und man hat nie den Eindruck, dass hier „just-another-Punkband“ am Werk ist. Tolle Band, tolle Platte! Übrigens eine sehr wertige CD-Digipak-Version, die x-fach aufklappbar daherkommt. Sir Paulchen

 


THE LADS: Counterculture LP (Contra Records)
Die Menschen in Freiburg haben’s gut: Eine wunderschöne Stadt, bestes Klima, top-Bier (Rothaus, Ganter … ), ein mehr als passabler Underdog-Kicker-Club mit einem hochsympathischen Trainer, mit „Flight 13“ einen Spitzen-Plattenladen und bundesweit fast unerreichte drei (!) Oi!-Bands. Neben den längst etablierten GEWOHNHEITSTRINKERN und den gerade aufstrebenden BRUTAL BRAVO schicken sich derzeit THE LADS an, die Republik mit ihren Klängen zu beglücken. Bereits vor zwei Jahren gab’s eine Demo-CD, jetzt aber liegt was Hochoffizielles vor.
Die LADS sind offensichtlich nicht angetreten irgendwelche Schönheitspreise einzuheimsen, einfach konstruierte In-die-Fresse-Hiebe zwischen Oi! und Streetpunk werden auf „Counterculture“ serviert, ein bisschen (gewollt) rumpelig und dabei schön bass-lastig das Ganze. Ein Album, das prima funktioniert mit dem Freundeskreis und sechs Kisten Bier am Freitagabend, keinesfalls aber am Sonntagnachmittag zu Kaffee & Kuchen. Oder anders gesagt: In gewissen Lebenslagen sind THE LADS genau das richtige, in anderen aber ganz und gar nicht.
Der leicht angepisste Unterton spiegelt sich im Übrigen in den Texten wieder, hier sind zornige Männer am Werk. Meine Favoriten sind „Bigwigs and Underlings“ und „Worker Bees“. Live funktioniert das Quartett auf einer kleinen Bühne mit direktem Publikumskontakt todsicher hervorragend (Kneipenhinterzimmer, nicht Festivalbühne mit Photograben … ).
Keine Ahnung, ob es personelle Überschneidungen mit den beiden anderen genannten Freiburg-Bands gibt (Stichwort: „Inzucht“), das lässt sich anhand der nicht vorhandenen Credits schlecht herausfinden … . Das Teil gibt’s nur als LP, das macht auch Sinn! Sir Paulchen

 


OLDFASHIONED IDEAS – Still worth fighting for LP/CD (Contra Records)
Simple kleine Streetpunk-Ohrwürmer, das ist die kurz zusammengefasste Arbeitsbeschreibung für das Schaffen der drei Schweden aus Malmö. Auf diesem ihrem aktuell 5. Album gefällt, dass sie äußerst präzise auf den Punkt kommen, denn trotz des an sich simpel gestrickten Bauplans der Songs (13 an der Zahl) haben sie tatsächlich alle den hohen Wiedererkennungswert, der sich bei solcherlei Sounds nur im Idealfall einstellt – oder einstellen sollte! Hilfreich sind da dezente Saxophon- und Trompeteneinlagen sowie weibliche Unterstützung bei den Refrains. Ihr mit Vorsprung vor anderen Platten ihrer Diskographie ausgereiftestes und ausgefeiltestes Werk, das mich offen gestanden ob seiner Güte durchaus überrascht hat. Ganz sicher kein neues Kapitel im dicken Buch der Musikgeschichte, aber sehr zu empfehlen!
Übrigens finde ich die Fortsetzung der Coverartwork-Reihe mit den recht düster anmutenden Motiven diverser subkulturell orientierten jungen Damen recht charmant. Sir Paulchen

 


DEALER´S CHOICE: TONIGHT (Laketown Records)
Endlich der erste Longplayer vom südtiroler-wienerischen Flagschiff. In der wenigen österreichischen Streetpunkbands, für die man sich nicht bis ans Ende der Welt schämen muss. Ich war bei den Aufnahmen selbst kurz dabei und schon damals zeichnete sich ab, dass das ein fetter Braten wird, der da in einem Untergeschoss aufgenommen wurde. Das ganze Ergebnis jetzt in voller Pracht auf Vinyl, hat schon was! DEALER´S CHOICE machen harten, aber sehr fairen Punk, spielen sehr offensiv und dennoch grenzen sie sich deutlich davon ab, anderen Bands stilistisch in den Arsch zu kriechen. Sehr brachiale Stimme ohne Anabolika-Peinlichkeiten und die Hits wandern durch das ganze Album. Die Songs auf Italienisch haben nochmal eine Spur mehr Kampfgeist. Die LP gibt’s in zwei Versionen, der Sound geht aber nur einen unausweichlichen Pfad. Für Freunde der anständigen Ami-Kaliber empfehle ich DEALER´S CHOICE als regionales Produkt.

 


AUTHORITY ZERO: PERSONA GRATA ( Concrete Jungle)
Ich muss sagen, dass ich mit den Ami-Melody-Punkern nie wirklich warm geworden bin. Die Band ist erfolgreich, hat auf der ganzen Welt viele Fans. Aber mich haben sie nie sonderlich bewegt. Ein Blick ins Booklet bringt zwar lesenswerte Lyrics ans Tageslicht, aber musikalisch haut mich das alles nicht um. Klingt zwar solide und gut gespielt, aber einfach zu austauschbar. Vielleicht fehlt mir der Zugang, aber es gibt Bands in dem Genre, die mich mehr bewegen. Das war auf den früheren Alben so und hat sich mit „Persona Grata“ nicht geändert. So ist das mit der Konsequenz.


JAYA THE CAT/MACSAT: Split (Ring Of Fire Records)
Oha – die Helden aus Amsterdam gehen eine temporäre Beziehung mit MACSAT ein. Und dieses Gefummel ist von Harmonie geprägt. JAYA THE CAT ergänzen sich recht gut mit den Deutschen. Ärgerlich, dass der Spuk nach 4 Songs wieder vorbei ist. Aber eine große Freude, diese Songs hören – RAMONES werden auch durch den Zitruspresse gedrückt. Feine Scheibe für feine Momente!

 


RECURRENT PAIN: A NEW BEGINNING
Tirol ist ein hartes Pflaster, die Berge – felsenfeste Basis für steinige Wege. Klar, dass da nicht unbedingt poppige Riffs entstehen, wenn ein paar Typen eine Band gründen. Dass es die Herren schon seit 2011 gibt, ist eine schmerzliche Erkenntnis. Denn sie waren mir bis dato unbekannt. Dem Design und Bandfoto nach war ich darauf vorbereitet, dass das jetzt kein Ausflug in sonniges Strandfeeling wird. Ziemlich runtergestimmte Gassenhauer, die gleich beim ersten Durchlauf ordentlich einfahren. Mir fallen auf Anhieb Parallelen zu Bands wie SHEER TERROR mit mehr Gelenkigkeit ein. Zum Glück kein Mosh-Ungeheuer, sondern Musik mit Substanz. Harter Tobak, aber gleichzeitig erleichternd. Da wird Dampf abgelassen und das auf positivem Wege.

 


MACSAT: BADABOOM (Ring Of Fire Records)
Wenn man sich die Gästeliste ansieht, stehen zwei Dinge fest: Einerseits haben MACSAT offenbar ein breites Netzwerk zu guten Leuten – denn wer Menschen wir Mark von HUDSON FALCONS genauso ins Studio bittet, wie Siggi von EISENPIMMEL, der kann nicht schlecht sein. Besonders dann, wenn man auch noch jemanden von THE MOVEMENT verpflichtet. Auf der anderen Seite ist das auch der Beweis, dass sich solche Namen sicherlich nicht mit unreflektiertem Ska-Punk Gerümpel herumplagen würden. MACSAT machen eine gelungene Reise durch Offbeat, Rock und Punk. Sie sind alt genug, um nicht dem ADHS-Syndrom zum Opfer zu fallen und nervige Hampelmann-Rhythmen loslassen müssen. Stellenweise auf Deutsch zu singen mag zwar mutig sein, klappt in diesem Fall aber sehr gut. Nach 2-3 Durchläufen überwiegt der positive Eindruck. JIMMY CLIFF hätte bestimmt nichts dagegen gehabt, wenn mal ein anderer Song von ihm gecovert worden wäre. Egal, fähige Band, deren Album jetzt in der kühleren Jahreszeit doch einen bestimmten Heizwert besitzt und gut tut!

 


ALLIANCE: AS THE CITY BURNS 7“ (Rebellion)
Back with a Dampframme! Böse, roh, gewalttätig. Mit solchen Songs hätte man im Mittelalter Stadttore zerschmettert...bulliger Aggro-Bootboy Sound made in Ontario, Canada. Nach dem Demo und der fantastischen „Evil“ 12“ nun der dritte ALLIANCE-Streich. 3 grimmige Hard hitter ohne Pardon, „One law for them“ Cover inklusive: Im Original unerreicht, in der ALLIANCE-Version gern gehört, textlich von erschreckender Zeitlosigkeit. Und die Stadt wird brennen. Paradise

 


SUEDEHEAD: CONSTANT FRANTIC MOTION (Pirates Press Records)
Wer seine Band mit so einem Namen segnet, der hat bestimmt große Pläne. Und die scheinen auch zu funktionieren – SUEDEHEAD vereinen die wichtigsten Elemente, die für den sympathischen London-Flair sorgen. Brit-poppige, soulige Ecken, dezent sichert ein paar Mal die Frechheit des Punkrocks durch. Der ganze Salat wurde dann mit fähigen Musikern und den dazu passenden Referenzen in Form gebracht. Figurbetonter England-Sound in Amerika ansässig. Das hat sogar den Mike Ness schwach gemacht und er hat die Jungs mit auf Tour genommen. Ob das ein Qualitätsmerkmal ist oder nicht, spielt an dieser Stelle keine Rolle. Denn SUEDEHEAD können alleine gehen, sie geben den Beat an. Sehr erfrischende Scheibe für Leute, die mit britischem Indie-Sound liebäugeln. Und Indie ist in diesem Fall wirklich kein Schimpfwort! Sehr starke Zusammenstellung!

 


SPLIT: SABOTAGE/NO HEART (Rebellion Records)
Hier steigen zwei Namen in den Ring, die eine Gemeinsamkeit haben: beide orientieren sie sich wenig an den gegenwärtigen Klischees der rockigen Skinheadlandschaft. SABOTAGE kommen aus Schweden und klingen auch genauso. Der Gesang in Landessprache nervt mich nach dem dritten Song schon etwas. Etwas langatmig, musikalisch aber dennoch ganz interessant, weil schwer kategorisierbar. Sehr rockig, aber nicht peinlich. Melodisch, aber eine Spur zuviel Gejaule am Mikro. Vielleicht braucht es doch etwas mehr Sonnenlicht? NO HEART sind für mich die Gewinner des Kampfes. Hier ist Mike Longshot dabei, der jetzt auch wieder in Kanada lebt – und wie bei so ziemlich jeder Band, wo er die Finger im Spiel bzw. an den Saiten hat, ist ein Highlight garantiert. Das hat Klasse und Stil, Streetrock at it´s best. Schöne Gitarrenläufe, wunderbar einladende Aggro-Stimme, die aber nicht anabolika-geschwängert ist, sondern einfach etwas Soul hat. Da Abstriche, die SABOTAGE leider auf dieser Split machen, gleichen NO HEART ehrlich aus. Darum sollte man in diese Scheibe investieren.

 


THE LADS: COUNTERCULTURE (Contra Records)
Diese Bande ist auf dem Freiburger Polizeirevier noch nicht sehr lange ein Begriff, mit ihrem ersten Streich „Counterculture“ sollten es THE LADS aber in die Liga der Aktenkunde schaffen. Die Behörden schenkten dem Demo wenig Beachtung und spielten das Geschehene als dumme Jugendsünden ab. Ein grober Irrtum, THE LADS haben weiterhin ihr Unwesen getrieben. Um den soundtechnischen Ursprung dieses Quartetts zu ergründen, muss man im großen Buch der Musik schon einige Kapitel zurückblättern. Unter dem Kapitel „Real Streetpunk“ wird man dann fündig – die Songs werden direkt aus der Hüftgegend geschossen. Die Spurensicherung erkennt keine Anzeichen von Perfektionismus, hier waren also Profis am Werk. Englische Texte, altbewährte Songstrukturen und ein bellender Straßenköter am Mikrophon, der durch seinen Gesangsstil für die Stimmung in den Liedern sorgt. Die Collage des Frontcovers ist übrigens in Kooperation mit den Ü70-Ladies des Freiburger Bastel- und Handarbeitsvereins entstanden. So etwas landet gerne in meiner Plattensammlung.

 


V/A FUCK THE TRIBUTES, HERE’S OUR NOIZE-A TRIBUTE TO OXYMORON (Contra)
THE INSANE meets ONE WAY SYSTEM made in Erlangen: Mit dieser Formel entstaubten OXYMORON seit 1992 den altehrwürdigen UK’82 Sound durch ein zeitgemäßes Update, wurden dadurch für die 90er Youngster-Generation global zum Streetpunk-Flagschiff. Während die originalen Haudegen nur als verblasste Nostalgica gespenstergleich durch die Erinnerungen waberten, sorgten OXYMORON speziell durch massive Live-Präsenz für eine Frischblut-Wiederbelebung im Zombieland. Third Generation meets Second Generation.16 Jahre nach der Auflösung nun ein Tribute Sampler, Fourth Generation meets Third Generation: LION’S LAW, DDC, HARD EVIDENCE, ARCH RIVALS, BONECRUSHER, ANGER FLARES, LEGION 76  etc. covern sich durch die OXY-Diskographie. 17 Combos, 17 Songs. Einige OXY-Klassiker erstmals muttersprachlich vorgetragen, ein nettes Wiederhören geschätzter Klänge. Kleines Manko: Sämtliche Kapellen sind aus einer Sparte, die Versionen bleiben dadurch hautnah am Original, lediglich die Stimmlage variiert. Artfremde Interpreten im Line-up, nicht unbedingt ELSTERGLANZ oder Bushido, aber vielleicht die TURBO A.C.’s, MERAUDER oder Danny Diablo, hätten vermutlich für etwas mehr Brisanz gesorgt. So bleibt nur die Feststellung: Die OXYMORON Reissue ist überfällig. Muß kommen. Auf Dauer läßt sich das Volk mit „BAD CO PROJECT spielt Oxy-Songs“ oder Tribute Samplern nicht abspeisen. Und wenn sich Sucker schon selbst covern muß (hier passiert mit „Crazy world“), ist es allerhöchste Eisenbahn. Paradise

 


SUGUS 1995 LP/CD (Monster Zero)
GROSSARTIGES Cartoon-Artwork! Optik-Pflicht mit Höchstnote absolviert. Bei der musikalischen Kür setzt die Combo aus Madrid auf klassische Standard-Tänze: Catchy RAMONES Punk’n’Roll mit SCREECHING WEASEL Melody-Turbo und Feeling Good-Modus. Album # 5 von Pepe Useless und seinen Boys mit 14 blitzsauberen Songs, überwiegend englisch betextet, NO FX-Speedy, hochmelodisch und angenehm zackig. Paradise

 


SATURDAY NIGHT KARAOKE: PROFESSIONAL GOOFBALLS LP/CD (Monster Zero)
LOOKOUT!-Pop Punk aus Indonesien. Da hat der Waschzettel schon recht. Könnte man auch glatt so stehen lassen und das Review an dieser Stelle abbrechen. Fairerweise noch einige weiterführende Details zu Band und Werk. Das Trio aus Bandung wirft auf seinem dritten Longplayer neben einem drolligen Bandnamen auch ordentlich Spielfreude in den Ring. Die üblichen Bubblegum-Verdächtigen sind auf den vorderen Plätzen im Poesie-Album: RAMONES, GROOVIE GHOULIES und diverse MUTANT POP-Artisten. Dazu feinste Female Vox (von einem Herren…), die Tonlage ist hier höher als der Everest. Süß! 12 Songs, in englisch, über „Buzzer  Rejector“ und „Venus  The  Internship  Clown“. Paradise

 


ALARMSIGNAL: ATTAQUE (Aggressive Punkproduktionen)
Die Punkband aus Celle hat überlebt! Manche sagen, die goldenen Zeiten des Deutsch-Punks wären vorbei. Ich denke, dass sich eher nur etwas Veränderung eingeschlichen hat. Die „Nix Gut“-Ära hat nicht so richtig durchgehalten, aber nichts für Ungut. ALARMSIGNAL sind auf Bereitschaft geblieben, hauen mit „Attaque“ ihr zweites Album bei „Aggropunk“ raus – und das ist ein Zeichen von Treffsicherheit. Denn dieses Label verspricht im Moment Qualität im stark abgeholzten D-Punk Dschungel. ALARMSIGNAL haben die rosarote Brille längst abgenommen, stattdessen eine gleichfarbige Sturmhaube übergezogen und behalten die Missstände im In- und Ausland kritisch im Visier. Dass man daneben nicht unbedingt unreflektierte Parolen dreschen bzw. verunglückte Töne durch den Verstärker schleudern muss, beweisen sie mit den 13 Songs. Das Album hat den einen oder anderen Hin-Hörer im Hinterhalt versteckt. Immer wieder fühlt man sich ertappt, dass hier doch so manch eingängiger Song lauert. Die Attacke ist nicht knochenhart, dennoch sollte man sie ernst nehmen. Der mahnende Finger ist bereits auf dem (rosa)roten Knopf platziert.

 


TOPNOVIL: OUT OF ORDER LP/CD (Contra Records)
Auch wenn es die Band vermutlich nicht mehr hören kann: TOPNOVIL sind die Aggro-Version von RANCID. Ganz klar. Na und? RANCID Für große Jungs. RANCID ohne Relax-Effekt. RANCID on Steroids. Und das ist verdammt gut so. Mit Tim & Co. verbindet die Aussies das große Songwriting, die stadiongreifenden Zwei-Meter-Singalongs, die ULTRA-FETTEN Bassläufe und die absolut treffsicheren Melodien. Ansonsten ist man deutlich BÖSER, wuchtiger und rabiater. Schublade auf: RANCID meets „Gotta go“-AGNOSTIC FRONT, „Nadine“ bringt Celtic-Power ins Spiel. 14 Vollgas-Streetpunk-Cracker mit beachtlichem Adrenalin-Überschuß. Paradise

 


V/A DIE GESCHICHTEN VON VOLXSTURM (Sunny Bastards)
Endlich hat dieses Projekt das Licht der Welt erblickt. Dass darin sehr viel Arbeit steckt, erkennt man schon auf den ersten Blick. Alle Beteiligten haben sich ordentlich Mühe gegeben – auch alle Bands, die hier vertreten sind. Insgesamt 25 Kapellen unter einen Hut zu bringen, sie zu motivieren, dass sie einen Song covern – das ist keine schwache Leistung. Und das Niveau der Coversongs ist durchwegs ausgezeichnet, weil es alle einen „etablierten“ Status genießen. Einerseits ihren eigenen Stil hörbar rüberbringen und dennoch die VOLXSTURM-Kante nicht vernachlässigen – so klingen gute Tribute-Sampler. Sauber zusammengestellt und bei vielen Nummern ist der Unterhaltungswert groß. BROILERS glänzen ganz besonders, auch die „nicht-deutschsprachigen“ Kollegen haben toll die Kurve gekratzt, alte Wegbegleiter und neuere Bands halten sich gut die Waage. 2-3 Kapellen fehlen mir irgendwie, aber das wird seine Gründe haben. Beachtenswert finde ich auch, dass jeder Beitrag funktioniert – es gibt viele Tribute-Sampler, wo man die erzwungene Präsenz der vertretenen Bands schon nach 10 Sekunden raus. Nicht nach 25 Jahren VOLXSTURM.

 


THE OLD FIRM CASUALS: s/t (Pirates Press Records)
Diese Scheibe ist mittlerweile vor über 7 Jahren in Erstpressung erschienen. Da sieht man, wieder wie schnell die Zeit vergeht. Ursprünlich auf Oi! The Boat erschienen, war das eines der ersten Lebenszeichen von Lars Frederiksens „new way“. Wobei der so neu gar nicht war – aber genug Leute haben sich darüber das Maul zerrissen. Oder besser – die Finger wund getippt, denn Dampf wird heute ja nur noch auf der Tastatur abgelassen. Egal, OLD FIRM CASUALS sind (selbstverständlich) immer noch am Start und hier wurde die erste 7“ nun als 12“ EP nachgepresst. Die Platte ist mit einem Siebdruck veredelt, was ich persönlich geil finde, dafür wurde dann beim Druck des Frontcovers gespart. Oder nennt man das „Oldschool“? Die 4 Songs, die man hier hören kann, haben mich bereits 2011 überzeugt und tun es immer noch. Lars machte damals schon viele Dinge richtig!

 


BOOZE & GLORY: London Skinhead Crew (Pirates Press Records)
Laut Info wurde der Titeltrack auf Youtube über 10 Millionen mal geklickt. Erschütternd, dass es von diesem Stück Vinyl nur in Summe 1000 Stück als Pressung gibt. Okay, der Song wurde schon in x anderen Varianten aufgelegt, aber dennoch hat Pirates Press da eine hübsche Stanz-Scheibe gemacht. Klassisches Sammlerstück, den Song selbst kann ich mittlerweile nicht mehr hören. Und auch die Ska-Version auf der B-Seite finde ich eher mässig. Aber die Optik passt.

 


CONTINENTAL: Home On The Range (Eternal Sound)
Die Band kannte ich bisher nicht – dass das die aktuelle Band von Rick Barton ist, hat mich aber doch neugierig gemacht. Leider ein Trugschluß. Rick Barton war in den frühen Tagen bei DROPKICK MURPHYS an der Gitarre, davor spielte er auch noch bei den OUTLETS. Beides passable Kapellen, aber was er da mit CONTINENTAL fabriziert, muss man nicht kennen. Kitschiger, rockiger Sound, mit dessen Zielgruppe ich keine Gemeinsamkeiten Pflege. CONTINENTAL würde ich maximal für die Eröffnung einer Tankstelle in einem 300-Seelen-Dörfchen buchen, vielleicht kommen die Gäste dann in Fahrt.

 


THE TURBO AC´S: Radiation (Concrete Jungle Records)
7 Jahre hat es gedauert, bis die TURBO AC´S ein neues Album veröffentlichen. Kevin Cole hat mal erzählt, dass er gerne seine Freundinnen auf den Plattencovers abbildet. Vielleicht ist seine letzte Beziehung im verflixten 7. Jahr zerbrochen und er hatte endlich Nachschub an einem neuen Covermodel? Wir werden es nie erfahren – fest steht, dass die neue Platte unter miesen Umständen entstanden ist, denn Kevin Cole hatte durch den Hurrikan Maria seine Pizzabude auf Puerto Rico verloren. Insofern wundert es mich nicht, dass die Songs beim ersten Mal Durchhören alle etwas „zusammengebastelt“ geklungen haben. Nach einigen Durchläufen hat das Album aber wunderbar gezunden. Bestimmt die bisher abwechslungsreichste Platte, die die Gelhaar-Punks da gemacht haben. Sogar etwas ruhigere, schwungvolle Momente lassen sich entdecken. Kevin Coles Stimme ist zwar sehr im Hintergrund deponiert, aber umso markanter und bösartiger wirkt sie in dieser Position. Giftige-LINK WRAY-geschwängerte Leadgitarren und unter´m Strich dann doch hörbar ein weiteres Produkt aus dem Hause TURBO AC´s. 13 Songs in 30 Minuten, an Tempo haben sie also nicht verloren. Ein bewegtes Stück, das im Vergleich zu den letzten Outputs der Band eben etwas mehr Abwechslung bietet. Das deutet darauf hin, dass die Band sich sehr wohl Gedanken über ihr Dasein macht – für mich immer noch eine hörenswerte Band, deren Drive schwer vergänglich ist!

 


ADOLESCENTS: Cropduster (Concrete Jungle Records)
Tony Cadena ist quasi der Bruce Lee des Punkrocks für viele Bands, die in den 90ern in den USA ihre ersten Gehversuche gemacht haben. Und man hört auch fast 40 Jahre später, dass hier Wegbereiter am Werk sind. Wenn man sich etwas näher mit der Band beschäftigt, dann erzählen die Songs schon sehr bewegte Dinge. ADOLESCENTS bringen die Sonnen- und die Schattenseite von Californien in ihrem Songwriting anstandslos auf den Punkt. Lieder aus dem Leben, wuchtiger California-Punk mit jeder Menge Ecken und Kanten. Schon am Cover ist klar, dass ihnen ihr aktueller Präsident auf dem Sack geht, daraus machen sie keinen Hehl. Cropduster“ haut mich gesamt regelrecht um, die Band sollte wieder viel mehr in die Aufmerksamkeit der Szene kommen. Während andere Punks dieser Generation zur Akkustikgitarre greifen oder Bücher schreiben, ballern die einstigen Kinderhasser 18 Songs aus dem „black hole“, dass es nur so eine Freude ist. Einziger Haken – sie verpacken die Realität in ihren Songs. Schwere Kost, musikalisch unglaublich zugänglich gemacht!

 


THE BAR STOOL PREACHERS: Grazie Governo (Pirates Press)
Und da ist jetzt auch schon der Longplayer, der englischen Band, von der man vermutlich noch viel hören wird. Musikalisch zeigen sie sich von verschiedensten Seiten, auch innerhalb der Songs gibt es Veränderungen, mit denen man so nicht rechnet. Die jungen Herren haben sich mit Songwriting mindestens genauso viel beschäftigt, wie mit der Planung für anstehende Konzerte. Es macht den Anschein, als würden die BAR STOOL PREACHERS mit diesem Album einen Basis schaffen, die sie problemlos über die nächsten Jahre bringt. Von den 13 Songs sind einige Stücke dabei, die durchaus Hit-Potential ohne Ablaufdatum haben. Kategorisieren lässt sich die Band längst nicht mehr. Einfach mal ein offenes Ohr schenken.

 


MONSTER SQUAD: Depression (Pirates Press)
Aha, die gibt es also auch noch. Oder wie? Bleibt zu hoffen, dass der Titel des Albums nicht der Grund dafür ist, warum die Band längere Zeit in der Versenkung war. MONSTER SQUAD zählten vor etwa 10 Jahren zu jenen Bands, die ständig im dezenten Schatten von Bands wie THE CASUALTIES und anderen Nietenkaisern gestanden sind. Den obersten Status haben sie nie erreicht, aber gewiss haben sie bei manchen Irokesen-Damen für feuchte Höschen gesorgt. Das neue Album ist ziemlich zähflüssiger Rotz, aber mit Druck. Es klingt auch ein wenig so, wie es der Titel benennt. Wäre interessant, da mal nachzuhaken. Denn die Songs hinterlassen einen ziemlich drückenden Eindruck. Wie gesagt – mit Druck. Ich bin nicht ganz sicher, wie ich mit dieser Scheibe umgehen soll. Gibt es eigentlich derzeit Hörer für solchen Sound? Der Stil der Coverzeichnung geht mir jedenfalls etwas auf den Sack. Oder bin ich nicht sensibel genug? Für harte Kerle mit kleinen wie großen Problemen, könnte das schon ein angenehmer Soundtrack sein.

 


THE ESTABLISHMENT: Vicious Rumours (Spastic Fantastic, Aggrobeat, Darcy Trash, Underarchievers)
Da haben sich Leute von ANTIDOTE, CITIZIENS PATROL, BEANS und KNOCKDOWN zusammengetan. Wie das klingt? Gar nicht so, wie ich vermutet hätte. Es klingt nach einer amerikanischen Punkband, die einerseits viel Biss hat sich den dafür notwendigen Schliff in düsteren Bereichen holt. Also doch wieder mehr nach Norwegen. Punkrock, wie ich ihn nicht vermutet hätte – man hört fast widersprüchliche Einflüsse heraus, die unterm Strich aber die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich ziehen. Aufregend, sperrig und angepisst. Kalt und warmherzig zugleich. Schwer! Schwer vergleichbar und deswegen wird diese Platte Platz in meinem Regal finden.

 


LANDMINE HEART: No Direction Home/White Line Fever (Aggrobeat)
Yes – absoluter Geheimtipp, diese Band! Und ein großes Lob an Aggrobeat, dass sie soviel Herzblut in die Hülle dieser 7“ gesteckt haben. Schöner Siebdruck mit gutem Rastereffekt. Und selbst wenn die Platte zwischen zwei kopierte Papierbögen gesteckt wäre – der „Inhalt“ hat es faustdick hinter den Ohren. LANDMINE HEART sind ein Garant für echte Musik. Der Sänger ist ein zartes, aber hartes Kaliber. Jedes Bandmitglied erfüllt weit mehr als nur den Zweck. Sehr geile Band, sehr geile Musik. Explosive Fuck You Punk!

 


THE FILAMENTS: Look to the skies (Pirates Press)
Die Engländer lassen sich auch nicht unterkriegen, gut so! Sie bewegen sich stellenweise eifrig auf den Spuren von RANCID, zweigen aber immer wieder rechtzeitig ab, um nicht den Eindruck einer Kopie zu hinterlassen. Das tun sie keineswegs, denn sie haben genug eigenen Einfallsreichtum und klingen sehr selbstbewusst. Man hört ihnen an, dass sie etwas zu sagen haben – sie haben Energie und nur ein paar belanglose Momente auf der Platte. Über die Länge betrachtet, ein mehr als akzeptables Ergebnis. THE FILAMENTS sollte man sich zumindest einmal reingezogen haben und entweder steht man auf sie oder nicht. Ich mag die Band und „Look To The Skies“ ist mit den 10 neuen Songs ein Grund mehr, die Band nicht unter den Tisch zu kehren. Punkrock mit Offbeat-lastigen Ausflügen, kein peinlicher Ska-Punk. Take A Try!

 


AGGRESSIVE: Stick Together (Contra Records)
Der zweite Longplayer der Ruhrpott-Softies wird wahrscheinlich eher selten auf Friedenskonferenzen als Soundtrack fungieren. Mir gefallen die deutsch gesungenen Songs genauso gut, wie die englischen Nummern. Eine gesunde Mischung, die Band hat den Dreh raus und hält das harte Niveau über die komplette Spiellänge. Sehr clever eingesetzte Leadgitarren-Parts, viel Mitgröhl-Parts ohne in peinliche Stadion-Atmosphäre zu kippen. Alles sehr down to earth und dennoch innovativ und ein schöner Beitrag zu deutschen Musikszene. Klingt wie ein Mix aus früheren DISCIPLINE mit weniger Oberarmumfang und weniger Knastaufenthalt, ein wenig nach HARDSELL, SLAPSHOT oder xCROSSCHECKx. Aber auch deutscher Oi Oi-Sound mit klarer Abgrenzung zu Deutschrock und die frischen Melodien gepaart mit dem Druck von Gesang und Rhythmusfraktion machen AGGRESSIVE für mich zu einer ausdrucksstarken, geilen Band!

 


NO CLASS: Painted In A Corner (Contra Records)
Ronny Hecht hat sich die Augen verbinden lassen, hat mit dem Finger auf der Weltkarte seine Kreise gezogen und blind auf Neuseeland getippt. Dann hat er einen Agenten in den Flieger gesetzt, um dort Akquise für ansässige Randgruppen zu betreiben. NO CLASS sind dabei in die Fangarme geraten und wurden in einem geheimen Labor unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler des Contra-Instituts haben schnell herausgefunden, dass diese Gruppe wohl unter Einfluss von australischen Bands wie ROSE TATTOO und frühen englischen Punk/Pubrock-Stämmen massiv traumatisiert wurde. Sie tragen teils schlechte Verzierungen unter der Haut, spielen Chiswick-lastigen Bovver-Punk und zeigen sich gegenüber uniformierten Personen nicht paarungsbereit. Lästige Rivalen bekämpfen sie mit ohrenbetäubenden Geräuschen, rocknrolligen Punk-Nummern und wilden Kampfesparolen. Der Stammesälteste besitzt unglaublich gutes Gesangstalent, sodass diese 77er Gattung auch locker Überlebenschancen in der Neuzeit hat. Contra hat diese erfolgreiche Feldstudie auf Vinyl dokumentiert, mit aussagekräftigem Bildmaterial untermauert und findet damit hoffentlich guten Absatz am Rande der Gesellschaft.

 


THE QUEERS: Punk Rock Confidential Revisited (Monster Zero Records)
Ho, Nachpressung des Hopeless-Klassikers aus den 90ern. Mich würde interessieren, ob es Nachwuchs für Fans solcher Musik gibt. THE QUEERS waren davor auch ein gutes Zugpferd bei Lookout Records, da war die Melody-Punkszene noch sehr amerikanisch geprägt, NOFX und Konsorten sind in der Führungsebene gesessen und Gruppen wie THE QUEERS hatten zumindest gehobene Management-Posten. Und Interessierte sind an THE QUEERS schon damals nicht vorbeigekommen. Der Sound dieser BEACH BOYS-verpunkten Schiene ist natürlich sehr konsequent, aber verlässlich gut. Man hört irgendwie, das die Welt noch mehr in Ordnung war, alles sehr sonnig und die Bikini-Mädels waren noch keine Tattoomodels. Alles war okay – dem Re-Release wurde offensichtlich ein neues Coverdesign verpasst, das sehr gut passt. Obwohl mir die Erstpressung auch gut gefällt. Der Inhalt ist bis auf zwei Bonustracks exakt gleich. USA-Happy-Punk in einer Qualität, die insbesondere eine Nachpressung dieses Albums durchaus gut argumentieren kann.

 


DORKATRON: The Extra Mile (Monster Zero Records)
Dem Namen nach könnte es sich auch um eine Black-Metal-Partie mit Stock im Arsch handeln. Statt einem Stück Holz lassen DORKATRON aber lieber die Sonne und jede Menge Melodien ans Tageslicht. Ob das den Landesvätern von Kärnten gefällt, steht nicht zur Debatte. Mit gutem Draht zu DEE CRACKS lässt sich ein Vergleich zu denjenigen schwer leugnen. Die 6 Songs sind anständig eingespielt, in Summe fehlt mir ein wenig der Leichtsinn. Einem Land wie Österreich schadet diese Band sicherlich nicht. Eine Portion mehr Rüpelhaftigkeit hätte den 6 Tracks für meinen Geschmack nicht geschadet. So ist es ein sehr diszipliniertes, poppiges Punkrock-Dokument geworden, das man schon öfter in ähnlicher Form zu hören bekommen hat.

 


SKA IM TRANSIT: Buch (Edition NoName)
Die langjährige Oi!reka und Skintonic/Skin Up – Redakteurin Emma Steel hat sich daran gemacht, eine Rückschau über die Geschichte des Ska in Deutschland zusammenzustellen, sowohl vor als auch nach der Wende. Dabei liegt ihr Hauptaugenmerk auf den Protagonisten, die die Szene als Bandmitglieder, Veranstalter, Mailorder- oder Label-Betreiber ausmachten. Jeder bekam einen Fragenkatalog, bei dem es sowohl um den eigenen Zugang zur Musik ging, als auch um eine Einschätzung der Entwicklung speziell in unserem Land. Dabei kommen Herrschaften (es sind abgesehen von der Autorin selbst nur Männer) zu Wort, die man erwarten konnte (DR. RING-DING, Ossi von Moskito, Matzge von Pork Pie, Leute von SKAOS, BUSTERS, BRACES .. ), aber auch Mitglieder eher unbekannterer Kapellen wie DIE TORNARDOS oder SKATOON SYNDIKAT. Besonders interessant wird es, wenn die Menschen berichten, die in der damaligen DDR aufgewachsen sind (Leute von MESSER BANZANI, YELLOW UMBRELLA, Michele Baresi … ). Gespickt mit Bildern und Anekdoten ergibt sich so ein recht rundes Bild über eine Zeit, die für die meisten mit 2Tone begann. Der identische Fragenkatalog hat auf der einen Seite den Vorteil der Vergleichbarkeit der Antworten, birgt aber gleichzeitig auch die Gefahr der Vereinheitlichung und Lenkung. Vielleicht hätte da ein bisschen mehr Flexibilität gut getan. Was ich auch ein wenig vermisse ist ein redaktioneller Teil, der die Geschichte des Ska speziell in Deutschland einmal zusammenfasst – denn die ging ja wohl mit den NIGHTHAWKS 1980 los, auch wenn die ziemlich Scheiße waren. Und verlief dann weiter mit SCHWARZ WEISS MAFIA aus Bremen, die nur einmal kurz von Dr. Ring Ding / Richie erwähnt werden. Auch die besondere Bedeutung deutscher Bands im Zuge des 3rd-Wave-Revivals in den Jahren 1988-91 wird nicht explizit gewürdigt. Hier hätten sich vielleicht noch Ansatzpunkte für weitergehende Ausführungen ergeben. Allerdings – und das sei zur Ehrenrettung ausdrücklich erwähnt – gibt es eine kurze (dreiseitige) allgemeine Geschichte des Ska, die die Historie sehr gut zusammenfasst. Und in diesem Zusammenhang wird auch das „Bluebeat“-Phänomen im deutschen Schlager der 60er-Jahre erwähnt, ein hochinteressantes Thema, das man unbedingt mal ausführlicher behandeln sollte. Trotz dieser kleinen Mäkeleien ist das auch optisch schön in Szene gesetzte „Ska im Transit“ eine tolle Dokumentation der hiesigen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten und steckt voller Erinnerungen für die, die dabei waren. Und gleichzeitig ist es spannend zu lesen, wie höchst unterschiedlich die Befragten die Zukunft einschätzen. Sir Paulchen

SKA IM TRANSIT: Buch (Edition NoName)
Sir Paulchen hat das Buch ja schon auf Herz und Nieren geprüft. Ich mag diese Art von Dokumentation sehr gerne. Mich wundert, dass noch nicht schon früher jemand dieses Projekt in Angriff genommen hat. Umso erfreulicher ist es, dass es von 2 Aktivisten aus dieser Ecke stammt und nicht von irgendwelchen hornbebrillten spätberufenen Matrikelmännchen. Die meisten Leute, die zu Wort kommen, sind mir bekannt – gleiches gilt auch für einen Anteil des verwendeten Bildmaterials. Aber es sind auch einige sehr schöne – für mich bis dato unbekannte – Fotos zu sehen. Was mir erst dank dieses Buches auffällt, dass die deutsche Ska-Musiklandschaft schon ein ganz individuelles Gesicht transportiert hat. Viele Bandnamen harmonieren im weitesten Sinne miteinander, da hat man sich wohl bewusst oder unbewusst aneinander orientiert. Und so ist eine Szene entstanden, die hier auf gut 150 Seiten im schönen Layout für die Nachwelt festgehalten wird. Man hätte bei einigen Themen bestimmt noch mehr in die Tiefe gehen können, aber Bücher sollen den Leuten weder das Denken nehmen, noch den Anstoß, sich eingehender mit einem Thema zu beschäftigen. Ein Grundlagenwerk für Schwarz-Weiss Denker, die im deutschsprachigen Duden vergebens nach dem Wort „Ska“ suchen.

 


JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION: This Is Ska (Pork Pie)
Die diesjährige Festivalhymne zur gleichnamigen Veranstaltung in Rosslau kommt aus Köln! Und ist zum Glück keine Coverversion des aus meiner Sicht kreuzlangweiligen BAD MANNERS-Songs gleichen Namens. Gesungen von Johnny handelt es sich um einen Tune irgendwo im Spannungsfeld zwischen Ska und BossReggae. Die B-Seite ist eigentlich sogar spannender geraten, denn „Oi Oi Oi“ hat erwartungsgemäß nichts mit dem überstrapazierten Skinhead-Schlachtruf zu tun, sondern dreht sich vielmehr um die schlüpfrigen Phantasien einer jungen Dame (soweit man das versteht). Was mit voller Absicht auch in Bezug auf Rhythmus, Melodieführung und Phrasierung an einen leider verblichenen großen Künstler erinnert, der mit ähnlich gelagerten Themen im Ska/Reggae unterwegs war und den ich sehr verehre. Dieses Stück singt selbstverständlich Organistin Chrissy. Nette Single! Sir Paulchen

JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION: This Is Ska (Pork Pie)
Auch ich hoffte darauf, dass es sich nicht um ein Cover des COCKNEY REJECTS-Songs auf der B-Seite handelt. Aber JOHNNY und seine FOUNDATION hat zum Glück mehr Einfallsreichtum als Ideenarmut. Sehr schöne Single, bei beiden Songs kommt die Orgel gut zur Geltung. Der Titeltrack eignet sich perfekt als Untermaltung bei ein paar Drinks. Allerdings sollte man auf Ex trinken, denn die Nummer ist recht abrupt zu Ende und könnte für mein Gespür noch 30 Sekunden länger dauern. „Oi Oi Oi“ auf der B-Seite hat Charme in jeder Hinsicht. Für mich fast der Gewinner dieser 7“ – Stimme und Stimmung in diesem Song passen wunderbar!

 


PLEASURE TRAP: All-Nighter LP (Contra Records)
Trotzdem es eines unserer Nachbarländer ist, wissen wir verhältnismässig wenig über die polnische Szene. Bekanntere Bands von dort wie POLSKA, REZYSTENCJA oder RAMZES & THE HOOLIGANS zeichnen sich tendenziell im Mittel durch einen eher schroffen Sound aus, vielleicht auch bedingt durch die für unsere Ohren recht hart klingende Sprache. PLEASURE TRAP sind da ganz anders unterwegs: Mal abgesehen davon, dass sie die englische Sprache benutzen, haben sie sich einer offenen Herangehensweise verschrieben. Das macht die Beschreibung nicht eben leicht: Anteile von Punk, Powerpop/Modpunk, Ska/Reggae, hier und da auch Skapunk … . Vielleicht entfernt vergleichbar mit den CLASH zu „London Calling“ – Zeiten. Mit viel spielerischer Leichtigkeit zelebrieren die drei Warschauer eine gewisse Vielfalt inklusive Orgel und Bläser, kommen dabei aber durchaus zum Punkt. Für eine Band, die ihre Wurzeln sowohl in der Punk-, als auch in der Skinheadszene verortet, ist der Sound auf „All-Nighter“ wirklich ungewöhnlich. Politisch scheint sich Polen aktuell rückwärts zu orientieren, PLEASURE TRAP hingegen beschreiten eher offene und freigeistige Wege. Aber wie gesagt: Genau deshalb auch nicht einfach zu definieren. Anspieltipp: „Sometimes“, erstaunlicherweise das letzte Stück auf der LP. Schönes Gatefold-Sleeve übrigens, bei der man nicht wie gewohnt die Platte rechts herauszieht, sondern innen links (wie früher bei Alben aus den 70ern). Sir Paulchen

 


SMART ATTITUDE: "Punkrockmolotowcocktail" EP (Steeltown Records / Contra Records)
Schön, dass es die noch gibt. Der wie gewohnt gitarrenmässig leicht schrammelige Punkrock mit Reminiszenzen Richtung Oi! kommt mal direkt als fieser Uppercut direkt in den Magen (das Titelstück), dann wieder eher geschmeidig/fluffiig (wie bei "Like U"). Immer aber schön mit präzise herausgearbeiteten Refrains, die man so schnell nicht wieder loswird, kopfmässig.Inhaltlich bewegt sich das Trio auf subkulturell sicherem Terrain, meidet aber jegliches Peinlichkeitsfettnäpfchen. Sehr chicke 4-Track-EP in rotem Plastik mit Download-Code als Co-Produktion von Steeltown Records und Contra.
Sir Paulchen

 


FACELESS OFFENDERS: We don’t pose EP
Leider liegen die Texte bei diesem 4-Track – Brett nicht dabei, wir hegen nämlich den Verdacht, dass der Hard-hitting-Oi! der Crew nicht so ganz ernst gemeint ist. Vielleicht so in etwa wie bei Hard Skin. Das fängt schon bei dem unterirdischen Cover an, bei dem so manches Detail auf eine Persiflage hindeutet. Auch das „leicht“ parolenhafte Phrasengedresche ist (hoffentlich) nicht wirklich so gemeint. Aber der Sound ist – davon abgesehen – der totale Oi!-Ripper: Vier mächtige Hammer klopfen Dir auf die Glatze und diese Ohrwürmer trägst Du fortan mit Dir durch’s Leben. Wie gesagt, wäre interessant zu erfahren, wie die drauf sind, die EP jedenfalls ist ein 9-Punkte – Reißer. Sehr ulkig: Das Rock-O-Rama Fake-Logo mit der Aufschrift „Ronny-O-Rama“ (Ronny Hecht ist Betreiber von Contra-Records)! Das ist die Art Humor, die ich liebe. Ziemlich sicher, dass FACELESS OFFENDERS auch schwer mit Schalk im Nacken unterwegs sind. Top – US-Oi! Sir Paulchen


CRIM: Sense excuses EP (Contra Records, Pirates Press Records)
Auch die konnten wir unlängst in Essen bewundern: Ein Fest! Denn die Katalanen haben Tonnen von Songs im Portfolio, die die Älteren unter uns erfreulich an LEATHERFACE erinnern. LEATHERFACE? Jawohl, großartige Band aus Sunderland mit ebenso hochmelodischen wie brachialen Songs (was diese „Gitarrenwand“ angeht) und einer Reibeisenröhre, die trotzdem die Melodie zu führen vermag. Neben den beiden grandiosen eigenen Songs adaptiert das Quartett auf der B-Seite ein Stück der aus meiner Sicht chronisch überbewerteten TURBONEGRO („Prince of the rodeo“) und „Watch your back“ von dieser unbekannten englischen Band, deren Name mir partout nicht einfallen will. Sir Paulchen


FAZ WALTZ: Double Decker LP (Contra Records)
Faz La Rocca, seines Zeichens Sänger, Gitarrist, alleiniger Komponist, Texter und Produzent bei FAZ WALTZ hat wieder zur Zeitreise geladen: Mehr 70er geht in 2018 eigentlich kaum! Schwer, die Zutaten beim Glam zu erklären: Rock’N’Roll, Rhythm & Blues, ein Schuss Hardrock und ganz viel Boogie-Stampf – Mitklatsch und –gröhl – Faktor. Oder so ähnlich. Jedenfalls toll, vorausgesetzt man hat ein gewisses Faible für den Sound der 70er. Wenn es um dieses Jahrzehnt geht, denken die meisten von uns unwillkürlich an 1977, die Sex Pistols, die Damned und die Clash…. . In Wahrheit aber waren die 70er , zumindest was die Bedeutung und die Verkaufszahlen anbelangt, die Zeit des Glamrocks, von ABBA und natürlich von Disco. FAZ WALTZ jedenfalls geben auf „Double Decker“ dem Affen erneut Zucker, wer die immer schon mochte wird begeistert sein, alle anderen sollten mal `reinhören, ich finde die ganz, ganz groß! Sir Paulchen


FAZ WALTZ: Julie / I’m bleeding 7“ (Contra Records)
Es ist 19.30 Uhr, wir schreiben irgendeinen Samstag im Juni 1973. Ilja Richter präsentiert im Zweiten Deutschen Fernsehen die „Disco `73“ und nachdem diverse Heulbojen vom Schlage Tony Marshalls ihr Liedgut präsentieren durften und der Showmaster seine müden Sketche darbieten konnte, kommt die neue Sensation aus Italien, die SUZY QUATRO und Co. die Butter vom Brot nimmt, Backfisch-Mädchen kreischen lässt und die pickeligen Jungs sich fragen, wo zum Teufel man solche Schlaghosen herbekommt.Stimmt natürlich nicht, hätte aber sein können. Spätestens seit ich sie live sah (Essen, „Don’t Panic“) habe ich mein Herz an diese Glam-Teenie-Bopper verloren, genauso gut wie GIUDA und besser als SO WHAT. Beide Songs gehören in die Glitter-Stampfrock-Jukebox, die es leider nirgendwo mehr gibt. Sir Paulchen


THE BAR STOOL PREACHERS: Grazie Governo/Warchief/Choose My Friends (Pirates Press Records)
Blut ist dicker als Wasser - auch wenn Labelkopf Eric und Frontmann Tom nur verschwägert sind, wird hier ein enger Familienbann gelebt. Die BAR STOOL PREACHERS haben schon wieder einen neuen Longplayer in der Pipeline und eben dieser wird in Form von den oben angeführten Flexis vorab und gratis beworben. Clevere Strategie, denn spätestens jetzt sollte dem letzten Deppen klar sein, dass die Band um Sohnemann von COCK SPARRER Sänger Colin McFaull noch Größeres vor hat. Und das ist auch absolut in Ordnung, denn die predigenden Barhocker-Jungs ziehen ein sauberes Ding durch. Sie sind schon wieder gewachsen und bauen in ihren Songs viel Spannung auf. Stilistisch ist das sehr schwer in Worte zu fassen, es klingt einfach sehr vereinnahmend, die sind viele Elemente enthalten. Und TJ McFaull macht es ähnlich gerissen wie sein Vater, er trägt die Lieder mit seiner Stimme einfach glaubhaft von Anfang bis zum Schluss. Jetzt schon eine zeitlose Band!