Reviews

SUSAN CADOGAN: The Girl who cried LP+CD (Grover Records)
Die “Grande Dame” des Soulful Reggae / Lovers Rock bzw. Rocksteady müssten eigentlich alle kennen, die sich für diese Spielarten des Reggae erwärmen können. Ihren von Lee Perry produzierten 1973er – Hit „Hurt so good“ hat man definitiv im Ohr und Liebhaber des Trojan Records-Labels horten ihre formidable selbstbetitelte Compilation von 1975 im Plattenschrank. Die Frau hat den Schmelz in der Stimme, ihre Interpretationen gehen unter die Haut und aus der Riege der großen weiblichen Reggae-Stars der 70er ist Mrs. CADOGAN eine der wenigen, die noch aktiv ist. Gründe genug für Grover Records, nach ihren diversen Live-Aktivitäten nunmehr ein neues Album vorzulegen, dass sowohl in Toronto, als auch in Kingston aufgenommen wurde. Die mittlerweile 66-jährige zieht hier alle Register ihres Könnens und präsentiert von Trad-Ska („I don’t wanna play around“, „Take me back“ …) über sanfte Rocksteady-Titel bis hin zu gefühlvollen Lovers-Rock – Nummern („Don’t know why“) ein breites Spektrum an traditionellem jamaikanischen Off-Beat – Sound, der veredelt wird durch ihre ebenso einschmeichelnde wie ausdrucksstarke Stimme. Da werden Erinnerungen wach an phantastische Künstlerinnen wie JOYA LANDIS, HORTENSE ELLIS oder die unsterbliche PHYLLIS DILLON. Hinter denen die CADOGAN sich zu keiner Zeit verstecken muss. Das ganze Album strahlt eine erhabene Schönheit aus, die sehr, sehr selten geworden ist in diesen Zeiten. Einzelne Titel hervorzuheben ist unnötig, wer mit genannten Stilen und Namen etwas anfangen kann wird die Platte ohne jeden Zweifel lieben. Zum Tanzen ebenso wie zum Schwelgen. Das Schönste, was sich seit Ewigkeiten auf meinem Plattenteller drehte. Sir Paulchen


ROGER MIRET: MY RIOT Buch (Iron Pages)
Wurde auch höchste Zeit, dass von der Front der Agnostiker auch einmal aus dem Nähkästchen geplaudert wird. So schwierig die Bedingungen auch waren, in denen Roger Miret aufgewachsen ist - das Leben hat´s offenbar gut mit ihm gemeint. Da kann der Sänger von AGNOSTIC FRONT ruhig Stolz darauf sein, dass sich viele Dinge so entwickelt haben und in dem jeweiligen Moment die positive Wendung, das übersinnliche Glück oder sonstige Zufälle zu seinen Gunsten ausgefallen sind. Sicherlich hätten 80% der Leute schon vor 30 Jahren schlapp gemacht, wenn sie in das Schicksal von Miret hineingepoltert wären. Einige Passagen in dem Buch weisen logischer Weise auch Parallelen mit zur Harley Flanagans Biographie auf - schließlich haben sie den gleichen Dreck von New York der 80er Jahre geschnuppert. Wenn die Rede von „ochsenblutroten“ Boots ist, kann man davon ausgehen, dass der Übersetzer keine Ahnung von dem hat, was der Sänger einer der wichtigsten HC-Bands so erlebt hat. Schön finde ich, dass die Story immer viel Raum für musik- bzw. bandspezifische Details hat, aber Roger Miret auch sehr offen seine private Geschichte erzählt. Kurzweilige Literatur!


THE TERRITORIES: S/T (Pirates Press Records)
Endlich der gesamte Longplayer der Senkrechtstarter aus dem Staaten. Gleich beim ersten Durchhören ist alles klar - hier wurden Melodien investiert und konserviert. Natürlicher und mitreißender Punk-Rock, wie in auch die SWINGIN UTTERS zu ihren besten Zeiten fabriziert haben, allerdings mit mehr Liebäugelei zur Straßenseite des Genres. „Bigger They Come“ hat zum Beispiel einen sehr fesselenden Beat, der Sänger ist eine Wucht und macht seinen Job anstandslos gut. Ich hoffe, dass die Band mit diesem Album viele Leute erreicht. Ein Lichtblick im Meer der mehr schlecht als recht flackernden Lichter. Mehr von solchen Bands, dann erlebt der melodische Punk wieder eine Renaissance!

 


ARMADA: S/T (Comandante Records)
Soweit ich es richtig verstehe, handelt es sich bei dieser Truppe um den Nachfolger, der BLIND PIGS. Das saubere Coverdesign täuscht etwas, denn der Inhalt ist energischer Punkrock in der Muttersprache. Schwungvoll und sehr getrieben. ARMADA verkörpern auf dieser 7“ das sonnige Gemüt der Südamerikaner, das aber auch jederzeit bereit für Konfrontation ist. Herzlich und direkt und ein gutes Gebräu aus „so klingen nur die Bands von da drüben“ und „Punkrock kommt aus dem UK“. Inkl. Oi! Oi!-Rufen, um die Straßentauglichkeit zu festigen!

 


STEP 13/DOGS IN THE FIGHT: SPLIT (Comandante Records)
Die beiden Bands liefern ein kleines, aber feines Tribut an THE BRUISERS. Kein kleinkindisches Fan-Gehabe, sondern in dieser Konstellation gibt es genug direkte Anknüpfungspunkte zum Original. Mir gefallen die Songs aus erster Hand dennoch besser, auch wenn ich die Idee gut finde. Beide Bands haben ihre Qualitäten, keine Frage – schöner Tonträger, der allerdings auch noch jeweils eine Nummer mehr vertragen hätte.

 


ONE VOICE: TRADITION NOT TREND (Sunny Bastards/Comandante Records)
Das ist die neue Band von u.a. Joost, der früher bei EVIL CONDUCT gespielt hatte. ONE VOICE besteht aus 3 Leuten und klingt stellenweise wie eine 6-köpfige Army. Neben dem Bass übernimmt Joost auch den Gesang und hat eine irre gut passende Stimme für den hymnischen Midtempo-Sound. Songs wie „Miners Tale“ oder „Hangover“ zeigen, dass hier Leute mit dem richtigen Gespür für innovative, neue Musik am Werk sind. Nicht der 300ste Plastik-Aggro-Abklatsch eines schnellen Studioprojekts. ONE VOICE klingen britischer als die Briten, melodischer als man vermuten würde und liefern in Summe ein mehr als überzeugendes Debutalbum. Oldschool mit frischen, ganz neuen Momenten, die man aus diesem Genre bisher noch nie zu hören bekommen hat. ONE VOICE wird den festgefahrenen Sektor der Musikszene mit dieser Platte etwas aufwirbeln.

 


THEE HEADCOATS: IN TWEED WE TRUST (Damaged Goods)
Elementar! Das 1996er HEADCOATS-Album (damals in Mono erschienen!) als limitierte Neuauflage. 12 Songs in BOMBAY SAPPHIRE-Blau. Mit allen Billy Childish-Trademarks: Knarziger „Gesang“, verstörende Texte, schroff-aufjaulende Riffs, blecherner Sound. Musikalisch: Ein Lo-fi-Garage Punk-Inferno mit scharfkantigen R’n’B/R’n’R/60’s Beat-Splittern unterfüttert. Schräg wie das Violinenspiel von Holmes himself. Stripped down and elementary. Optisch: Verarmter Englischer Landadel zu Gast in der Baker Street 221 B. Very British, my dear. Fazit: Sehr speziell, sehr einzigartig, sehr HEADCOATS, sehr elementar. Paradise

 


SHEER TERROR: PALL IN THE FAMILY (Rebellion Records)
Nachladung von einer der besten Hardcore-Bands ever! Paul Bearer schluckt viele Bands aus der Ecke, die danach gekommen sind. Sarkasmus, Power und stampfende Beats. Die einen eignen sich ihre Ego in der Muckibude an, SHEER TERROR sind einfach so, wie sie sind. Die 8 neuen Songs zeigen einmal mehr, dass die kleine, stämmige Bulldogge jedem an´s Bein pinkelt. Auf ganz vielseitige Weise, stimmlich zeigt sich Paul Bearer von unterschiedlichen Seiten und alles ergibt Sinn. Vielleicht ist es das polnische Blut, das zu 50% in seinen Adern fließt - ein Naturbursch vor dem Herrn. Unverfälscht, roh und fernab aller Trends. Eine Band für Leute, die Hardcore verstanden haben. Hier wird das 1x1 wiederholt! Die Chancen stehen schlecht, dass "Pall in the Family" der Soundtrack der nächsten Friedenskonferenz wird. Reiht sich wunderbar in das gewohnt-gute Repertoire der New Yorker Panzerburschen ein.

 


EAST END CHAOS: ROBIN HOOD (Steeltown Records/Contra Records)
So chaotisch klingen die ostsächsischen „Kids aus der Nachbarschaft“ gar nicht. Auf der neuen EP sehnen sie sich nach alten Helden wie Robin Hood, hinterfragen die Szene mit ihren Widersprüchen und sprechen Dinge an, über die andere nichtmal nachdenken. All das wird begleitet von stimmungsaufhellendem Straßensound, der die alten Deutschpunk-Helden genauso wenig leugnen muss, wie Oi! Oi! Music mit dem Herz auf dem richtigen Fleck. EAST END CHAOS haben viele Indizien und den Charme von guten (!) 90er Jahre Bands. Robin Hood würde sie fix auf seinem Walkman hören!

 


RENO DIVORCE: FAIRWEATHER FRIENDS (Wolverine)
Alles unverändert bei RENO DIVORCE: Southern California Punk Rock made in Colorado. Der ewige SD-Vergleich greift unverändert, auch auf der neuen LP (Limitierte Vinyl-Zusammenfassung der CD-EP’s „Ship of fools“ und „Fairweather friends“) geht der Blick straff nach links. Mit „California“ und „Surf and turf“ zollen die Denver Boys dem Lifestyle des großen Nachbarn sogar textlich Tribut. Ehre, wem Ehre gebührt. 12 Songs mit starkem Orange County-Songwriting, warm-erdigem Outlaw-on the Road-Feeling, schönen Westcoast-Melodien und griffigen Harmonien. Bonus: „Ship of fools“ und „Fell in love once“ sind zwei der besten SD-Nummern, welche SD nicht geschrieben hat. Und wohl auch nicht mehr schreiben wird. Paradise


V8 WANKERS: THATS MY PIECE (Streetjustice Records)
Ewig nicht mehr angehört, nach derartiger Abstinenz geht die Scheibe gut in die Ohren. Wieso sie den Produzenten namentlich auf dem Cover erwähnen, erschließt sich mir nicht so wirklich. Denn in punkto Echtheit und Geradlinigkeit sollte man das Zertifikat zehnmal vorher den Offenbachern in die tätowierten Hände geben. Wie immer klingen sie teuflisch nach Amerika, raw und rockig! Den Punkrock ständig im Nacken liefern sie ein ölverschmiertes Konstrukt aus allerhand Epochen. Pluspunkt allein dafür, dass sie diese 12“ (inkl. Bonus-Cd) auf einem greifbaren Szenelabel veröffentlichen. Harter Punk, Motoren-Rock. Outsider-Sound, der einige Klischees bedient und dennoch echt klingt!

 


DOGS IN THE FIGHT: EVER FORWARD (Comandante Records)
Gleichermaßen unbekannte wie starke Ami-Band, die einen schönen Querschnitt an Musik liefert, die man aus den Staaten kennt. Alles was hart ist, Wucht hat und in den letzten 30 Jahren an Substanz geliefert hat – das beschreibt den Sound von den Kampfhunden ganz gut. Ziemliche abgefuckte Leadgitarre, aufrechter Chorgesang und dreckige Riffs, die immer wieder schöne Melodien durchsickern lassen. Erinnern mich stellenweise an NIBLICK HENBANE – das sollte Kompliment genug sein.

 


STEP 13: POLICE STATE (Comandante Records)
Hinter STEP 13 verstecken sich 2 Leute, die man auch von THE BRUISERS kennt. Alte Hasen haben das Steuer also fest in der Hand – und wenn die nicht wissen, wie handgemachte Musik zu klingen hat, dann wäre guter Rat teuer. Die Band ist in New Hampshire beheimatet, klingt wie eine Doppelschicht einer Holzhacker-Crew. Stur und offensiv rattern sie durch das Material, als hätten wir 1985 und die Szene befindet sich immer noch im Aufbruch.

 


AGAINST YOU: EN LAS CALLAS DE TU CIUDAD (Tough Ain’t Enough/Streetjustice)
Schon etwas älteres Release, dennoch zeigt das Coverbild eine gewisse zeitlose Gattung dieser Band an. Anti-Banken-Punk aus Spanien, der ruhig auch einmal durch die Puffs von Barcelona tönen könnte. Einzig die Reihenfolge der Songs hätten sie nochmal überlegen sollen, denn auf der A-Seite wird der Überhit gleich zu Beginn verpulvert. Der Rest kommt mehr schlecht als recht an den Opener heran, zum Glück gibt es auf der Seite B dann noch potentielle Hits mit starken Momenten. Schlachterprobte Chöre und der spanische Gesang nervt mich überraschenderweise auch über die Länge der 8 Songs nicht. Eine Rarität. AGAINST YOU sind bemüht, Punk und Rock in einer gesunden Mischung zu spielen. Das alles in einem Tempobereich, der sich schwer beschreiben lässt. Besser selbst anhören!

 


SCORBUT: PROTOTYP MENSCH (Streetjustice Records)
Warum die immer mit TROOPERS verglichen werden?! Maximal weil die Namen der Songs unter Umständen auch von den TROOPERS stammen könnten. SCORBUT hinterlassen bei mir eine ganz andere Dynamik und klingen viel mehr wie ein rockiges Trash-Pendant zu VOLXSTURM gemixt mit COR. Fast majestätisch schippert die Stimme durch die ausgellügelten Songs. Schön punkig proudziert und nicht so überladen wie andere Bands in diesem Genre. Aber wozu der Kalender auf der Rückseite des Inlays? Sind die Tage wirklich schon gezählt?

 


SLAPSHOT: GREATEST HITS, SLASHES AND CROSSCHECKS (Streetjustice Records)
Fettes Re-Release voller Old Tyme Hardcore-Krachern. Ein essentielles Nachhilfewerk für HC-Dudes auf der verzweifelten Suche nach Originalität. Fett aufgemacht und damit passend zum Sound, den Choke & seine Kumpanen zu einer Institution der Bewegung gemacht haben. Wegweisend und provokant zur selben Zeit – nichts ist perfekt im echten Leben, denn es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß. SLAPSHOT lieben es, auf ihrem wütenden Anti-Standpunkt zu pochen – immer eine Portion Salz griffbereit, um die Wunden der Heulsusen zu füttern. Feines Album im Klappcover, mit EP – kompaktes Tool, um ein paar Leuten die Meinung zu geigen!

 


LOS CINCO FELICES CUATRO: TO ELEVEN (Wolverine)
Ahora! Ganz famoses Quintett aus La Habana, Cuba mit einem fulminanten Flamenco/Rumba/Merenge-Mix. Könnte man denken. Aber hinter LOS CINCO FELICES CUATRO stecken nicht Jorge, Esposito, Carlos i Amigos, sondern Theke (vocals), Tim (lead guitar, vocals), Klöte (rhythm guitar), Mitch (bass), Henno (drums). Man kommt aus dem Münsterland. Statt Latino-Swing gibt es arschtretenden Schweine Punk Rock auf Gasoline Basis. Voll auf die elf. Die Route 66 führt auf 13 Songs ausnahmsweise durch Gronau, LOS CINCO FELICES CUATRO brettern gekonnt im tiefergelegten Windschatten von V 8 WANKERS, PETER PAN SPEED ROCK, RENO DIVORCE, THE BONES etc. über die Piste. Bourbon Style-Punk Rock mit Kaktusblüte im Haar. Paradise.

 


ROGUE TROOPER: CLASS DECLINE (Rebellion)
U.S. Oi! Combo aus Massachusetts, hatte bereits ein Demo und eine 7“ am Start. Nach dem gleichnamigen SUBCULTURE-Song benannt oder gleich den UK-Comic im Sinn ? Würden musikalisch auch exzellent in die 1990’s passen…zwischen BOOT PARTY, BOVVER WONDERLAND, TOUGHSKINS (CA). Solide Bootboy-Hausmannskost, stompin’ Brickwall Oi! ohne Schnörkel und Ausreißer.  8 „Head against the wall“-Songs in passendem s/w Artwork. Paradise

 


BETONTOD: VAMOS/TRINKHALLEN HITS VOL.1 (Arising Empire)
Deutschland 2018, kein Sommermärchen: Alkoholisierte Landjugend, Plastikbecher in the Air, Heckscheiben-Aufkleber, überfüllte Festival-Wiesen, ein dicker Teenager kotzt sich auf die Schuhe, Bierbänke erzittern. Im Hintergrund: BETONTOD mit neuem Album. Hochprofessionell eingespielt, hochprofessionell produziert. Hymnischer DEUTSCHpunkROCK mit stabiler Metal-Kante und raumgreifenden Refrains, 11 pathetische Gesänge für Alle und Keinen, „NummerSicher“-Ohrwürmer für die Masse. „Nie mehr Alkohol“, „La Familia“, „Stück für Stück“ etc. Extrem massenkompatibel, gleitfähig wie ein Zäpfchen. Die Zielgruppe wird bei MEDIA MARKT und MÜLLER zugreifen, die Subkultur greift zu den alten Scheiben. Na dann Vamos! Einer geht noch - bei der Erstauflage liegt auch noch ein Bonus bei: Trinkhallen Hits Vol. 1! DTH, ONKEL TOM & Co. haben es vorgemacht, jetzt machen es (auch) BETONTOD nach: Berüchtigt-gefürchtete Promille/Herzschmerz-Schmonzetten aus blauer Vorzeit auf WACKEN-Punk gebürstet. Punk-Metal. Hart und flüssig. Wenn es mal wieder Oberkante-Unterlippe steht und der Hauptrechner sanft booted, dann wird es höchste Eisenbahn für „Griechischer Wein“, „Die kleine Kneipe“, „Im Wagen vor mir“ etc. 10 feuchtfröhliche Liebesgrüße aus Opa’s Partykeller (nur echt mit Holztäfelung und Fischernetz!), metallisch aufbereitet, Last Exit: WACKEN. Tasse hoch, Trinkhalle ole! Paradise

 


SEND REQUEST: PERSPECTIVES (Sharp Tone)
Bands, die sich an den Helden des West-Coast Punk orientieren, gibt es auf der ganzen Welt. Jeder Kontinent hat so seine Helden hervorgebracht, die Beständigkeit und das Können ist in diesem Genre meistens aber dann doch in den USA beheimatet. SEND REQUEST sind eine von hunderten Bands, die den Spuren von erfolgreichen Bands aus den 90ern folgen. Selbst erst vor etwa 5 Jahren in Pennsylvania gegründet, haben sie aber aus ihren ersten Gehversuchen offensichtlich gleich große Schritte gemacht. Die schnellen Songs auf dem Album sind für meine Perspektive sehr stark, haben die richtige Antriebskraft. Der Sänger hat eine zeitlos passende Stimme für diesen poppigen Punksound. SEND REQUEST lassen allerdings noch einige andere Einflüsse an Sound zu und so tummeln sich auch ein paar Midtempo-Tracks oder gar gähnend langsame Nummern auf dem Album. Die hätte man sich sparen können. Aber die Band hat mich neugierig gemacht, ich werde mal schauen, was die an frühen Aufnahmen gemacht haben. Oft haben solche Bands gerade in den Anfangstagen an Tempo nicht gespart. Könnten groß werden, weil sie den Zahn der Zeit in ihrem Bereich treffen und um genau das gewisse „Etwas“ mehr haben, als viele andere Wegbegleiter.

 


FUERZA BRUTA: VERDUGO (Rebellion)
Relativ frische Kapelle aus Chicago, hier mit einer limitierten Neuauflage ihrer letztjährigen, selbstveröffentlichten Debüt 12“. Komplett in spanisch besungen, Nord trifft Süd: Amtliche Kombination aus dem aktuell sehr gängigen Brutalo Oi! Version Nordamerika und dem klassischen HC Power-Sound Version Südamerika, kurz: BATTLE RUINS/HAMMER AND THE NAILS meets OLHO SECO (Von „Nada“ könnten sich aktuelle Tough Guy-Combos mal eine ganz dicke Scheibe abschneiden). 8 Songs. Böse, hungrig und klar antifaschistisch. Inklusive dem NABAT-Cover „Lavoro“. Paradise

 


CITY SAINTS: Weekend (Sunny Bastards)
Göteborg, die Großstadt mit der Heiligen Vierfaltigkeit – die Band bringt immer wieder kleine, runde Schallplatten raus. Und zwar keinen Mist, der auf Alben keinen Platz mehr gehabt hat und nur die Lieferzeiten der Presswerke blockiert. „Weekend“ enthält zwei Songs, die es beide wert sind, auf Vinyl gepresst zu werden. Soll heißen beiden Spielseiten enthalten je einen richtigen Knaller-Hit! RocknRolliger Punk – im Falle der CITY SAINTS keineswegs ein Schimpfwort! Sehr schwungvoll geht es durch den Freitag und den Samstag. Insbesondere bei „Saturday“ musste ich wegen der „One, Two, Three, Four, Five, Six, Seven…Eight“ Passage sehr schmunzeln. Preisfrage: wer errät, an wen mich diese zwei Songs erinnern, gewinnt ein 77-teiliges Werkzeugset, das zu knapp 90% aus Schraubenziehern besteht.

 


GRABUGE: Perdu d’avance MLP (Contra)
Immer mehr Platten erscheinen als Gemeinschaftsproduktion mehrerer Labels – bei dieser hier kooperieren neben Contra Records noch Crom Records, Flail Records, Spit it Out und Acouphènes, die mir allesamt unbekannt sind. Die Band hatte in 2017 die sieben Songs als Tape schon einmal vorgelegt, jetzt kommt also die Vinyl-Version. Das Material ist sehr, sehr typisch französisch und nordet sich auf dem Grenzgebiet zwischen Punkrock und Oi! ein, wobei das Pendel mal mehr zu der einen Seite, mal mehr zur anderen ausschlägt. Und es erinnert sowohl an alte französische Helden (NO CLASS fallen mir da vor allem ein), als auch an aktuelle Bands, die das Banner des guten Geschmacks bei unseren Nachbarn hochhalten. Davon gibt’s ja derzeit zum Glück durchaus einige (wie ZONE INFINIE oder THE DECLINE!), GRABUGE (zu deutsch: Krach, Rabatz) jedenfalls sind mit „Perdu d’avance“ da ganz weit vorne. Tolle Debutscheibe der Jungs aus dem kleinen Ort Aire-Sur-La-Lys, die zwar keine Glatzenband sind, den kurzhaarigen Lesern dieses Organs aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr zusagen werden. Sir Paulchen
 


AGGRESSIVE: Stick together (Contra)
Die Release – Party zu „Stick together“ fand bereits Anfang März statt, die Veröffentlichung als Vinyl hat sich aber offenbar ziemlich gezogen. Da waren die Kapazitäten im Presswerk wahrscheinlich wieder anderweitig belegt. War „Spit blood“ noch ein Oi!-Album mit Hardcore-Einfluss, so geht der Nachfolger noch einen Schritt weiter, ohne aber wirklich das Lager zu wechseln. Sprich: AGGRESSIVE sind dezent härter und schneller geworden. Die in Teilen personell veränderte Truppe (u.a. SS-KALIERT – Nils nunmehr am Bass) hat also zumindest in Teilen die Schlagzahl erhöht, gerät aber nicht in die „uninteressantes-Gebolze“ – Falle. Dafür sorgen die gut austarierten Midtempo-Boliden wie „Black Red Gold“, „Resist“ oder das deutschsprachige „Deine Liebe“, vielleicht der heimliche Hit des Albums. Die Tradition mit dem Track in Landessprache hatten sie bereits auf „Stick together“ begründet. Richtig stark auch die mit mächtigen Gangshouts unterfütterten Songs „For the wild ones“ oder das abschließende „Goodbye“! Inhaltlich geht’s u.a. um Drogen, Zusammenhalt, Skinhead-Selbstverständnis oder sich auseinanderdividierende Lebenswege. Nicht neu, aber gut umgesetzt. In Summe hat mir der Vorgänger einen Tick besser gefallen, vielleicht, weil in der Endabrechnung ein Mehr an „Oi!“ mit an Bord war. Wer sich aber live von der Energie des Quartetts überzeugen konnte, dem sei gesagt, dass es AGGRESSIVE gelungen ist, diese ohne Reibungsverluste gepaart mit Wut, Hass und Aggression (nomen est omen!) auf Vinyl zu bannen. Sir Paulchen


NÖ CLASS: Painted in a corner (Contra)
Kruzifix, die Aussies sehen aus wie weiland 1982 – und sie klingen auch so! Kurz gesagt haben die den 82er-UK-Punk – Spirit konserviert und mit leicht rock’n’rolligen ROSE TATTOO – Spurenelementen angereichert. Fertig ist der charmant anachronistische Sound, den wir alle lieben. Passend dazu der süffisante Seitenhieb im Inlay: „Punks not dead but Thatcher is“. Wer nach wie vor gerne seine alten „Punk and Disorderly“ – Sampler hört UND die alten Haudegen rund um ANGRY ANDERSON verehrt, der muss sich unbedingt um die hier kümmern. Sehr bekömmlich! Sir Paulchen

 


BONECRUSHER: Every Generation… (Knock Out Records)
Das erste Album mit Michael als neuem, regulärem Sänger im Kreise einer meiner Allzeit-Favoriten. Stimmlich reiht er sich nahezu unverkennbar bei seinen Vorgängern ein! Ein Hammer, der den Nagel gnadenlos auf den Kopf trifft. Zwei Dinge sickern bei „Every Generation“ rasch durch: in gewohnter BONECRUSHER Tradition werden in den Lyrics die alltäglichen Schattenseiten des Lebens angeprangert. Schön allgemein formuliert, keine konkreten Hinweise und genug Platz für Gleichgesinnte. Die Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch die 11 neuen Nummern durch – und immer wieder finden sie dennoch neue Worte für alte Probleme. Die zweite Sache ist für mich etwas schmerzvoller – denn soundtechnisch sind BONECRUSHER das erste Mal seit langer Zeit etwas von den bekannten Pfaden abgekommen. Der erste und letzte Track des Albums ist 100% BONECRUSHER, zwischendrin ziehen sie das Tempo teilweise doch merklich an und die Leadgitarren dauern mir stellenweise auch zu lange. Es klingt nicht so spontan und direkt, wie die früheren Scheiben. Das ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau – von der Band bestimmt so gewollt und okay. Aber es klingt einfach „anders“ als das, was ich erwartet hätte. Und es liegt nicht am neuen Sänger. Sei ihnen gegönnt, den Rücken werde ich ihnen dennoch niemals kehren. Ebenso freue ich mich, dass sie jetzt offenbar noch mehr Aufmerksamkeit in Europa bekommen, weil sie dank stabilem Line-Up endlich mehr Möglichkeiten haben. Ärgerlich dennoch, was für Idioten mittlerweile BONECRUSHER als „ihre“ Band entdeckt haben….bestimmt werden die trittbrettfahrenden Poser aber irgendwann wieder verschwinden und die Orange County Band wird immer noch ihr Ding leben!

 


V/A SKANNIBAL PARTY 15 (Mad Butcher Records)
Ich mag es, wenn Ideen konsequent durchgeführt und vor allem fortgesetzt werden. Mittlerweile der 15. Teil des skankenden Pendants der „Bravo Hits“. Immer die gleiche Message, die das Cover vermittelt und auf dem Silberling selbst sind immer einen Haufen Bands zusammengeschart, die ins Konzept passen. Es geht um Ska – egal aus welchem Winkel dieser Welt. Und immer wieder entdeckt man beim Hören die eine oder andere Nummer, die einen aufhorchen lässt. So stechen zum Beispiel die Mexikaner von NEW LION SKA deutlich heraus. Die Skannibal Party Sampler sind immer ein angenehmes Unterfangen, um sich auf altmodische Weise ein kleines Update über das aktuelle, internationale Treiben in Bezug auf Ska zu machen. Danke dafür!

 


SHARP/SHOCK: Youth Club (Mad Butcher Records)
Ein Trio aus Amerika, die würdigen Punkrock machen, mit einer Portion Power und einer Portion Pop. Ein brauchbarer Sänger mit auffordernder Stimme. Geht alles gut ins Ohr und es machen sich keine langatmigen Phasen in den gut 20 Minuten Spielzeit breit. Kurz, knackig, schöne Optik. Nicht atemberaubend innovativ, aber bestimmt nicht übel!

 


THE ZSA ZSA GABOR´S: BLACK ROADS BLANK THOUGHTS (Mad Butcher)
Neuer Longplayer der St. Pöltener Band, die schön bei Mad Butcher untergekommen sind. Gute Sache, denn das Trio hält anständig die österreichische Punkrock-Fahne im Wind. Drei Leute sind hier am Werk und die Band hat dennoch dreißig verschiedene Gesichter. Angepisst und fröhlich, stimmungsvoll und kämpferisch – unterm Strich einfach eine Menge Leidenschaft und 77 Hinweise, dass sie „echt“ sind. Die Nummern in Landessprache begrüße ich sehr – manche Bands sind sich zu gut, um sich da drüber zu trauen. Im Fall der ZSA ZSA GABOR´S klappt es, soviele Eckpfeiler unter einen Hut zu bringen! Wichtige Band in diesem Land!

 


BEACH RATS: Wasted Time (Bridge 9)
Ich bin riesiger BAD RELIGION Fan, allen voran die alten Sachen sind für mich unerreicht. Brian Baker ist hier mit führendem Personal aus der Punkrock-Welt am Werk: Leute von den BOUNCING SOULS und LIFETIME. Das verspricht erstmal Spannung – aber die EP lässt mich im Gesamteindruck nicht so springen, wie erhofft. Vielleicht ist meine Erwartung zu hoch – aber das hätten ein paar 20-Jährige auch auf die Reihe gebracht, wenn sie gerade mal nicht Skateboard fahren, sondern Punkrock spielen. Nummer 1 und 5 sind absolut stark, die Songs dazwischen aber fast schon belanglos und ohne viel Ausstrahlung. Vielleicht war es nur ein Schnellschuss und die Strandratten haben noch ein paar Asse im Ärmel, aber die Spielzeit von Track 2 bis 4 muss ich trotz mehrmaligen Versuchen als „Wasted Time“ verbuchen. Anfang und Ende gleichen die Enttäuschung aus. Für mich hätte eine 2-Song EP gereicht!

 


V/A DEDICATION RECORDS: Labelsampler 2018
Die Vision des Labels spiegelt sich klar und deutlich in diesem Sampler. Selbst der größte Idiot bekommt vermittelt, dass sich das Label „dedictated to Hardcore, Punk, Trash & Artverwandtem“ ist. Die eine oder andere Band geht zwar über die Grenzen meines persönlichen Hörspektrums hinaus, aber im Gesamteindruck ist das durchaus geil. Denn die Bands, die Musik und das Image steht ganz deutlich in meiner Sympathie-Zone. Hier wird nach individuellem Rezept gekocht, jede D.I.Y-Attitüde. Sowohl Bands als auch das Label strahlen eine Harmonie aus, weil da keine Poser dabei sind, kein peinlicher Hardcore von rich kids – nur volle Ladung Idealismus und Herzblut. Das ist der Weg, der immer irgendwie weiterführen wird. Dass mir Bands wie RATRACE, MANIFESTATION oder BLACK 8 BALLS weit mehr zusagen, als die Musik, die zum Beispiel TARASQUE und andere Schreihälse machen, spielt in der Hinsicht keine Rolle. Der Funke springt glaubhaft über!

 


GHOST STREET: STAGNATION IN TRÜMMER (Dedication Records)
Dieses Album im Radio und innerhalb von ein paar Stunden würden wahrscheinlich ein paar Villenviertel abgefackelt werden. GHOST STREET spielen sehr fiesen, rotzigen Hardcore – keine kaputten Typen mit chronischem Untergewicht. Große Wut braucht große Bäuche, da bleibt keine Zeit Texte auf Englisch zu schreiben. Alles muss original und ungefiltert rausgeblasen werden, in deutscher Sprache und mit Nachdruck. Wuchtig und viel Salz in den Wunden, ein Dorn im Auge der Obrigkeit. Die Songs sprechen eine ehrliche Sprache und lassen künstlich gepushte Böse Buben Hardcore-Bands ziemlich soft aussehen. Nichts für zarte Gemüter, sehr trashig und nicht perfekt! Poser sollten lieber die Finger von dieser Platte lassen, und ihre goldene Kreditkarte besser nicht belasten.

 


V/A DIE GESCHICHTEN VON VOLXSTURM (Sunny Bastards)
Endlich hat dieses Projekt das Licht der Welt erblickt. Dass darin sehr viel Arbeit steckt, erkennt man schon auf den ersten Blick. Alle Beteiligten haben sich ordentlich Mühe gegeben – auch alle Bands, die hier vertreten sind. Insgesamt 25 Kapellen unter einen Hut zu bringen, sie zu motivieren, dass sie einen Song covern – das ist keine schwache Leistung. Und das Niveau der Coversongs ist durchwegs ausgezeichnet, weil es alle einen „etablierten“ Status genießen. Einerseits ihren eigenen Stil hörbar rüberbringen und dennoch die VOLXSTURM-Kante nicht vernachlässigen – so klingen gute Tribute-Sampler. Sauber zusammengestellt und bei vielen Nummern ist der Unterhaltungswert groß. BROILERS glänzen ganz besonders, auch die „nicht-deutschsprachigen“ Kollegen haben toll die Kurve gekratzt, alte Wegbegleiter und neuere Bands halten sich gut die Waage. 2-3 Kapellen fehlen mir irgendwie, aber das wird seine Gründe haben. Beachtenswert finde ich auch, dass jeder Beitrag funktioniert – es gibt viele Tribute-Sampler, wo man die erzwungene Präsenz der vertretenen Bands schon nach 10 Sekunden raus. Nicht nach 25 Jahren VOLXSTURM.

 


THE OLD FIRM CASUALS: s/t (Pirates Press Records)
Diese Scheibe ist mittlerweile vor über 7 Jahren in Erstpressung erschienen. Da sieht man, wieder wie schnell die Zeit vergeht. Ursprünlich auf Oi! The Boat erschienen, war das eines der ersten Lebenszeichen von Lars Frederiksens „new way“. Wobei der so neu gar nicht war – aber genug Leute haben sich darüber das Maul zerrissen. Oder besser – die Finger wund getippt, denn Dampf wird heute ja nur noch auf der Tastatur abgelassen. Egal, OLD FIRM CASUALS sind (selbstverständlich) immer noch am Start und hier wurde die erste 7“ nun als 12“ EP nachgepresst. Die Platte ist mit einem Siebdruck veredelt, was ich persönlich geil finde, dafür wurde dann beim Druck des Frontcovers gespart. Oder nennt man das „Oldschool“? Die 4 Songs, die man hier hören kann, haben mich bereits 2011 überzeugt und tun es immer noch. Lars machte damals schon viele Dinge richtig!

 


BOOZE & GLORY: London Skinhead Crew (Pirates Press Records)
Laut Info wurde der Titeltrack auf Youtube über 10 Millionen mal geklickt. Erschütternd, dass es von diesem Stück Vinyl nur in Summe 1000 Stück als Pressung gibt. Okay, der Song wurde schon in x anderen Varianten aufgelegt, aber dennoch hat Pirates Press da eine hübsche Stanz-Scheibe gemacht. Klassisches Sammlerstück, den Song selbst kann ich mittlerweile nicht mehr hören. Und auch die Ska-Version auf der B-Seite finde ich eher mässig. Aber die Optik passt.

 


CONTINENTAL: Home On The Range (Eternal Sound)
Die Band kannte ich bisher nicht – dass das die aktuelle Band von Rick Barton ist, hat mich aber doch neugierig gemacht. Leider ein Trugschluß. Rick Barton war in den frühen Tagen bei DROPKICK MURPHYS an der Gitarre, davor spielte er auch noch bei den OUTLETS. Beides passable Kapellen, aber was er da mit CONTINENTAL fabriziert, muss man nicht kennen. Kitschiger, rockiger Sound, mit dessen Zielgruppe ich keine Gemeinsamkeiten Pflege. CONTINENTAL würde ich maximal für die Eröffnung einer Tankstelle in einem 300-Seelen-Dörfchen buchen, vielleicht kommen die Gäste dann in Fahrt.

 


THE TURBO AC´S: Radiation (Concrete Jungle Records)
7 Jahre hat es gedauert, bis die TURBO AC´S ein neues Album veröffentlichen. Kevin Cole hat mal erzählt, dass er gerne seine Freundinnen auf den Plattencovers abbildet. Vielleicht ist seine letzte Beziehung im verflixten 7. Jahr zerbrochen und er hatte endlich Nachschub an einem neuen Covermodel? Wir werden es nie erfahren – fest steht, dass die neue Platte unter miesen Umständen entstanden ist, denn Kevin Cole hatte durch den Hurrikan Maria seine Pizzabude auf Puerto Rico verloren. Insofern wundert es mich nicht, dass die Songs beim ersten Mal Durchhören alle etwas „zusammengebastelt“ geklungen haben. Nach einigen Durchläufen hat das Album aber wunderbar gezunden. Bestimmt die bisher abwechslungsreichste Platte, die die Gelhaar-Punks da gemacht haben. Sogar etwas ruhigere, schwungvolle Momente lassen sich entdecken. Kevin Coles Stimme ist zwar sehr im Hintergrund deponiert, aber umso markanter und bösartiger wirkt sie in dieser Position. Giftige-LINK WRAY-geschwängerte Leadgitarren und unter´m Strich dann doch hörbar ein weiteres Produkt aus dem Hause TURBO AC´s. 13 Songs in 30 Minuten, an Tempo haben sie also nicht verloren. Ein bewegtes Stück, das im Vergleich zu den letzten Outputs der Band eben etwas mehr Abwechslung bietet. Das deutet darauf hin, dass die Band sich sehr wohl Gedanken über ihr Dasein macht – für mich immer noch eine hörenswerte Band, deren Drive schwer vergänglich ist!

 


ADOLESCENTS: Cropduster (Concrete Jungle Records)
Tony Cadena ist quasi der Bruce Lee des Punkrocks für viele Bands, die in den 90ern in den USA ihre ersten Gehversuche gemacht haben. Und man hört auch fast 40 Jahre später, dass hier Wegbereiter am Werk sind. Wenn man sich etwas näher mit der Band beschäftigt, dann erzählen die Songs schon sehr bewegte Dinge. ADOLESCENTS bringen die Sonnen- und die Schattenseite von Californien in ihrem Songwriting anstandslos auf den Punkt. Lieder aus dem Leben, wuchtiger California-Punk mit jeder Menge Ecken und Kanten. Schon am Cover ist klar, dass ihnen ihr aktueller Präsident auf dem Sack geht, daraus machen sie keinen Hehl. Cropduster“ haut mich gesamt regelrecht um, die Band sollte wieder viel mehr in die Aufmerksamkeit der Szene kommen. Während andere Punks dieser Generation zur Akkustikgitarre greifen oder Bücher schreiben, ballern die einstigen Kinderhasser 18 Songs aus dem „black hole“, dass es nur so eine Freude ist. Einziger Haken – sie verpacken die Realität in ihren Songs. Schwere Kost, musikalisch unglaublich zugänglich gemacht!

 


THE BAR STOOL PREACHERS: Grazie Governo (Pirates Press)
Und da ist jetzt auch schon der Longplayer, der englischen Band, von der man vermutlich noch viel hören wird. Musikalisch zeigen sie sich von verschiedensten Seiten, auch innerhalb der Songs gibt es Veränderungen, mit denen man so nicht rechnet. Die jungen Herren haben sich mit Songwriting mindestens genauso viel beschäftigt, wie mit der Planung für anstehende Konzerte. Es macht den Anschein, als würden die BAR STOOL PREACHERS mit diesem Album einen Basis schaffen, die sie problemlos über die nächsten Jahre bringt. Von den 13 Songs sind einige Stücke dabei, die durchaus Hit-Potential ohne Ablaufdatum haben. Kategorisieren lässt sich die Band längst nicht mehr. Einfach mal ein offenes Ohr schenken.

 


MONSTER SQUAD: Depression (Pirates Press)
Aha, die gibt es also auch noch. Oder wie? Bleibt zu hoffen, dass der Titel des Albums nicht der Grund dafür ist, warum die Band längere Zeit in der Versenkung war. MONSTER SQUAD zählten vor etwa 10 Jahren zu jenen Bands, die ständig im dezenten Schatten von Bands wie THE CASUALTIES und anderen Nietenkaisern gestanden sind. Den obersten Status haben sie nie erreicht, aber gewiss haben sie bei manchen Irokesen-Damen für feuchte Höschen gesorgt. Das neue Album ist ziemlich zähflüssiger Rotz, aber mit Druck. Es klingt auch ein wenig so, wie es der Titel benennt. Wäre interessant, da mal nachzuhaken. Denn die Songs hinterlassen einen ziemlich drückenden Eindruck. Wie gesagt – mit Druck. Ich bin nicht ganz sicher, wie ich mit dieser Scheibe umgehen soll. Gibt es eigentlich derzeit Hörer für solchen Sound? Der Stil der Coverzeichnung geht mir jedenfalls etwas auf den Sack. Oder bin ich nicht sensibel genug? Für harte Kerle mit kleinen wie großen Problemen, könnte das schon ein angenehmer Soundtrack sein.

 


THE ESTABLISHMENT: Vicious Rumours (Spastic Fantastic, Aggrobeat, Darcy Trash, Underarchievers)
Da haben sich Leute von ANTIDOTE, CITIZIENS PATROL, BEANS und KNOCKDOWN zusammengetan. Wie das klingt? Gar nicht so, wie ich vermutet hätte. Es klingt nach einer amerikanischen Punkband, die einerseits viel Biss hat sich den dafür notwendigen Schliff in düsteren Bereichen holt. Also doch wieder mehr nach Norwegen. Punkrock, wie ich ihn nicht vermutet hätte – man hört fast widersprüchliche Einflüsse heraus, die unterm Strich aber die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich ziehen. Aufregend, sperrig und angepisst. Kalt und warmherzig zugleich. Schwer! Schwer vergleichbar und deswegen wird diese Platte Platz in meinem Regal finden.

 


LANDMINE HEART: No Direction Home/White Line Fever (Aggrobeat)
Yes – absoluter Geheimtipp, diese Band! Und ein großes Lob an Aggrobeat, dass sie soviel Herzblut in die Hülle dieser 7“ gesteckt haben. Schöner Siebdruck mit gutem Rastereffekt. Und selbst wenn die Platte zwischen zwei kopierte Papierbögen gesteckt wäre – der „Inhalt“ hat es faustdick hinter den Ohren. LANDMINE HEART sind ein Garant für echte Musik. Der Sänger ist ein zartes, aber hartes Kaliber. Jedes Bandmitglied erfüllt weit mehr als nur den Zweck. Sehr geile Band, sehr geile Musik. Explosive Fuck You Punk!

 


THE FILAMENTS: Look to the skies (Pirates Press)
Die Engländer lassen sich auch nicht unterkriegen, gut so! Sie bewegen sich stellenweise eifrig auf den Spuren von RANCID, zweigen aber immer wieder rechtzeitig ab, um nicht den Eindruck einer Kopie zu hinterlassen. Das tun sie keineswegs, denn sie haben genug eigenen Einfallsreichtum und klingen sehr selbstbewusst. Man hört ihnen an, dass sie etwas zu sagen haben – sie haben Energie und nur ein paar belanglose Momente auf der Platte. Über die Länge betrachtet, ein mehr als akzeptables Ergebnis. THE FILAMENTS sollte man sich zumindest einmal reingezogen haben und entweder steht man auf sie oder nicht. Ich mag die Band und „Look To The Skies“ ist mit den 10 neuen Songs ein Grund mehr, die Band nicht unter den Tisch zu kehren. Punkrock mit Offbeat-lastigen Ausflügen, kein peinlicher Ska-Punk. Take A Try!

 


AGGRESSIVE: Stick Together (Contra Records)
Der zweite Longplayer der Ruhrpott-Softies wird wahrscheinlich eher selten auf Friedenskonferenzen als Soundtrack fungieren. Mir gefallen die deutsch gesungenen Songs genauso gut, wie die englischen Nummern. Eine gesunde Mischung, die Band hat den Dreh raus und hält das harte Niveau über die komplette Spiellänge. Sehr clever eingesetzte Leadgitarren-Parts, viel Mitgröhl-Parts ohne in peinliche Stadion-Atmosphäre zu kippen. Alles sehr down to earth und dennoch innovativ und ein schöner Beitrag zu deutschen Musikszene. Klingt wie ein Mix aus früheren DISCIPLINE mit weniger Oberarmumfang und weniger Knastaufenthalt, ein wenig nach HARDSELL, SLAPSHOT oder xCROSSCHECKx. Aber auch deutscher Oi Oi-Sound mit klarer Abgrenzung zu Deutschrock und die frischen Melodien gepaart mit dem Druck von Gesang und Rhythmusfraktion machen AGGRESSIVE für mich zu einer ausdrucksstarken, geilen Band!

 


NO CLASS: Painted In A Corner (Contra Records)
Ronny Hecht hat sich die Augen verbinden lassen, hat mit dem Finger auf der Weltkarte seine Kreise gezogen und blind auf Neuseeland getippt. Dann hat er einen Agenten in den Flieger gesetzt, um dort Akquise für ansässige Randgruppen zu betreiben. NO CLASS sind dabei in die Fangarme geraten und wurden in einem geheimen Labor unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler des Contra-Instituts haben schnell herausgefunden, dass diese Gruppe wohl unter Einfluss von australischen Bands wie ROSE TATTOO und frühen englischen Punk/Pubrock-Stämmen massiv traumatisiert wurde. Sie tragen teils schlechte Verzierungen unter der Haut, spielen Chiswick-lastigen Bovver-Punk und zeigen sich gegenüber uniformierten Personen nicht paarungsbereit. Lästige Rivalen bekämpfen sie mit ohrenbetäubenden Geräuschen, rocknrolligen Punk-Nummern und wilden Kampfesparolen. Der Stammesälteste besitzt unglaublich gutes Gesangstalent, sodass diese 77er Gattung auch locker Überlebenschancen in der Neuzeit hat. Contra hat diese erfolgreiche Feldstudie auf Vinyl dokumentiert, mit aussagekräftigem Bildmaterial untermauert und findet damit hoffentlich guten Absatz am Rande der Gesellschaft.

 


THE QUEERS: Punk Rock Confidential Revisited (Monster Zero Records)
Ho, Nachpressung des Hopeless-Klassikers aus den 90ern. Mich würde interessieren, ob es Nachwuchs für Fans solcher Musik gibt. THE QUEERS waren davor auch ein gutes Zugpferd bei Lookout Records, da war die Melody-Punkszene noch sehr amerikanisch geprägt, NOFX und Konsorten sind in der Führungsebene gesessen und Gruppen wie THE QUEERS hatten zumindest gehobene Management-Posten. Und Interessierte sind an THE QUEERS schon damals nicht vorbeigekommen. Der Sound dieser BEACH BOYS-verpunkten Schiene ist natürlich sehr konsequent, aber verlässlich gut. Man hört irgendwie, das die Welt noch mehr in Ordnung war, alles sehr sonnig und die Bikini-Mädels waren noch keine Tattoomodels. Alles war okay – dem Re-Release wurde offensichtlich ein neues Coverdesign verpasst, das sehr gut passt. Obwohl mir die Erstpressung auch gut gefällt. Der Inhalt ist bis auf zwei Bonustracks exakt gleich. USA-Happy-Punk in einer Qualität, die insbesondere eine Nachpressung dieses Albums durchaus gut argumentieren kann.

 


DORKATRON: The Extra Mile (Monster Zero Records)
Dem Namen nach könnte es sich auch um eine Black-Metal-Partie mit Stock im Arsch handeln. Statt einem Stück Holz lassen DORKATRON aber lieber die Sonne und jede Menge Melodien ans Tageslicht. Ob das den Landesvätern von Kärnten gefällt, steht nicht zur Debatte. Mit gutem Draht zu DEE CRACKS lässt sich ein Vergleich zu denjenigen schwer leugnen. Die 6 Songs sind anständig eingespielt, in Summe fehlt mir ein wenig der Leichtsinn. Einem Land wie Österreich schadet diese Band sicherlich nicht. Eine Portion mehr Rüpelhaftigkeit hätte den 6 Tracks für meinen Geschmack nicht geschadet. So ist es ein sehr diszipliniertes, poppiges Punkrock-Dokument geworden, das man schon öfter in ähnlicher Form zu hören bekommen hat.

 


SKA IM TRANSIT: Buch (Edition NoName)
Die langjährige Oi!reka und Skintonic/Skin Up – Redakteurin Emma Steel hat sich daran gemacht, eine Rückschau über die Geschichte des Ska in Deutschland zusammenzustellen, sowohl vor als auch nach der Wende. Dabei liegt ihr Hauptaugenmerk auf den Protagonisten, die die Szene als Bandmitglieder, Veranstalter, Mailorder- oder Label-Betreiber ausmachten. Jeder bekam einen Fragenkatalog, bei dem es sowohl um den eigenen Zugang zur Musik ging, als auch um eine Einschätzung der Entwicklung speziell in unserem Land. Dabei kommen Herrschaften (es sind abgesehen von der Autorin selbst nur Männer) zu Wort, die man erwarten konnte (DR. RING-DING, Ossi von Moskito, Matzge von Pork Pie, Leute von SKAOS, BUSTERS, BRACES .. ), aber auch Mitglieder eher unbekannterer Kapellen wie DIE TORNARDOS oder SKATOON SYNDIKAT. Besonders interessant wird es, wenn die Menschen berichten, die in der damaligen DDR aufgewachsen sind (Leute von MESSER BANZANI, YELLOW UMBRELLA, Michele Baresi … ). Gespickt mit Bildern und Anekdoten ergibt sich so ein recht rundes Bild über eine Zeit, die für die meisten mit 2Tone begann. Der identische Fragenkatalog hat auf der einen Seite den Vorteil der Vergleichbarkeit der Antworten, birgt aber gleichzeitig auch die Gefahr der Vereinheitlichung und Lenkung. Vielleicht hätte da ein bisschen mehr Flexibilität gut getan. Was ich auch ein wenig vermisse ist ein redaktioneller Teil, der die Geschichte des Ska speziell in Deutschland einmal zusammenfasst – denn die ging ja wohl mit den NIGHTHAWKS 1980 los, auch wenn die ziemlich Scheiße waren. Und verlief dann weiter mit SCHWARZ WEISS MAFIA aus Bremen, die nur einmal kurz von Dr. Ring Ding / Richie erwähnt werden. Auch die besondere Bedeutung deutscher Bands im Zuge des 3rd-Wave-Revivals in den Jahren 1988-91 wird nicht explizit gewürdigt. Hier hätten sich vielleicht noch Ansatzpunkte für weitergehende Ausführungen ergeben. Allerdings – und das sei zur Ehrenrettung ausdrücklich erwähnt – gibt es eine kurze (dreiseitige) allgemeine Geschichte des Ska, die die Historie sehr gut zusammenfasst. Und in diesem Zusammenhang wird auch das „Bluebeat“-Phänomen im deutschen Schlager der 60er-Jahre erwähnt, ein hochinteressantes Thema, das man unbedingt mal ausführlicher behandeln sollte. Trotz dieser kleinen Mäkeleien ist das auch optisch schön in Szene gesetzte „Ska im Transit“ eine tolle Dokumentation der hiesigen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten und steckt voller Erinnerungen für die, die dabei waren. Und gleichzeitig ist es spannend zu lesen, wie höchst unterschiedlich die Befragten die Zukunft einschätzen. Sir Paulchen

SKA IM TRANSIT: Buch (Edition NoName)
Sir Paulchen hat das Buch ja schon auf Herz und Nieren geprüft. Ich mag diese Art von Dokumentation sehr gerne. Mich wundert, dass noch nicht schon früher jemand dieses Projekt in Angriff genommen hat. Umso erfreulicher ist es, dass es von 2 Aktivisten aus dieser Ecke stammt und nicht von irgendwelchen hornbebrillten spätberufenen Matrikelmännchen. Die meisten Leute, die zu Wort kommen, sind mir bekannt – gleiches gilt auch für einen Anteil des verwendeten Bildmaterials. Aber es sind auch einige sehr schöne – für mich bis dato unbekannte – Fotos zu sehen. Was mir erst dank dieses Buches auffällt, dass die deutsche Ska-Musiklandschaft schon ein ganz individuelles Gesicht transportiert hat. Viele Bandnamen harmonieren im weitesten Sinne miteinander, da hat man sich wohl bewusst oder unbewusst aneinander orientiert. Und so ist eine Szene entstanden, die hier auf gut 150 Seiten im schönen Layout für die Nachwelt festgehalten wird. Man hätte bei einigen Themen bestimmt noch mehr in die Tiefe gehen können, aber Bücher sollen den Leuten weder das Denken nehmen, noch den Anstoß, sich eingehender mit einem Thema zu beschäftigen. Ein Grundlagenwerk für Schwarz-Weiss Denker, die im deutschsprachigen Duden vergebens nach dem Wort „Ska“ suchen.

 


JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION: This Is Ska (Pork Pie)
Die diesjährige Festivalhymne zur gleichnamigen Veranstaltung in Rosslau kommt aus Köln! Und ist zum Glück keine Coverversion des aus meiner Sicht kreuzlangweiligen BAD MANNERS-Songs gleichen Namens. Gesungen von Johnny handelt es sich um einen Tune irgendwo im Spannungsfeld zwischen Ska und BossReggae. Die B-Seite ist eigentlich sogar spannender geraten, denn „Oi Oi Oi“ hat erwartungsgemäß nichts mit dem überstrapazierten Skinhead-Schlachtruf zu tun, sondern dreht sich vielmehr um die schlüpfrigen Phantasien einer jungen Dame (soweit man das versteht). Was mit voller Absicht auch in Bezug auf Rhythmus, Melodieführung und Phrasierung an einen leider verblichenen großen Künstler erinnert, der mit ähnlich gelagerten Themen im Ska/Reggae unterwegs war und den ich sehr verehre. Dieses Stück singt selbstverständlich Organistin Chrissy. Nette Single! Sir Paulchen

JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION: This Is Ska (Pork Pie)
Auch ich hoffte darauf, dass es sich nicht um ein Cover des COCKNEY REJECTS-Songs auf der B-Seite handelt. Aber JOHNNY und seine FOUNDATION hat zum Glück mehr Einfallsreichtum als Ideenarmut. Sehr schöne Single, bei beiden Songs kommt die Orgel gut zur Geltung. Der Titeltrack eignet sich perfekt als Untermaltung bei ein paar Drinks. Allerdings sollte man auf Ex trinken, denn die Nummer ist recht abrupt zu Ende und könnte für mein Gespür noch 30 Sekunden länger dauern. „Oi Oi Oi“ auf der B-Seite hat Charme in jeder Hinsicht. Für mich fast der Gewinner dieser 7“ – Stimme und Stimmung in diesem Song passen wunderbar!

 


PLEASURE TRAP: All-Nighter LP (Contra Records)
Trotzdem es eines unserer Nachbarländer ist, wissen wir verhältnismässig wenig über die polnische Szene. Bekanntere Bands von dort wie POLSKA, REZYSTENCJA oder RAMZES & THE HOOLIGANS zeichnen sich tendenziell im Mittel durch einen eher schroffen Sound aus, vielleicht auch bedingt durch die für unsere Ohren recht hart klingende Sprache. PLEASURE TRAP sind da ganz anders unterwegs: Mal abgesehen davon, dass sie die englische Sprache benutzen, haben sie sich einer offenen Herangehensweise verschrieben. Das macht die Beschreibung nicht eben leicht: Anteile von Punk, Powerpop/Modpunk, Ska/Reggae, hier und da auch Skapunk … . Vielleicht entfernt vergleichbar mit den CLASH zu „London Calling“ – Zeiten. Mit viel spielerischer Leichtigkeit zelebrieren die drei Warschauer eine gewisse Vielfalt inklusive Orgel und Bläser, kommen dabei aber durchaus zum Punkt. Für eine Band, die ihre Wurzeln sowohl in der Punk-, als auch in der Skinheadszene verortet, ist der Sound auf „All-Nighter“ wirklich ungewöhnlich. Politisch scheint sich Polen aktuell rückwärts zu orientieren, PLEASURE TRAP hingegen beschreiten eher offene und freigeistige Wege. Aber wie gesagt: Genau deshalb auch nicht einfach zu definieren. Anspieltipp: „Sometimes“, erstaunlicherweise das letzte Stück auf der LP. Schönes Gatefold-Sleeve übrigens, bei der man nicht wie gewohnt die Platte rechts herauszieht, sondern innen links (wie früher bei Alben aus den 70ern). Sir Paulchen

 


SMART ATTITUDE: "Punkrockmolotowcocktail" EP (Steeltown Records / Contra Records)
Schön, dass es die noch gibt. Der wie gewohnt gitarrenmässig leicht schrammelige Punkrock mit Reminiszenzen Richtung Oi! kommt mal direkt als fieser Uppercut direkt in den Magen (das Titelstück), dann wieder eher geschmeidig/fluffiig (wie bei "Like U"). Immer aber schön mit präzise herausgearbeiteten Refrains, die man so schnell nicht wieder loswird, kopfmässig.Inhaltlich bewegt sich das Trio auf subkulturell sicherem Terrain, meidet aber jegliches Peinlichkeitsfettnäpfchen. Sehr chicke 4-Track-EP in rotem Plastik mit Download-Code als Co-Produktion von Steeltown Records und Contra.
Sir Paulchen

 


FACELESS OFFENDERS: We don’t pose EP
Leider liegen die Texte bei diesem 4-Track – Brett nicht dabei, wir hegen nämlich den Verdacht, dass der Hard-hitting-Oi! der Crew nicht so ganz ernst gemeint ist. Vielleicht so in etwa wie bei Hard Skin. Das fängt schon bei dem unterirdischen Cover an, bei dem so manches Detail auf eine Persiflage hindeutet. Auch das „leicht“ parolenhafte Phrasengedresche ist (hoffentlich) nicht wirklich so gemeint. Aber der Sound ist – davon abgesehen – der totale Oi!-Ripper: Vier mächtige Hammer klopfen Dir auf die Glatze und diese Ohrwürmer trägst Du fortan mit Dir durch’s Leben. Wie gesagt, wäre interessant zu erfahren, wie die drauf sind, die EP jedenfalls ist ein 9-Punkte – Reißer. Sehr ulkig: Das Rock-O-Rama Fake-Logo mit der Aufschrift „Ronny-O-Rama“ (Ronny Hecht ist Betreiber von Contra-Records)! Das ist die Art Humor, die ich liebe. Ziemlich sicher, dass FACELESS OFFENDERS auch schwer mit Schalk im Nacken unterwegs sind. Top – US-Oi! Sir Paulchen


CRIM: Sense excuses EP (Contra Records, Pirates Press Records)
Auch die konnten wir unlängst in Essen bewundern: Ein Fest! Denn die Katalanen haben Tonnen von Songs im Portfolio, die die Älteren unter uns erfreulich an LEATHERFACE erinnern. LEATHERFACE? Jawohl, großartige Band aus Sunderland mit ebenso hochmelodischen wie brachialen Songs (was diese „Gitarrenwand“ angeht) und einer Reibeisenröhre, die trotzdem die Melodie zu führen vermag. Neben den beiden grandiosen eigenen Songs adaptiert das Quartett auf der B-Seite ein Stück der aus meiner Sicht chronisch überbewerteten TURBONEGRO („Prince of the rodeo“) und „Watch your back“ von dieser unbekannten englischen Band, deren Name mir partout nicht einfallen will. Sir Paulchen


FAZ WALTZ: Double Decker LP (Contra Records)
Faz La Rocca, seines Zeichens Sänger, Gitarrist, alleiniger Komponist, Texter und Produzent bei FAZ WALTZ hat wieder zur Zeitreise geladen: Mehr 70er geht in 2018 eigentlich kaum! Schwer, die Zutaten beim Glam zu erklären: Rock’N’Roll, Rhythm & Blues, ein Schuss Hardrock und ganz viel Boogie-Stampf – Mitklatsch und –gröhl – Faktor. Oder so ähnlich. Jedenfalls toll, vorausgesetzt man hat ein gewisses Faible für den Sound der 70er. Wenn es um dieses Jahrzehnt geht, denken die meisten von uns unwillkürlich an 1977, die Sex Pistols, die Damned und die Clash…. . In Wahrheit aber waren die 70er , zumindest was die Bedeutung und die Verkaufszahlen anbelangt, die Zeit des Glamrocks, von ABBA und natürlich von Disco. FAZ WALTZ jedenfalls geben auf „Double Decker“ dem Affen erneut Zucker, wer die immer schon mochte wird begeistert sein, alle anderen sollten mal `reinhören, ich finde die ganz, ganz groß! Sir Paulchen


FAZ WALTZ: Julie / I’m bleeding 7“ (Contra Records)
Es ist 19.30 Uhr, wir schreiben irgendeinen Samstag im Juni 1973. Ilja Richter präsentiert im Zweiten Deutschen Fernsehen die „Disco `73“ und nachdem diverse Heulbojen vom Schlage Tony Marshalls ihr Liedgut präsentieren durften und der Showmaster seine müden Sketche darbieten konnte, kommt die neue Sensation aus Italien, die SUZY QUATRO und Co. die Butter vom Brot nimmt, Backfisch-Mädchen kreischen lässt und die pickeligen Jungs sich fragen, wo zum Teufel man solche Schlaghosen herbekommt.Stimmt natürlich nicht, hätte aber sein können. Spätestens seit ich sie live sah (Essen, „Don’t Panic“) habe ich mein Herz an diese Glam-Teenie-Bopper verloren, genauso gut wie GIUDA und besser als SO WHAT. Beide Songs gehören in die Glitter-Stampfrock-Jukebox, die es leider nirgendwo mehr gibt. Sir Paulchen


THE BAR STOOL PREACHERS: Grazie Governo/Warchief/Choose My Friends (Pirates Press Records)
Blut ist dicker als Wasser - auch wenn Labelkopf Eric und Frontmann Tom nur verschwägert sind, wird hier ein enger Familienbann gelebt. Die BAR STOOL PREACHERS haben schon wieder einen neuen Longplayer in der Pipeline und eben dieser wird in Form von den oben angeführten Flexis vorab und gratis beworben. Clevere Strategie, denn spätestens jetzt sollte dem letzten Deppen klar sein, dass die Band um Sohnemann von COCK SPARRER Sänger Colin McFaull noch Größeres vor hat. Und das ist auch absolut in Ordnung, denn die predigenden Barhocker-Jungs ziehen ein sauberes Ding durch. Sie sind schon wieder gewachsen und bauen in ihren Songs viel Spannung auf. Stilistisch ist das sehr schwer in Worte zu fassen, es klingt einfach sehr vereinnahmend, die sind viele Elemente enthalten. Und TJ McFaull macht es ähnlich gerissen wie sein Vater, er trägt die Lieder mit seiner Stimme einfach glaubhaft von Anfang bis zum Schluss. Jetzt schon eine zeitlose Band!