Reviews

RACE RIOT 59: PUNK ROCK GANG (Contra Records/Crowd Control Media)
Ein ziemlich wuchtiger Name, den sich die HC-Punks aus Ohio für ihre Band ausgesucht haben. Aber sehr repräsentativ für das, was sie textlich auch in die Runde schleudern. "Punk Rock Gang" ist eine Zusammenstellung von 3 EPs, die vor 1 oder 2 Jahren nur in digitaler Form veröffentlicht wurden. Die Verbannung des Materials auf Vinyl ist mehr als nur gerechtfertigt, weil die Band ausgesprochen gut ist. 0% Posing-Faktor und 100% Attitüde ist das, was dieser kampfbereiten 5er Bande zu Grunde liegt. Sie definieren ihre Feindbilder deutlich und fabrizieren den passenden Sound dazu. Der Sänger erinnert mich etwas an Choke von SLAPSHOT, die Musik variiert zwischen gehobenem Midtempo mit Singalong-Refrains und schnelleren Punkrock-Songs. Bodenständig und ehrlich produziert, das klingt mehr nach Straße als nach überteuerten Tonstudios und dazugehörigem Nase-hoch-Techniker. Sollte man unterstützen, diese Herrschaften!


THE YOUNG ONES: OUT NOSE IN THEIR BUSINESS (Contra Records)
Die Hoffnung stirbt also doch zuletzt. Ich war zuerst unsicher, ob es wirklich “die” YOUNG ONES sind, die vor einigen Jahren schon einmal in aller Munde waren. Aus den Niederlanden kamen die Debütanten, die schnell als Geheimtipp galten und noch schneller wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Mit dieser 7“ melden sich die Skins zurück – voller Energie, Spielfreude und vier peitschenden Oi!-Smashern, die qualitativ ganz weit oben angesiedelt sind. Frech, reißerisch und textlich ganz im Sinne der Subkultur. Willkommene Rückkehr, hoffentlich bleiben sie uns diesmal länger erhalten!


BONECRUSHER: PORNSTAR/POVERTY 7“ (Contra Records)
Die Freunde aus Orange County haben für mich fast ausschließlich Hits geschrieben, die beiden Nummern auf dieser Scheibe haben sich generell als Kassenschlager beim internationalen Publikum erwiesen. Und der Titel der A-Seite gibt auch eine gesunde Basis für ein anständiges Cover-Design. Gute Sache, BONECRUSHER wieder einmal auf diesem Format zu erleben, neues Material wird hoffentlich bald kommen!


HARDSELL: SUBCULTURE CRIMINALS (Rebellion Records)
Ich hätte mir nicht gedacht, dass von dieser holländischen Band noch einmal was kommt. Die letzte Platte wurde bei „Spirit Of The Streets“ veröffentlicht, die damals noch „Bandworm“ geheissen haben und das ist locker 10 Jahre her. Bei HARDSELL ist alles beim Alten geblieben – das ist auch absolut okay so. Die 12 Songs  sorgen kontinuierlich für Risse in den Mauern und wenn man der Stimme von Sänger Kris vertrauen kann, dann wird in Holland immer noch gerne filterlos geraucht. Spannend finde ich, dass die Band für Amerika mittlerweile ein eigenes Line-Up hat, das diese Platte auch aufgenommen hat. Da ist sogar jemand von den BELTONES dabei, musikalisch merkt man davon aber nichts. Schönes Comeback!


RUDE PRIDE: TAKE IT AS IT COMES (Contra Records/Longshot Music)
Die spanischen Skins sind für mich der persönliche Lichtblick jener Masse, die in den letzten Jahren aus dieser Gegend gekommen ist. Die Szene dort ist sehr lebendig und spuckt immer wieder talentierte Bands aus - viele entpuppen sich manchmal als Eintagsfliegen oder Durchschnitt. Im Falle von RUDE PRIDE kann man wirlich von einer Ausnahme sprechen - schon das erste Album steht bei mir hoch im Kurs. Auf  „Take It As It Comes“ können sie das Level mühelos halten. Sie erinnern mit ihren geschrubbten, melodischen Oi!-Sound stellenweise an frühe PERKELE und machen durch und durch einen ehrlichen Eindruck. Schön eingängig, sehr bemüht und frisch. Bleibt zu hoffen, dass sie diesen Kurs weiterfahren und nicht dem Phänomen des Verfalls zum Opfer fallen und sich kollektiv in irgendeine salonfähigere Richtung verändern.


LARS FREDERIKSEN  & THE BASTARDS: S/T
LARS FREDERIKSEN  & THE BASTARDS: LIVE & LOUD
LARS FREDERIKSEN  & THE BASTARDS: VIKING (Pirates Press)
Das waren noch Zeiten, als Lars von RANCID mit seinen BASTARDS in aller Munde war. In den frühen 2000er Jahren hat er zwei sehr starke Alben rausgeschmissen, ist von der selbsternannten Elite zum einen wegen eines Coversongs in Verruf geraten, zum anderen waren manchen Menschen die Fotos im Inlay einer Platte zu sexistisch. Lars war damals wild unterwegs – so wie man es als Leader einer Punkband sein sollte. Und er hat unter diesem Namen verdammt gute Songs gemacht. Ich wusste nicht, dass Pirates Press den gesamten Back-Katalog noch einmal neu auflegen wird. Erst kürzlich habe ich mal wieder die unerreicht gute „Viking“ LP mal wieder aufgelegt. Sehr gut gefällt mir auch die Live-LP, obwohl ich normal selten ein Freund von solchen Aufnahmen bin. Aber der Sound kommt authentisch, das Cover-Design wurde an alte Releases von Link-Records angelehnt und Lars gibt sich zwischen den Songs als sehr gesprächig. Wer die Originale nicht hat, sollte sich ein Stück Musikgeschichte nachkaufen – klingen heute genauso frisch wie damals. Fast unglaublich, dass diese Scheiben schon rund 15 Jahre alt sind.


THEKENPROMINENZ: WENN WIR DIE LETZTEN SIND…(Spirit Of The Streets)
Die Görlitzer Glatzenband ist kontinuierlich ihren Weg gegangen, hat sich nicht im Kollektiv die Haare wachsen lassen und die Gesichtsgegend mit Vollbärten verziert. Das ist für meinen Geschmack schon einmal ein Sympathiepunkt. Das müsste ca. das dritte oder vierte Album sein und ich muss sagen, dass die 12 Songs in Summe ein rundes Gesamtergebnis abliefern. Ich bin gerade in der 90er-Jahre Oi!-Stimmung und das ist ein guter Soundtrack. Textlich wird das geboten, was unter diesem Banner erwartet wird – aber mir gefällt, dass sie in einer Liga spielen, wo DIY-Spirit, Subkultur und musikalisches Image gut in Einklang kommen. Das bedeutet, dass sich die Herrschaften nicht offensichtlich an den 3-4 gängigen Aushängeschildern der deutschen Oi!-Landschaft bedienen wollen, sondern ihre eigene Suppe kochen. Und wenn der Koch nach seinem Rezept arbeitet, schmeckt´s bekanntlich bekömmlich. Ein paar wenige Stücke tanzen musikalisch etwas aus der Reihe, der „Renee Blues“ ist da besonders zu erwähnen. Finde ich cool, für die älteren Semester hat diese Platte bestimmt Charme, außer man ist sich zu „cool“ dafür. Anspieltipp: „Auf Sand gebaut“, aber gesamt auch ein schönes Scheibchen!


HIJACK BROADCAST: SMALLTOWN PARANOIA (Salt City)
Die Gesichtszüge der Dame auf dem Cover unterstreichen den Titel dieses Albums – wird man in Halle/Saale leicht paranoid? Ich kann es nicht sagen und einen gleichnamigen Song sucht man auf dieser CD vergebens, sodass die Auflösung offen bleibt. Ebenso unerklärlich ist es, warum sich HIJACK BROADCAST als Projekt bezeichnen, denn sie klingen für mich wie eine gut zusammengespielte Band, die sich dem Punkrock verschrieben hat. Und zwar sehr hinterhältigem Punkrock, der schwer kategorisierbar ist. Das macht die Sache schon mal positiv – 10 bretternde Songs, schön abgefuckt, aber nicht kaputt. Englisch wird gesungen, das Trio schrubbt sich unbeeindruckt durch ihr Programm, ohne Gipfel und ohne Täler. Ich mag die Art von Punk, wo nicht zu dick aufgetragen wird. Sie werden wohl nie als Bandname auf einer H&M Kollektion enden. Gratulation!


GRADE 2: BREAK THE ROUTINE (Contra Records)
Die englische New Breed mit dem ersten Longplayer. Newbies hatten früher in der Szene nicht immer einen so freundlichen Empfang genossen, wie dieses Trio. GRADE 2 haben aber von Anfang an gezeigt, dass sie ernsthafte Absichten haben und für anstandsloses Auftreten gesorgt. Über die letzten Jahre wurden sie von der älteren Generation immer wieder an der Hand genommen und haben sich die Platten der Wegbereiter offenbar lange genug angehört, um die passende Basis für ihr eigenes Ding zu finden. Zackiger Oi! Oi! Sound mit  wachsender Selbstsicherheit.„Break The Routine“ ist das Ergebnis von gut gemachten Hausaufgaben, die Songs haben die richtige Länge und fast immer den passenden Pfiff. Selbst ohne Hintergrundwissen zur Band ist das jugendliche Flar von GRADE 2 deutlich zu hören auf diesem Album. Gefällt mir sehr gut, was GRADE 2 da so treiben - Klassenvorstand Hechti kann stolz auf den frischen Jahrgang sein.


KING OF FOOLS: WOULDN´T KNOW ME (Contra Records)
Das ist das zweite Projekt des BOOZE&GLORY Gitarristen Liam, der seinem Haupthaar schon vor einiger Zeit mehr Auslauf gegönnt hat. Dem Cover nach zu urteilen, befürchtete ich ein sentimentales Rockabilly-Gemurkse, das mich wahrscheinlich nervlich belastet hätte. Aber Liam kratzt die Kurve richtig gut, er hat sich für dieses Unterfangen zwar einen Kontrabass geschnappt, bleibt aber dennoch beim Punkrock und unterscheidet sich entsprechend gar nicht so sehr von seiner ursprünglichen Referenz. Er kann wirklich gut singen und diese 3 Songs belehren mich in aller Härte, dass man nicht zu schnell urteilen sollte. Ein gewisser RocknRoll-Einschlag ist merklich vorhanden, aber alles im Rahmen des guten Geschmacks.



COLDSIDE: FUCK YOUR SYSTEM (Strenght Records)
COLDSIDE aus Florida setzt sich au sein paar sympathischen Herren zusammen, die sich voll und ganz dem Hardcore verschrieben haben. Sie wissen, dass das mehr zu bedeuten hat, als Kapuzenpullover und 30 Liter Farbe unter der Haut. Sehr schön eingespielte Songs, stellenweise für meinen Geschmack fast etwas zu sauber. Aber es hält sich noch im Rahmen, die Lieder haben gute Aufschlagskraft, teils altbekannte HC-Riffs, die an die Platzhirsche der Szene erinnern. Kein Wunder, dass sie bei Roger Miret auf dem Label sind…“Fuck Your System“ hätte auch genauso ein Album von AGNOSTIC FRONT sein können, denn die sind bei der Auswahl an Coversongs auch nicht sonderlich kreativ. Bei COLDSIDE wurde SLAPSHOT gecovert, nahe am Original – sonst gibt es nichts Negatives zu berichten!


AKNE KID JOE: Haste nicht gesehen (Kidnap Music)
Menschen, die in den 90ern schon alternative Musik wahrgenommen haben, werden die Parallelen erkennen, die sich hinter dem Bandnamen verstecken. Hoffentlich vergreift sich aufgrund des Coverdesigns einmal ein Volksmusik-Anhänger irrtümlich an dieser Platte, dann lernt er Reinstkultur kennen. AKNE KID JOE machen minimierten Punkrock mit deutschen Texten, vor 15 Jahren wäre das im Sumpf des Deutsch-Punk-Booms wahrscheinlich als „nicht genügend“ gehandelt worden, heute ist weniger wieder mehr. Und auch bei mir punktet dieser reduzierte Sound spätestens auf der B-Seite. Die Frage, wie lange diese Art von Humor und die damit eingehende Interpretation von Punkrock Neugierde erweckt, kann ich im Moment nicht beantworten. Aber in dieser Form kann man durchaus von Hörgenuss sprechen.


STRG Z: S/T (Still Unbeatable Records)
Relativ neue Punkband aus Deutschland, die relativ alten Punkrock für die ganze Welt macht. Ich habe im Vorfeld nur gelesen, dass da jemand von ZACK ZACK dabei ist, da aktivierte sich mein Sensor für Neugierde. Was soll ich sagen? Mittlerweile bestimmt 5 mal gehört, niemals satt geworden. STRG Z zäumen den Gaul von hinten auf – sie machen keinen Gebrauch von irgendwelchen szeneinternen Punkrock-Trends, die sich in den letzten 20 Jahren durchgesetzt haben. Sie spielen klassischen Punkrock, aber so klassisch, dass er schon wieder frisch und neu klingt. Wie das funktioniert? Keine Ahnung, vielleicht weil sie einige ganz leicht wave-lastige RocknRoll Spritzer einbauen. Aber nur sehr unterbewusst und zurückhaltend. Kampfbereite Haltung, ohne peinlich zu sein, hinterfragend ohne den Zeigefinger zu verwenden. Sehr charmant und dennoch rotzfrech. Das ist wirklich gelungen. Ein Album, das so auch problemlos vor 30 Jahren erscheinen hätte können und die Verdächtigen hätten kein Alibi – mit dieser Platte halten sie sich verdammt nahe am Tatort „Punkrock“ auf. Ich muss mir die 7“ besorgen!


LIONHEART: WELCOME TO THE WEST COAST II (BDHW Rec.)
Bay Area Hardcore, das könnten die kleinen Brüder von BLOOD FOR BLOOD sein. Das bedeutet in erster Linie natürlich auch Musik mit Härtegrad “Stahlbeton”, aber mehr Dynamik. Die Songs sind frecher, sie sind nicht so schwerfällig und besitzen dennoch volle Aufschlagskraft. Der erste Song „Cali Stomp“ war mir gleich sehr sympathisch, denn das zeigt, dass die Band eine gewisse Hingabe zu dem Sound pflegen, den sie spielen. Schöne Gang-Vocals, kein großer Schnickschnack. 10 Songs – auf den Punkt gebracht und dann ist wieder Ruhe. Würde es das Album auf Rezept geben, sollte man eventuell Magenschutz dazu einnehmen, denn an der Westküste wird schwer verdauliche Kost serviert.


THE BLOODSTRINGS: BORN SICK (Wolverine Records)
Das norddeutsche Quartett mit ihrem zweiten Album, das schon am Cover verrät, wer die zentrale Rolle in der Band spielt – die Sängerin! Damit hebt sich die Band auch gleich ein wenig von der restlichen Population im Punkabilly-Bereich ab. Völlig unbeirrt spaziert sie mit ihrer verführerischen Stimme durch das Album. Ganz egal, ob die Musik stampfend-schneller Billysound ist oder ob es sich um eine eher schleppende Nummer handelt. Letzteres kommt auf „Born Sick“ immer wieder vor, es scheppert also nicht von Anfang bis Ende durchgehend im Höchsttempo. Man versucht sich auch in der Muttersprache, auch das klappt gut – da haben sich andere Bands dieses Genres schon viel mehr blamiert. Fazit – die Band lebt in erster Linie von der Sängerin, die dem Produkt den nötigen Reiz verleiht. Ansonsten wären THE BLOODSTRINGS eine jener Bands, die einfach mal so ihr Glück versuchen.


JAMIE CLARKE´S PERFECT: HELL HATH NO FURY (Wolverine Records)
Jamie Clarke ging ein paar Jahre durch die Schule der POGUES, das ist eine Referenz, auf die man ruhig etwas stolz sein kann. Zusätzlich dürfte er aber auch ein paar andere Platten in seinem Regal stehen haben. Kaum zum glauben, dass jemand den Bogen vom Folk zum Rocknroll und sogar ansatzweise zum Punk so schön spannen kann. Die versoffene Stimme besitzt mehr als nur Charme und man merkt, dass Jamie Clarke ein geborener Musiker ist. Die Songs klingen einfach nach Herzblut und völlig unverkrampft. Das spiegelt sich hörbar in der hohen Dichte an Hits auf „Hell Hath No Fury“ – sehr mitreissend, animierend und abwechslungsreich. Dennoch kompakt im Abgang. Coole Scheibe, etwas abgelutschtes Coverdesign, aber altbewährt funktioniert einfach am besten. Ein instrumentales Stück ist auch zu hören – noch ein Hinweis, dass hier jemand „Oldschool“ unterwegs ist. Starkes Album, wenn jemand etwas zum Frisches zum Aufpushen sucht!


THE MAHONES: 25 YEARS OF IRISH PUNK (Wolverine Records)
Die trinkfesten Herren aus Kanada sind als Platzhirsche in ihrem Metier bekannt. Ein Platz am Stammtisch jeder Folk-Punk-Runde ist stets für sie reserviert. Wilder als traditionellen Folkbands und somit für die Rebellen der Neuzeit gut geeignet. Sie sind keine Konkurrenz zu den REAL MCKENZIES, denn mit ihnen sind sie schwer vergleichbar. Das zeigt sich auch sehr deutlich bei der Ansammlung dieser 25-Jahres-Scheibe. Sie spielen einen unverkennbaren Mix aus dem Bereich Folk und Punkrock, schwungvoll und konsequent. Ein paar Klischees waren immer ein wichtiger Teil dieses Genres und THE MAHONES besitzen alle Argumente, um auch davon Gebrauch zu machen. Da geht es um Alkohol, da geht es um Whiskey im Speziellen…da verneigt man sich vor Bands wie den STIFF LITTLE FINGERS oder den UNDERTONES. Von beiden Bands wäre vielleicht eine andere Songauswahl etwas kreativer gewesen, aber wie war das noch einmal mit den Klischees? Eine Best-Of Scheibe mit all den bekannten Eckdaten.


V/A SAVING SOULS (Wolverine Records)
Ein Vierteljahrhundert hat Sascha Wolff mit seinem Label schon auf dem Konto – allein dafür muss man ehrlich gratulieren. Ich kenne Wolverine schon seit sehr langer Zeit und finde es immer schon interessant, welche Labelpolitik hier verfolgt wird. Auch wenn die Bands stilistisch etwas variieren, hat Sascha mit seiner Plattenfirma ein stabiles Obdach für viele gute Musik erbaut. Punkrock steht in der Mitte als tragende Mauer, drumherum ein wenig Ska, ein wenig Swing, seine Coversong-Compilations, ein wenig Billysound und auch Folk hat Platz in seinen 4 Wänden gefunden. Also doch recht unterschiedliche Genres, die unter dem Banner „Wolverine“ aber ein zugängliches Gesicht bekommen haben. Dieser Konsequenz und diesem Handeln gebührt eine Menge Respekt – auch wenn mich nicht alle Bands im Detail hinter dem Ofen hervorlocken können, bin ich von dem Engagement und dem Gefühl fasziniert, wie Sascha Wolff sein Wolfsrudel anführt. Da kann man sich schon mal einen zum halbrunden Geburtstag einen Sampler gönnen und die neueren Kandidaten ind er Diskografie zum Tanz aufspielen lassen.


ROADSIDE BOMBS: RISE UP (Pirates Press/Chapter 11 Records)
Neues Album von den Ami-Streetpunks, die aber eher in einer idyllischen Wohngegend ihre Kreise ziehen, als in einem dunklen Viertel mit finsteren Gestalten. Textlich hauen sie stellenweise zwar ordentlich auf den Tisch, aber musikalisch ist das eher weicher Asphalt statt harter Beton. Melodien haben sie ein paar gute auf Lager, aber spätestens auf halber Strecke fehlt mir bei dieser Band einfach der nötige Zund. Selbst nach dem zweiten Anlauf vermisse ich den Kick dieser Scheibe und das „Rise Up“ ist eher ein Fehlstart. Ist mir zu belanglos – zumindest auf Albumlänge. Auf „kleinen Platten“ machte die Band einen Eindruck, der viel, viel besser war. Leider kein besonderes Output.


BACKTRACK: BAD TO MY WORLD (Bridge Nine Records)
Bei BACKTRACK handelt es sich um Nostalgiker – Kapuzenpullover, kurze Hosen, der typische NYHC-Gitarrensound und jede Menge Wut. Textlich wird viel kritisiert und ordentlich Dampf abgelassen. Nicht ohne Grunde hat diese Band jede Menge Jünger um sich geschart und eine treue Gefolgschaft an ihrer Seite. Der Sänger brüllt sich auch auf „Bad To My World“ die Seele aus dem Leib, auch das Coverdesign unterstreicht wieder einmal, dass die 90er Jahre ihre Spuren hinterlassen haben. Im Falle einer Hardcore-Band ist das ein Qualitätsmerkmal, auch wenn auf dem neuen Album ein paar Fetzen gegenwärtiger Eigenschaften dieses Genres mitspielen. Sehr direkte Songs, keine Verschnaufpause – eignet sich wunderbar als Soundtrack beim Sport. Vorausgesetzt, man ist nicht Mitglied im örtlichen Schachverein.


VAL SINESTRA: UNTER DRUCK (Concrete Jungle)
VAL SINESTRA sind aus Deutschland, machen textlich von ihrer Muttersprache Gebrauch und haben einen ganz eigenen Sound auf Lager. Das ist nicht wirklich Punk, sondern viel mehr eine Mischung aus neu interpretiertem Hardcore und RocknRoll. Kritisch sind sie, diese 4 Typen und sie lassen sich nur schwer in eine Schublade packen. In die Texte dürften sie viel Zeit investieren – der Vergleich zu KRAFTKLUB ist für mich nachvollziehbar, das merkt man auch an den spritzigen Gitarrenriffs, aber im Vergleich zu dem Chemnitzer Indie-Rockern werden VAL SINESTRA immer ungemütliche Zeitgenossen bleiben. Das finde ich nicht schlecht!


POPPERKLOPPER: WOLLE WAS KOMME (Aggressive Punkproduktionen)
Zum Glück gibt es für solche Bands seit einigen Jahren mit „Aggressive Punkproduktionen“ auch ein passendes Label – die Bonner Band gibt es schon verdammt lange und ich habe sie immer nur am Rande verfolgt. In der Blütezeit von der Hochzeit des typischen D-Punks zählten sie gewiss zum oberen Drittel. Zwei Drittel der Bands aus dieser Zeit gibt es längst nicht mehr, umso schöner ist es, wenn man auf „Wolle was komme“ hörbar beweist, dass man in Würde älter geworden ist. Älter – aber nicht alt – denn das Trio hat noch jede Menge zu sagen, hat ihren Drive von damals sehr gut ins Jahr 2017 transportiert und so eine gute Platte geschustert. Der Name „Popperklopper“ ist natürlich längst überholt, Popper gibt es schon lange nicht mehr. Aber zum Glück gibt es Bands, die den Bereitschaftsdienst übernehmen, falls doch ein Revival dieser Bewegung in die Gänge kommen sollte. Die deutsch gesungenen Songs auf der Scheibe sind merkbar in der Überzahl, das steht der Band auch viel besser – textlich können sie mit den ganzen neumodischen Studentenpunks problemlos mithalten und den richtigen Zugang zur Musik haben sie sowieso. Dirk von SLIME erweist seinen Respekt in der Rolle des Gastsängers – wenn man bedenkt, dass für die POPPERKLOPPER damit bestimmt ein Jugendtraum in Erfüllung gegangen ist, dann merkt man erst, wie alt Punk mittlerweile wirklich geworden ist. Komme, was wolle – Punk wird es ewig geben.



ÜBERGANG: ZEICHEN DER ZEIT (Demons Run Amok)
Deutscher Trashmetal mit Punk-Attitüde. Die Alben von Bands wie DESTRUCTION und anderen Teutonen-Monstern sind mir wohl bekannt und bei ÜBERGANG haben sich neben solchen Strömungen auch noch einige andere Begebenheiten vermischt. Die Musik ist sehr ungemütlich, infernalisch und keine leichte Kost. Unberechenbare Gitarren, das Schlagzeug brettert dominant durch das ganze Album. Gewiss nicht der Sound, den ich mir jeden Tag reinziehen würde, aber durch den Sänger der Band finde ich dennoch einen ganz guten Zugang zu dem, was ÜBERGANG machen wollen. Hier haben wir es mit einer neuen Band von Sebi/STOMPER 98 zu tun und auch wenn er bei einigen Leuten auf Unverständnis für diesen Schritt gestoßen ist, halte ich ÜBERGANG genau wegen dieser Tatsache für löblich. Hier haben sich Leute zusammengefunden, die genau das machen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Die genau das singen, was ihnen gerade auf der Zunge brennt – abgesehen davon ist es bemerkenswert, in welche Rolle Sebi hier schlüpfen kann. Seine Stimme hat sich bei ÜBERGANG ganz anderes orientiert und passt wunderbar in das Gesamtwerk, das hier in 13 Hammerschlägen runtergespült wird. „Zeichen der Zeit“ hat eine ganz spezielle Atmosphäre…da schimmern einige Klischees aus den 80ern durch, da kommt ein ganz bestimmtes Gefühl auf – viel zu unbequem, um sich in Worten beschreiben zu lassen. Wie ein Unglück, wo man am liebsten wegschauen würde, aber dennoch dran bleibt, weil das doch irgendwie Sinn macht. Mythisch, zeitlose 30 Jahre zu spät und dennoch zur richtigen Zeit am richtigen Ort.


THE TEMPLARS: Deus Vult (Pirates Press)
Ohne große Vorwarnung gibt es nach einem Jahrzehnt wieder ein neues Album von Carl, Phil & Co. Die Zeit in den heiligen Hallen von Templecombe ist stehen geblieben – die Amis besitzen bekanntlich ein spezielles Gespür für Musik, das ihrem eigenen Sound unverkennbar und unvergleichlich gut macht. Carl hat einen individuellen Zugang zu seinen Gitarrenkünsten, dazu die abgebrühte Stimme…die Songs schlängeln sich unverfroren an jeder Brickwall entlang und machen soundmässig Abstecher in so mancher Garage. Wenn eine Band solche Platten zustande bringt, dann besitzt sie Nachhaltigkeit – von Anfang bis Ende ein richtiges Erlebnis, das die Skins aus New York da auftischen. THE TEMPLARS sind umtriebig in Sachen Style und bereichern die subkulturelle Musikszene mit „Deus Vult“ mehr als zehn mittelmässige Bands zusammen – dass sie Ahnung von Musik und Lebensstil haben, beweisen sie hier mit 12 neuen Argumenten. Starke Leistung, Chiswick-Groove meets american Aggro Oi!


THE COMPLICATORS: S/T (Pirates Press)
Diese Band ist in San Francisco beheimatet und existiert offenbar noch nicht sehr lange. Soweit ich das verstehe, ist diese kleine Platte ihr erstes Lebenszeichen. Dafür ist es auch gelungen, aber eine langfristige Prognose lässt sich aktuell noch nicht abgeben. Sie spielen eingängigen Streetpunk, wie viele andere auch – die Songs sind alle eingängig und bemüht, aber große Augen oder feuchte Schenkel erzeugen sie derzeit nicht unbedingt. Vor 15 Jahren wären sie ihrer Zeit weit voraus gewesen, heute gibt es viele Bands dieser Gattung.


MISSSTAND: I CAN`T RELAX IN HINTERLAND (Aggressive Punkproduktionen)
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Kärntner Punkband bisher immer nur am Rande wahrgenommen habe. Das Trio hat aber ordentlich Dampf im Kessel, deutschsprachiger Punkrock hat wieder Relevanz. Ich habe dem Genre in jüngerer Vergangenheit weniger Aufmerksamkeit geschenkt, weil mir viele Bands zu pseudo-intellektuell waren. MISSSTAND gehen völlig entspannt und unverkrampft ans Werk – auf sehr leicht verdauliche Weise. Flotter, melodiöser Punkrock, der aber nicht überproduziert ist, dazu gut verständliche Texte mit nachvollziehbarem Inhalt – das geht in Summe gut ins Ohr und könnte meiner Meinung nach gerne im Kärntner Tourismusführer gepusht werden. MISSSTAND sind eine jener Bands, denen man sofort anhört, dass der Gitarrist auch gleichzeitig Sänger der Band ist, das hat meistens eine ganz eigene Dynamik, die hier deutlich zur Geltung kommt und die Eingängigkeit ganz elegant erzielt wird. Spannende Band, als Bonus gibt es noch das erste Album, das das hohe Potential von „I Can´t Relax in Hinterland“ noch deutlicher macht.


CREEPSHOW: DEATH AT MY DOOR (Concrete Jungle/Stomp Records)
Die kanadische Band hat sich mittlerweile in ihrer Zielgruppe ganz gut etabliert - gibt auch wenige Mängel, für die man diese Formation belangen könnte. Viele Bands hat der Rückgang des großen Punkabilly-Trends Mitte der 2000er Jahre auch nicht übrig gelassen. Die Musiker haben ihre Instrumente im Griff, Sängerin Kenda verleiht einen poppigeren Gesamteindruck, sodass ich die Schublade „Psychobilly“ im herkömmlichen Sinn nicht unbedingt mit dieser Band bestücken würde. Ein solides Album, das bei den Fans gut ankommen wird, textlich ich schwanke ich zwischen Oberfläche und Tiefgang. Im Detail hat die Scheibe viele gute Momente, in Summe überwiegt dann aber doch die Belanglosigkeit, weil in meinen Ohren wenig hängen bleibt.


THIS MEANS WAR: S/T (Pirates Press)
Ganz frische Band aus dem Norden Europas mit nicht ganz zu frischen Leuten. Holland & Co ist für seine gut funktionierende Hardcore-Landschaft bekannt, der geneigte Hörer härterer Töne wird den einen oder anderen Namen im Line-Up nicht zum ersten Mal in seinem Leben hören. THIS MEANS WAR markieren aber auf dieser 10“ nicht die harten Tough Guys, sondern spielen herkömmlichen, standardisierten Streetpunk. Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee, allerdings klingen die 5 Nummern in ihrem Gesamtbild einfach zu viel nach Durchschnitt. Die Luft in diesem Genre ist dünner denn je, THIS MEANS WAR glänzen zwar mit Erfahrung, kompaktem Songwriting – aber das Ergebnis besitzt für mich dann doch kein Alleinstellungsmerkmal, weswegen man die Band nicht unbedingt als Fels in der Brandung in den überfluteten Strassen des Punks bezeichnen kann.


KAISERSCHMOARN: DER ERSTE STREICH (Gulasch Musi Records/UFO Beats)
Endlich die erste offizielle Veröffentlichung von dem Trio aus dem beschaulichen Salzkammergut. KAISERSCHMOARN bieten Kurbehandlung für die Ohren – die 6 Nummern kommen sehr selbstbewusst und kraftvoll, alles mit deutschen Texten verziert und gewiss mehr in der Subkultur verankert als in der Pest des Deutschrocks. Auch gesanglich werden alle Ressourcen verwendet, sodass die Songs alle schön angriffslustig und zackig klingen. KAISERSCHMOARN zaubern ein rundum ansprechendes Erstlingswerk, das mit einem gesunden Maß an Routine besticht. Sehr gelungenes Artwork – eine Band, für die sich Österreich bestimmt nicht schämen muss….beim Durchschnittsbürger aber durchaus Sodbrennen verursachen wird. Immerhin handelt es sich bei Kaiserschmarrn ja um eine traditionelle Süßspeise.


SATURDAYS HEROES: PINEROAD (Lovely Records)
Neues Album der Schweden, die in ihren Anfangstagen noch in einem anderen Genre beheimatet waren und bei Bandworm veröffentlicht haben. Ich habe die Band nicht allzu intensiv verfolgt, aber es macht den Anschein, als hätten sie sich von ihren Wurzeln etwas distanziert. Sowohl Image als auch Label wurde gewechselt, das stimmt mich immer etwas skeptisch. Meist ein Hinweis auf angebliche Weiterentwicklung, was grundsätzlich lobenswert ist. Aber so sind die Helden des Samstags da gelandet, wo viele landen: in einem einheitlichen Brei aus DROPKICK MURPHYS, BRUCE SPRINGSTEEN und allerhand anderen Klassikern aus Amerika. Feinschliff, gedrosseltes Tempo nimmt da etwas den authentischen Touch, was ich schade finde. Denn in diesem Bereich ist die Luft dünn und riecht dennoch nach Langeweile.


PETER & THE TEST TUBE BABIES: THAT SHALLOT (Nuclear Blast/Warner)
Fettes Label-Netzwerk, das sich der stämmige Peter da ausgesucht hat, aber die Engländer sind nicht nur für ihre Labelwechsel bekannt. Sondern auch dafür, dass sie in ihrer langen Laufbahn kaum Fehltritte hingelegt haben. Ich habe alle ihre Alben im Regal stehen und „That Shallot“ ist nur ein weiterer Puzzleteil für ein gelungenes Lebenswerk. P&TTTB haben ihre Rotzigkeit und den Humor stets behalten, verbergen ihre englische Mentalität zu keiner Sekunde und lassen sich noch immer nicht so leicht mit anderen Branchenkollegen vergleichen. Die neuen Songs klingen alle sehr spontan, ein paar musikalische Ausreisser wie „Silicone Beer Gut“ lockern die ohnehin entspannte Stimmung noch einmal auf. Peter Bywaters mag ein alter Sack sein, aber er hat´s immer noch drauf – sowohl den klassischen englischen Punk („None of your fucking business“) als auch die typischen Textinhalte hat man entweder im Blut oder nicht. P&TTTB Platten haben immer eine ganz spezielle Atmosphäre, auch der übliche Gitarrensound wird fortgeführt. Starkes Album – that shallot!


ANTISECT: THE RISING OF THE LIGHTS (Rise Above)
Die englischen Anarcho-Punks wollen es auch noch einmal wissen. Ich finde die allererste Platte von ihnen sehr gut, weil sie mit „In Darkness, There Is No Choice“ einen Klassiker geschaffen haben. Verglichen zu dem Werk, das sie jetzt aktuell vorlegen, liegen allerdings Welten der Dunkelheit. „The Rising Of The Lights“ enthält neun Songs, die allesamt mehr nach kontrolliertem Metal klingen, als nach angriffslustigem Hardcore-Punk. Sehr sperrige Gitarrenriffs, aber wenig von der früheren Attitüde. Einzig die Destruktivität ist geblieben, aber die war in der frühen Phase der Band musikalisch weit verdaulicher verpackt.


THE ADICTS: AND IT WAS SO (Arising Empire/Nuclear Blast/Warner)
Ein neues Album der ADICTS ist immer wie Weihnachten für kleine Kinder. Mit dem Unterschied, dass Monkey ein viel zuverlässigerer Weihnachtsmann ist. Zusammen mit seinen Kollegen bringt er nämlich Geschenke, die keine Wünsche offen lassen. „And it was so“ sorgt selbst in seinen dunklen Augenblicken für gute Laune, die Tracks sind alle sehr eigenständig und zeigen perfekt, wie vielseitig THE ADICTS sein können. Der Gesamteindruck hinterlässt immer Glück und Freude. Egal ob der Flair ihrer frühen Werke nachwirkt oder ihre zurückhaltende, fast überirdische Fähigkeit – das Album fesselt in vielen Momenten. So heben sich gute Bands vom Rest ab – sie funktionieren einfach ganz automatisch, egal ob sie eine „Fucked Up World“ schwungvoll besingen oder mit „You´ll Be The Death Of Me“ eine ganz konträre Seite ihres Daseins zeigen – man hat immer ein „Deja Vu“, dass THE ADICTS immer schon anders waren, als andere Bands. Das klappt auch nach Jahrzehnten und wird hoffentlich so bleiben.